Harsche Kritik am Regierungsrat

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Betreiber von Zuger Veranstaltungslokalen machen ihrem Unmut im Zusammenhang mit den verschärften Coronamassnahmen Luft.

  • Solche Bilder wird es aus Zuger Clubs – hier die Lounge&Gallery – und anderen Veranstaltungslokalen vorläufig nicht mehr geben. (Bild PD)
    Solche Bilder wird es aus Zuger Clubs – hier die Lounge&Gallery – und anderen Veranstaltungslokalen vorläufig nicht mehr geben. (Bild PD)

Zug – Seit dem 13. Juli gelten im Kanton Zug schweizweit die härtesten coronabedingten Vorgaben für das Nachtleben. Zwar dürfen wie andernorts 100 Personen zu Veranstaltungen, in Betrieben «ohne feste Sitzplätze» dürfen sich davon aber nur 30 im Innenraum aufhalten. Das stösst Betreibern von Veranstaltungslokalen natürlich sauer auf. Philipp Waldis, der Inhaber des mit 900 Plätzen grössten Zuger Clubs Lounge&Gallery (L&G), findet deutliche Worte: «Der Regierungsrat hat schlichtweg die Folgen seiner Entscheidung nicht bedacht.» Waldis befürchtet einen «Club-Tourismus» zwischen den Kantonen. «Jugendliche suchen die soziale Nähe. Wenn sie diese in Zug nicht kriegen, gehen sie eben nach Zürich, das dadurch noch stärker zum Hotspot für Infektionen wird», erläutert er. In Zürich gelten trotz prominenter Fälle mit mehreren Ansteckungen in Lokalen weiterhin die Bundesratsvorgaben. Zu Veranstaltungen sind also 300 Personen ohne weitere Auflagen zugelassen. Überdies befürchtet Waldis «illegale Partys ohne jedes Contact-Tracing».

Abgesehen davon würden die verschärften Massnahmen die Zuger Nachtlebenbranche in den Ruin treiben, erklärt er: «Die Einschränkung auf 30 Personen im Innenraum ist völlig unverhältnismässig. Dadurch wird der Betrieb faktisch verunmöglicht.» Philipp Waldis wehrt sich nicht grundsätzlich gegen strengere Vorgaben als jene des Bundesrats, er sagt aber: «Keiner vom Kanton Zug sprach bei der Festlegung der Massnahmen mit uns Club- und Barbetreibern. Wären wir darin eingebunden gewesen, hätten wir gemeinsam eine praktikable Lösung mit einem entsprechenden Schutzkonzept gefunden.»

Der L&G-Betreiber stehe mittlerweile im Austausch mit dem Gesundheitsdirektor Martin Pfister (siehe Box). Er hofft, ihn zu einer Zusammenarbeit zwecks Anpassung der Massnahmen bewegen zu können. Darüber hinaus fordert Waldis wegen des Umsatzausfalls eine finanzielle Entschädigung seitens des Kantons. Er stützt sich dabei auf einen Mitte Juni von Walter Fellmann, Professor für Privatrecht an der Universität Luzern, im Online-Fachmagazin «Jusletter» publizierten Beitrag. Darin begründet der Jurist, warum den von den Coronamassnahmen betroffenen Unternehmen nach seiner Auffassung Staats- respektive Kantonshaftung zusteht.

Sieben Tage die Woche arbeiten

Helena Todorovic hofft hingegen vor allem auf schönes Wetter. Die Inhaberin des Topas-Clubs kommt dank der ebenfalls von ihr geführten Panoramabar beim «Schiff» in Zug über die Runden, sagt sie. Aber eben nur bei Sonnenschein, wenn die Terrasse genutzt wird, und wenn die dank des Entgegenkommens der Stadt aufgestellten Tische am See besetzt sind. Seit der Wiedereröffnung der Bar Ende Mai arbeite sie täglich und stets allein. Dies, damit das Personal weiter in Kurzarbeit sein könne und sie finanziell entlastet werde. Das Topas bleibt hingegen geschlossen, bis auf weiteres hat Todorovic alle Anlässe abgesagt.

Wegen der verschärften Schutzmassnahmen im Kanton Zug sieht auch sie schwarz für Clubbetreiber: «Unter diesen Voraussetzungen ist es unmöglich, betriebswirtschaftlich zu arbeiten. Die Situation ist existenzbedrohend.» Sie rechnet mit einer Normalisierung der Situation im Nachtleben frühestens im Frühling 2021. Dennoch wirkt Helena Todorovic gefasst, wenn sie darüber spricht. Der Grund dafür ist, dass für sie die Gesundheit über allem stehe. «Ich möchte das Risiko von Ansteckungen in meinem Club nicht eingehen», erklärt sie. Deshalb habe sie das Topas – mit einer Ausnahme – auch vor der Verschärfung der Massnahmen nicht mehr geöffnet.

Die strengeren Auflagen könnten auch Auswirkungen auf das Programm in der Ägerihalle haben. Das sagt Joëlle Guldin, die Mediensprecherin der Gemeinde Unterägeri, der Betreiberin der Halle. Ein volles Haus ist gleichbedeutend mit 900 Sitz- oder 1000 Stehplätzen. Die Verantwortlichen würden in der kommenden Woche die nächsten Schritte beraten und allfällige Änderungen auf der Website kommunizieren.

Die grösste reine Veranstaltungshalle im Kanton ist die Chollerhalle in Zug mit 1100 Plätzen. Deren Geschäftsführer Graziano Grieder zeigt zwar Verständnis für Massnahmen zur Eindämmung des Virus, fordert aber eine schweizweit einheitliche Lösung. Dies aus den von L&G-Betreiber Waldis erläuterten Gründen bezüglich «Nachtleben-Tourismus». Grieder spricht zudem offen aus, was viele denken: «Es ist sehr frustrierend, dass Woche für Woche irgendwoher neue Richtlinien oder Weisungen kommen. Dies erschwert unsere tägliche Arbeit enorm, da wir absolut keine Planungssicherheit haben.» Der Saisonstart in der Chollerhalle am ersten Septemberwochenende sei in Gefahr. Man prüfe die Einführung der Maskenpflicht, sagt Graziano Grieder.

Eine solche ist seit dem 13. Juli im Kanton Zug für Veranstaltungen ab 300 Personen vorgesehen, wenn der Abstand von eineinhalb Metern zwischen den Anwesenden nicht eingehalten werden kann. Die Chollerhalle hat auch in der kommenden Saison Konzerte im Programm, zu denen deutlich mehr als 300 Besucher erscheinen dürften. Grieder hofft, dass die verschärften Massnahmen bald aufgehoben werden. «Es bleibt uns nichts anderes übrig, als weiterhin geduldig zu sein», sagt er. (Raphael Biermayr)

Wie kam die tiefe Zahl zu Stande?

REAKTION Der Zuger Gesundheitsdirektor Martin Pfister sagt auf Anfrage, dass er den Ärger von Unternehmern im Nachtleben über die verschärften Massnahmen verstehe. Er habe aber auch Reaktionen von Betreibern erhalten, die «froh» seien, dass «klare Verhältnisse herrschen». Die Verordnung sei bis Ende August befristet. Der Regierungsrat werde die Lage nach den Sommerferien neu beurteilen.

Zu den Gründen für die Festlegung der Zahl von nur 30 Personen, die sich im Innenraum eines Lokals «ohne feste Sitzplätze» aufhalten dürfen, schreibt Pfister: «Die Zahl ist eine Abwägung aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Überlegungen. Da sich zeigte, dass in Innenräumen, und wenn die Besucher nicht sitzen, eine deutlich erhöhte Infektionsgefahr besteht, haben wir die gesundheitlichen Aspekte stärker gewichtet.» Wie viele Ansteckungen es in Zuger Clubs oder Bars gegeben hat, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen. Seit dem letzten Juniwochenende seien es «mit grosser Wahrscheinlichkeit» acht Personen gewesen, die in solchen Lokalen oder aber an privaten Partys angesteckt worden seien. Die Gesamtzahl an Infizierten im Kanton stieg seit dem 29. Juni bis gestern Morgen um 36 auf 259. (bier)