Die Stiere kamen mit der Bahn

Brauchtum & Geschichte

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1897 war für die Zuger Landwirtschaft ein wichtiges Jahr. Vom 8. bis 10. September fand zum ersten Mal der «Schweizer Zuchtstiermarkt» statt. Die mehr als 300 Tiere kamen mit der Eisenbahn und das blieb für Jahrzehnte so.

  • Der «1. Zuchtstiermarkt und Ausstellung in Zug» fand 1897 auf der Schützenwiese statt – dort, wo heute die Turnhalle Schützenmatt steht. Erst 1911 wurde auf den «Exerzierplatz» gewechselt – den heutigen Standort des Stieremärts. (Bild www.zentralgut.ch, Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
    Der «1. Zuchtstiermarkt und Ausstellung in Zug» fand 1897 auf der Schützenwiese statt – dort, wo heute die Turnhalle Schützenmatt steht. Erst 1911 wurde auf den «Exerzierplatz» gewechselt – den heutigen Standort des Stieremärts. (Bild www.zentralgut.ch, Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
  • Die «Affolterner Schleife» war wegen des geringen Verkehrsaufkommens ideal als Verladeort. (Bild SBB Historic SV_255_11)
    Die «Affolterner Schleife» war wegen des geringen Verkehrsaufkommens ideal als Verladeort. (Bild SBB Historic SV_255_11)
  • Die neue Verladerampe war fix, andere Installationen hingegen eher provisorisch. (Bild SBB Historic SV_255_11)
    Die neue Verladerampe war fix, andere Installationen hingegen eher provisorisch. (Bild SBB Historic SV_255_11)
  • Ab 1934 wurden die Tiere über eine speziell für den Stieremärt gebaute Dammerweiterung verladen. Im Hintergrund das Gaswerk. (Bild SBB Historic SV_255_06)
    Ab 1934 wurden die Tiere über eine speziell für den Stieremärt gebaute Dammerweiterung verladen. Im Hintergrund das Gaswerk. (Bild SBB Historic SV_255_06)

Zug – Was die Teilnehmer an der Einwohnergemeindeversammlung vom 31. Oktober 1897 in der Kapuzinerkirche (!) gedacht haben, als sie die zwei «Kreditbegehren ohne Gegenbemerkung bewilligt» haben, ist nicht überliefert.

Aber es entbehrt nicht einer gewissen Symbolik, dass die Stadt Zug an den ersten Stieremärt mehr als doppelt so viel bezahlte wie an das Eröffnungsfest der Eisenbahnlinie «Thalweil–Zug» – 5800 Franken für Ersteres, 2240 Franken für Letzteres. Zug war Ende des 19. Jahrhunderts immer noch ein Agrarkanton.

Auf der Schützenwiese

Viel näher am Bahngleis konnte der «1. Zuchtstiermarkt und Ausstellung in Zug» (Inserat in den «Zuger Nachrichten») nicht platziert sein. Anfang September 1897 lag das Gleis zum alten Bahnhof noch und wurde auch befahren. Erst am 8. September nahm die Nordostbahn die Verbindung von Luzern her zum neuen Bahnhof in Betrieb.

Die geografische Lage und die Nähe zum Bahnverlad waren wichtige Faktoren, dass der Stieremärt in Zug abgehalten wurde. Was im ersten Jahr ein Vorteil war, erwies sich schon 1898 als Nachteil – nun verlief ja die Bahnlinie an der Schützenwiese vorbei auf einem Damm und das zweite Gleis zur «Affolterner Schleife» nördlich davon, ohne Weiche zum Luzerner Gleis.

1911 – der Stieremärt zügelt

Wie die 450 bis 950 Tiere jeweils den Weg vom Bahnhof auf die Schützenwiese fanden, ist nicht genau überliefert. Mutmasslich vom Güterbahnhof auf der Baarerstrasse bis zur Chamerstrasse hinunter. Klar ist: Die allermeisten Tiere kamen mit der Bahn. Der Markt war aber inzwischen so gross ge­worden, dass der Platz auf der Schützenwiese nicht mehr reichte.

Der Verband schweizerischer Braunviehzuchtgenossenschaften (VSB) verlangte bessere Platzverhältnisse, andernfalls stehe ein Wegzug des Marktes im Raum. Daraufhin versuchte die Stadt, der Korporation den «Exerzierplatz» abzukaufen. Dieses Gelände favorisierte der VSB als neuen Marktplatz. Die Korporation wollte nicht verkaufen, war aber zu einem 20-jäh­rigen Pachtvertrag mit der Stadt bereit. Die Stadt wiederum schloss mit dem VSB einen Vertrag zur Nutzung des neuen Areals ab. Der Stieremärt zog auf das heutige Stierenmarkt-Areal um und blieb weitere zehn Jahre in Zug.

Nun konnten die Tiere vom Güterbahnhof aus via Durchgang beim heutigen Gubelloch auf das Ausstellungsgelände geführt werden. In den Jahren des Ersten Weltkriegs schien das kein Problem zu sein – für Unstimmigkeiten sorgte die Mehrfachnutzung des «Exerzierplatzes», vor allem durch das Militär.

1921 – eine eigene Verladerampe

Ende 1920 war der Vertrag zwischen der Stadt Zug und dem VSB ausgelaufen. Ein Wegzug des Marktes stand wieder zur Debatte. Die Ostschweizer Zuchtgenossenschaften wollten sowieso weg von Zug. Zwar genügte der Marktplatz, aber der Verlad und der Transport der Tiere waren unbefriedigend.

Am 2. August 1921 schrieben der Stadtrat und das VSB-Präsidium gemeinsamen einen langen Brief an die SBB Kreisdirektion III. Zuerst wurde anhand von statistischen Angaben die Bedeutung des Marktes erläutert, dann kam man zur Sache:

«Die Ausstellung findet in den eigens für diesen Zweck erstellten Stallungen auf dem Exerzierplatz in Zug statt. Dieser Platz liegt auf der Landseite der Eisenbahnlinie Zug–Luzern, dort wo die sogenannten Affolterner Schleife einmündet. Er ist somit vom Bahnhof Zug ziemlich weit entfernt, (ca. 25 Min. zu Fuss). Diese weite Entfernung ist verbunden mit einer etwas beschränkten Verladegelegenheit, der grösste Übelstand des sonst gut gelegenen und zweckmässig eingerichteten Marktplatz. Es ist zu bedenken, dass die Stiere von weit von Zug entfernt gelegenen Ortschaften kommen, eine sehr lange Eisenbahnfahrt hinter sich haben und daher sehr müde sind, sodass der Gang vom Bahnhof zum Marktplatz für sie oft eine grosse Anstrengung bedeutet. (...) Ganz besonders schwierig gestaltet sich die Führung der Stiere bei sehr heissem Wetter, was zum Zeitpunkt des Marktes häufig genug der Fall ist. Umgekehrt gefährdet kaltes und nasses Wetter, dem die meistens sehr wertvollen Stiere auf dem Weg vom Bahnhof zum Marktplatz und zurück unter Umständen schutzlos preisgegeben sind, deren Gesundheit.»

Die Forderung lag auf der Hand: eine Verladerampe bei der «Affolterner Schleife». Auf einen eigenen Gleisanschluss verzichtete man grosszügig. Die SBB erlaubten schliesslich «die Erstellung einer provisorischen Viehladerampe in Zug links der Linie Steinhausen–Zug von km 38,500 bis 38,550». Die Stadt erstellte eine hölzerne Rampe, ungefähr im Bereich der heutigen Sporthalle.

1934 – die Erweiterung des Bahndammes

1933 war das hölzerne Provisorium immer noch im Einsatz. Nun wollte auch der Stadtrat, welcher den Unterhalt bezahlte, eine dauerhafte Lösung für den Viehverlad – aber nur, wenn vertraglich gesichert war, dass der Markt weiterhin in Zug stattfindet. Eine Einigung kam zu Stande und der Bahndamm wurde von der Stadt verbreitert, gerade rechtzeitig zum «Stierenmarkt» 1934.

Diese definitive Lösung schien alle zu befriedigen, ein Wegzug des Stieremärts war kein Thema mehr. Im Gegenteil: Am 3. September 1937 brachte das «Zuger Volksblatt» auf der Titelseite einen gross aufgemachten Artikel mit einer Zeichnung des geplanten Verwaltungsgebäudes, unter dem Titel: «41. Abgeordnetenversammlung des Schweizerischen Braunviehzuchtverbandes. => Die Verwaltung kommt nach Zug». Da ist sie bis heute geblieben. Und mit ihr der Stieremärt – seit 125 Jahren. (Text von Martin Stuber)

Hinweis
Martin Stuber forscht zur Geschichte der Eisenbahn mit den Schwerpunkten Eisenbahnkrise 1875–1879, Gotthardbahn sowie Eisenbahn im Kanton Zug. Der Autor betreibt einen Blog: www.eisenbahngeschichte.ch