Pater Placidus’ verschenkte Musik

Musik

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Lange war die qualitätvolle Musik eines Benediktinermönches aus Baar verschollen. Nur zufällig fand man 120 Jahre nach seinem Tod auf einem Dachboden eine Partitur – und hielt sie für ein unbekanntes Werk Mozarts.

  • Die Noten von Pater Placidus Andermatt aus der Klosterbibliothek Einsiedeln. Sie sind 1955 wiederentdeckt worden. (Bild PD)
    Die Noten von Pater Placidus Andermatt aus der Klosterbibliothek Einsiedeln. Sie sind 1955 wiederentdeckt worden. (Bild PD)

Baar – Es gibt Komponisten vergangener Jahrhunderte, die nach dem ­Ableben der Vergessenheit anheimgefallen, später aber wieder entdeckt worden und neu auferstanden sind, weil jemand Aufmerksames in verstaubten Archiven Notenmaterial gefunden und die Qualität der Musik erkannt hat. Schwieriger wird es, wenn begnadete Musiker von einst wenig bis gar nichts Schriftliches hinterlassen haben. Das ist im zweifachen Sinne schade: Einerseits geht ihnen gebührende Anerkennung ab, andererseits bleibt der Nachwelt der Genuss ihrer Musik verwehrt. Zu den für immer vergessenen Komponisten hätte fast auch ein gewisser Martin Josef Silvan Andermatt aus Baar gehört. Es ist nicht viel Biografisches überliefert, aber immerhin lässt sich sein Leben einigermassen nachzeichnen, was Viktor Kaufmann im Zuger Neujahrsblatt von 1986 versucht hat.

Andermatt (An der Matt) wurde am 14. Juni 1765 in Baar geboren. Über seine Kindheit und Jugend ist so gut wie nichts bekannt. Am 21. November 1784 legte er die Profess ab und trat als Pater Placidus ins Benediktinerkloster Fischingen ein, wo er vier Jahre später zum Priester geweiht wurde und als solcher auch das Amt des Kaplans und des Pfarrers wahrnahm. An der Klosterschule unterrichtete er Theologie und Philosophie, war zugleich Kellermeister, Güterverwalter, Organist und Komponist. Als Musiker muss er besonders talentiert gewesen sein, denn in den klösterlichen Schriften wird er als «sehr erfahrener Organist» gewürdigt.

Seine Wiederentdeckung

Pater Placidus Andermatt aus Baar verstarb am 16. Februar 1835 im Kloster Fischingen. Es ist davon auszugehen, dass mit ihm auch sein Komponiertes verstummt ist. Fast 120 Jahre später stiess man im Dachboden der St.-Nikolaus-Kirche in Wil SG auf ein verstaubtes Bündel Noten. Gemäss Titelblatt handelte es sich um eine Messe in A und D. Neben dem Titel war «W. A. Mozart» zu lesen. Sollte man etwa auf ein bislang unbekanntes Werk des grossen Wiener Klassikers gestossen sein? Was für eine Sensation das gewesen wäre...! Experten rätselten, ob die Noten tatsächlich von Mozart stammen können. Aufgrund der guten Qualität der Musik wollte man diese Autorenschaft vorerst nicht ausschliessen, schrieb die Messe dann aber doch einem unbekannten Urheber zu. Die Noten wurden aufgearbeitet, am 6. Februar 1955 führte man die Messe auf. Nur fünf Tage später konnte der Autor aber doch noch genannt werden – dem deutschen Bibliothekar Wolfgang Irtenkauf war es gelungen, den Komponisten zu ermitteln. Auf dem Titelblatt der in Wil entdeckten Noten nämlich war klein der durchgestrichene Name P. Placidus vermerkt. Irtenkauf suchte nach allen möglichen Mönchen mit dem Namen Placidus und stiess schliesslich in Fischingen auf unseren Pater aus Baar.

Im Zuge seiner Ermittlungen suchte er auch in der Bibliothek des Benediktinerklosters Einsiedeln und fand dort ein Musikwerk (Fantasien & Symphonie) eines P. Placidus An der Matt Monasterio Fischingensi incorporatus von 1824. Ein Vergleich der Handschriften war so eindeutig, dass der Bibliothekar die in Wil gefundene Messe Pater Placidus zuordnen konnte. Der Name des Komponisten war nun bekannt und die «Wiler Messe» kein anonymes Werk mehr.

Neben dieser Messe und der in Einsiedeln gefundenen Partitur sind bis auf eine ungesicherte Zuschreibung in St.Gallen keine Werke von Pater Placidus Andermatt bekannt. Womöglich gibt es kaum weitere erhaltene Noten von ihm. Es ist nämlich überliefert, dass Andermatt seine zahlreichen notierten Kompositionen mit Vorliebe verschenkte und somit aus seiner Hand gab, ohne dass sie jemals gedruckt und für die Nachwelt erhalten worden sind.

Unsere beiden Abbildungen zeigen das Titelblatt und eine Seite der 1955 in der Klosterbibliothek Einsiedeln gefundenen «Fantasien & Symphonie», geschrieben im Jahre 1824. (Andreas Faessler)