Aus dem Leben der Gottesmutter

Kunst & Baukultur, Brauchtum & Geschichte

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Mit dem 29-teiligen Marienzyklus in der Liebfrauenkapelle hat der Zuger Barockmaler Johannes Brandenberg eines seiner Hauptwerke geschaffen. Die Tafelbilder mussten im Laufe der Zeit einiges über sich ergehen lassen.

  • «Die Himmelfahrt Mariens» ist das grösste der 29 Bilder und das einzige, welches Johannes Brandenberg auf Leinwand gemalt hat. Die anderen, kleineren Gemälde sind auf Holz und verteilen sich über die gesamte Decke und die Emporenbrüstungder Liebfrauenkapelle. (Bilder Matthias Jurt)
    «Die Himmelfahrt Mariens» ist das grösste der 29 Bilder und das einzige, welches Johannes Brandenberg auf Leinwand gemalt hat. Die anderen, kleineren Gemälde sind auf Holz und verteilen sich über die gesamte Decke und die Emporenbrüstungder Liebfrauenkapelle. (Bilder Matthias Jurt)

Zug – Als gefragter Porträtist der Oberschicht war Johannes Brandenberg einer der angesehensten Zuger Maler der Barockzeit und ist als solcher auch in die Geschichte des Kantons eingegangen. Als Sohn des Malers Thomas Brandenberg im Mai 1661 geboren, trat Johannes Brandenberg in die Fussstapfen seines Vaters. Seine Lehr- und Wanderjahre führten ihn nach Österreich und Italien. Ab 1682 lebte er wieder in seiner Heimat und heiratete hier im Folgejahr. Seine Tätigkeit jedoch fand vorerst hauptsächlich im Umfeld des Klosters Einsiedeln statt, wo er im Dienste des hohen Klerus stand. Dies verlieh seinem Ansehen entsprechend Schub. Dennoch lebte der Zuger Maler– so ist überliefert – ein recht liederliches Leben, fiel in Einsiedeln wohl in Ungnade und zog sich von dort zurück.

Dennoch büsste sein Talent keineswegs an Nachfrage ein: Es folgten namhafte, wenn auch vornehmlich kleine Aufträge aus Klöstern und Adelskreisen der Schweiz. Spätestens ab 1709 stand Brandenberg am Höhepunkt seiner Karriere, er wird bis zu seinem Lebensende in Zug im September 1729 ein gefragter Handwerker und Künstler bleiben.

28-mal auf Holz und einmal auf Leinwand

1709 und 1710 führte Brandenberg mit der Ausmalung des grossen Festsaals im Kloster Einsiedeln seinen grössten Auftrag aus. Den zweitgrössten fasste er 15 Jahre später in seiner Heimatstadt Zug: Für die Liebfrauenkapelle sollte er einen Marienzyklus für den Plafond im Schiff wie auch denjenigen im Chorraum ausführen. Über zwei Jahre hinweg arbeitete Brandenberg an den insgesamt 29 Bildern, 11 davon an der Chordecke, 14 an der Hauptdecke und vier weitere an der Emporenbrüstung. Ihre Formen sind vierpassig, oval, rechteckig und quadratisch. Die Motive zeigen zum einen bekannte Stationen aus der Vita Mariae, zum anderen handelt es sich um symbolisch-allegorische Szenen und Darstellungen der Gottesmutter, welche im Zusammenhang mit ihrer vielseitigen Verehrung stehen.

Krönung des gesamten Zyklus ist das grösste der Gemälde im Zentrum der Decke im Schiff; es hat eine vierpassige Form und zeigt die Himmelfahrt Mariens. Es ist das einzige, welches nicht auf zweieinhalb Zentimetern dicken Kiefernholztafeln, sondern auf Leinwand gemalt ist, dies wohl wegen seiner Grösse von 3 mal 2,2 Metern. Seinen Abschluss findet der Zyklus mit der Darstellung des Erdkreises im Zeichen Mariens. Diese aussagekräftige Darstellung ist in ihrer gesamten Schönheit bedauerlicherweise kaum erfassbar, da sie direkt über dem Orgelgehäuse liegt. Im unteren Teil der dargestellten Weltkugel hat Johannes Brandenberg seine Signatur hinterlassen.

Die Nähe zum Klassizismus

Im Gegensatz zu seinen früheren Werken, bei denen Brandenberg Merkmale der barocken niederländischen und italienischen Malerei einfliessen lassen hat, verpflichtet er sich in seinen späteren Gemälden einer spätbarock-klassizistischen Manier. Heisst, Brandenberg verzichtet weitgehend auf zierendes Beiwerk und dekorative Hintergrundkulissen. Auch illusionistische Verzerrungen und Trompe-l’œil sucht man bei ihm nun vergebens, sondern er hält sich an die natürlichen Proportionen. Die Farbgebung bleibt dunkel, aber sehr klar abgestuft und dadurch effektvoll.

Diese Charakteristika ziehen sich auch durch den gesamten Marienzyklus in der Liebfrauenkapelle. Die leimgetränkten Holztafeln hat Brandenberg rot grundiert. Eine Analyse der Zusammensetzung der Farbe weist auf eine für damals sehr moderne Technik hin. Über dieser Grundierung baute Brandenberg seine Motive Schicht für Schicht auf, um die gewünschte Farb-, Licht- und Tiefenwirkung zu erreichen.

Unsachgemässe Renovationen

Dass die Deckenbilder in der Liebfrauenkapelle heute so einheitlich und klar erscheinen, ist ein Glücksfall, sind sie doch im Laufe der Zeit mehrfach überarbeitet, übermalt und verändert worden. Dabei hat man aufgrund Unkenntnis mitunter ungeeignete Farbarten verwendet, welche die historischen Malschichten bis in die Tiefe angegriffen haben. Anfang 20. Jahrhundert waren einige der Tafelbilder so stark beschädigt, dass das Dargestellte kaum mehr erkennbar war.

Auch eine Gesamtrenovation im Jahr 1910 erwies sich als eine einzige Verschlimmbesserung. Übermalungen ohne Rücksicht auf das ursprüngliche Farbprogramm rückten die Bilder in der Qualität in weite Ferne der Originalversion. Später richtete ein Wassereinbruch bei den Bildern im Chor zusätzlich starke Schäden an, erhebliche Farbverluste und Deformierungen der Bildträger waren Folgen davon. 1948 wurden die Gemälde erstmals in ihrer Geschichte mit denkmalpflegerischer Umsicht restauriert und in den ursprünglichen Farben neu gefasst. So rückten sie – zumindest oberflächlich betrachtet – wieder etwas näher an ihren Urzustand heran.

Brandenberg kommt wieder zum Vorschein

Die glorreiche «Errettung» des Brandenberg’schen Marienzyklus in der Liebfrauenkapelle erfolgte im Zuge einer Komplettrestaurierung in den Jahren 1982 bis 1984. Erst musste ein starker Holzschädlingsbefall behandelt werden. Anschliessend wurden in aufwendiger Kleinarbeit die hinzugefügten Farbschichten so weit entfernt, dass man immerhin den Zustand von 1818 wieder erreichte. Wesentlich einfacher war das anschliessende Retuschieren von Fehlstellen.

Seither lässt sich das meisterhafte Handwerk Johannes Brandenbergs wieder am eindrucksvollen Marienzyklus in der Liebfrauenkapelle ablesen. Für eine Betrachtung ist jedoch eine gute Ausleuchtung des Raumes von Vorteil, da sich die Ausdruckskraft der prächtigen Gemälde bei diffusen Verhältnissen verliert. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.