Vom Kirch- auf den Schulhausplatz

Dies & Das

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Der historische Brunnen mitten in der Schulanlage Röhrliberg in Cham hat einst das Dorfbild geprägt.

  • Der «zerlegte» Brunnen auf dem Pausenplatz des Schulhauses Röhrliberg stand früher an einem anderen Ort. (Bild Stefan Kaiser)
    Der «zerlegte» Brunnen auf dem Pausenplatz des Schulhauses Röhrliberg stand früher an einem anderen Ort. (Bild Stefan Kaiser)

Cham – Bis vor kurzem noch war das Oberstufenschulhaus Röhrliberg in Cham wegen umfassender Sanierungsarbeiten eine Grossbaustelle. Die nach Plänen des Chamer Architekten Josef Stöckli (1929–2021) in den 1970er-Jahren errichtete, auf der Liste schützenswerter Bauten stehende Anlage weist fast auf alle Seiten hin Sichtbacksteinfassaden auf. Die Gestaltung des Schulhausplatzes aus Pflastersteinen greift seit jeher die Optik der Bauten auf, indem sie die Rasterung der Fassaden zitiert. Bildeten die «Bsetzisteine» bis zur gross angelegten Sanierung mit ihren vorwiegenden Grautönen farblich einen Kontrast zu den umliegenden Fassaden, so hat sich hier nach der Neugestaltung des Platzes mit seiner nun rötlichen Pflästerung eine zusätzliche optische Einheit gebildet. Wie bereits zuvor gliedert sich der neue Platz in einen Aufgang und eine Plattform, welche neben der Rampe steil abfällt. Das jetzige Gefälle ist jedoch ausgeprägter und grossflächiger.

Was nach Abschluss der Bauarbeiten erneut seinen Standort in der Mitte des Platzes gefunden hat, rückt ins Interesse dieses Beitrages: Die «zerstückelte» Brunnenanlage aus Leventina-Granit war einst das Herzstück des Chamer Kirchplatzes. Von 1899 bis 1969 stand sie auf dessen unterem Abschnitt zur Strasse hin und musste schliesslich weichen, als im Zuge einer Neugestaltung der Fläche ein vom Luzerner Bildhauer Franco Annoni (1924–1992) angefertigtes Brunnenbassin aus Granit den Platz der historischen Brunnenanlage einnahm («Hingeschaut» vom 12. Juni 2021).

Der Säule «beraubt»

Nach Fertigstellung der Schulanlage in den 1970er-Jahren fand der alte Brunnen in «neuer» Form auf dem dortigen ­Pausenplatz seinen künftigen Standort. Die ästhetische, einheitliche Erscheinung hat er dabei jedoch nicht zurückerhalten: Die ursprünglich zwischen den beiden Brunnenschalen aufgesetzte korinthische Säule mit den Wasserspeiern wurde zirka zwei Meter entfernt separat aufgestellt. Im abgestuften Postament, auf welchem die Rundsäule ruht, sind die Löcher der einstigen Wasserspeier verblieben. Anstelle der Säule auf der Mittelkonsole des Brunnens hat man einen tonnenförmigen Aufsatz aus Pflastersteinen aufgebaut, wohl um zwischen dem hier stilistisch völlig aus dem Rahmen fallenden Brunnen eine optische Verbindung zu seinem Standort zu schaffen. Aus diesem Aufsatz ergiesst sich das Wasser auf beide Seiten in die Brunnenschalen.

Ob es als künstlerisch motivierte Aktion angedacht war, den altehrwürdigen Brunnen vom Kirchplatz für den neuen Standort in seine Einzelteile zu zerlegen und ihn baulich zu verändern? Dass man sich für diesen Weg entschieden hat, mag man eher bedauern, als begrüssen, ist diese Art von Brunnen aus der Zeit der Jahrhundertwende grundsätzlich selten; ein wesentlich kleineres Exemplar ähnlicher Bauweise – mit einem Obelisken – findet sich bei der Schutzengelkapelle in Zug. Mehrschalige Brunnenanlagen des Historismus sind meist übereinander angeordnet. Das Chamer Beispiel ist – respektive war – einst von besonderer Ästhetik, allein durch seine Symmetrie und Grösse. Die massive, rund drei Meter hohe Brunnensäule ist am unteren Teil des Schaftes vertikal rustiziert, das Kapitell ist reich gestaltet mit Voluten und Blattwerk.

Keine Brunnenfigur

Auffallend ist, dass auf keiner historischen Fotografie eine Brunnenfigur zu sehen ist, wo ansonsten Anlagen dieser Art vor allem in katholischen Gebieten und erst recht noch vor einer katholischen Kirche geradezu prädestiniert sind für eine Heiligenfigur oder sonstiges religiöses Symbol als Bekrönung. Doch sämtliche Aufnahmen zeigen die Säule so, wie sie heute noch ist, abgesehen von gelegentlichem Blumenschmuck auf dem Kapitell.

Immerhin: Schön, hat man den historistischen Brunnen vom ehemaligen Kirchplatz nicht einfach entsorgt, sondern einen neuen Standort für ihn gefunden, ob zerlegt oder nicht. Ob es eine Überlegung wert wäre, die beiden Brunnenanlagen auszutauschen? Wie würde sich das rötliche Annoni-Becken mit seinen Fontänen auf dem ebenfalls rot dominierten Schulhausplatz Röhrliberg ins Bild einfügen. Nur: 22 Tonnen hierhin zu dislozieren, wäre ein erheblicher Kraftakt. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.