Keine Bahnen für Baar

Brauchtum & Geschichte

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Baar hatte 1860 dank der Spinnerei seine Stellung als Gemeinde mit der zweitgrössten Einwohnerschaft verstärkt und war dem Kantonshauptort auf den Fersen.

  • So ähnlich hätte die Pferdebahn Zug-Baar ausgesehen. Die Aufnahme zu Beginn der 1890er-Jahre zeigt das Gefährt auf der Münsterbrücke in Zürich. (Bild Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
    So ähnlich hätte die Pferdebahn Zug-Baar ausgesehen. Die Aufnahme zu Beginn der 1890er-Jahre zeigt das Gefährt auf der Münsterbrücke in Zürich. (Bild Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
  • Der erste Bahnhof Zug von 1864 – Kutschen statt Pferdebahn bis 1897. Wer es sich leisten konnte, wurde am Bahnhof abgeholt, auch Richtung Baar. Alle anderen – die grosse Mehrheit! – gingen zu Fuss. (Bild Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
    Der erste Bahnhof Zug von 1864 – Kutschen statt Pferdebahn bis 1897. Wer es sich leisten konnte, wurde am Bahnhof abgeholt, auch Richtung Baar. Alle anderen – die grosse Mehrheit! – gingen zu Fuss. (Bild Glasplattensammlung Bibliothek Zug)
  • 1860 wurde in Baar bereits fleissig an der Ost-West-Bahn gebaut. Der rot markierte Einschnitt im Hang wirkt auf dieser Aufnahme vom Spinnereigelände aus 1907 immer noch frisch, er ist heute eingewachsen, aber immer noch sichtbar. (Bild Staatsarchiv Zug)
    1860 wurde in Baar bereits fleissig an der Ost-West-Bahn gebaut. Der rot markierte Einschnitt im Hang wirkt auf dieser Aufnahme vom Spinnereigelände aus 1907 immer noch frisch, er ist heute eingewachsen, aber immer noch sichtbar. (Bild Staatsarchiv Zug)
  • Die Lage des Kehrdreiecks auf der Siegfriedkarte von 1889. Die Pferdebahn hätte wohl den direkten Weg entlang bestehender Wege bis zur Baarerstrasse über die Obere Allmend suchen müssen. Das Pferdebahntrasse zwischen dem Kehrdreieck und der Pfarrkirche Baar wäre fast zur Hälfte auf Stadtzuger Boden verlaufen. (Bild Swisstopo, Bearbeitung Martin Stuber)
    Die Lage des Kehrdreiecks auf der Siegfriedkarte von 1889. Die Pferdebahn hätte wohl den direkten Weg entlang bestehender Wege bis zur Baarerstrasse über die Obere Allmend suchen müssen. Das Pferdebahntrasse zwischen dem Kehrdreieck und der Pfarrkirche Baar wäre fast zur Hälfte auf Stadtzuger Boden verlaufen. (Bild Swisstopo, Bearbeitung Martin Stuber)

Baar – Der Ort mit der ersten Grossindustrie im Kanton Zug musste bis 1897 auf seinen Eisenbahnanschluss warten, die versprochene Pferdebahn Zug-Baar wurde nie gebaut. Baar blieb lange abgehängt.

Dabei hatte doch alles so gut begonnen. Baar war im Aufschwung – betrug die Einwohnerschaft 1850 noch 2350 Seelen, waren es 10 Jahre später bereits über 3300 und 1870 war mit 3700 Personen der Rückstand auf Zug auf 500 Einwohnerinnen und Einwohner geschrumpft. Damit war Baar ganz klar die zweitgrösste Gemeinde nach Zug.

Der erste Anlauf scheitert

Mit der Ostwestbahn (OWB), deren Bau 1860 auf Baarer Boden bereits gut sichtbare Ergebnisse zeigte – so ein grosser Damm in Inwil – sollte Baar Anschluss an die Eisenbahn finden. Zum Zug-Zürcherischen Eisenbahncomité für eine Linie Zürich-Baar-Zug-Rothkreuz-Luzern gehörten zwei Exponenten der Textilindustrie – Heinrich Schmid und Wolfgang Henggeler-Schmid.

Die OWB hatte die Konzession vom Eisenbahncomité übernommen und baute den Teil Honau-Zug-Sihlbrücke. Kein Zufall, dass der Bahnhof dieser Linie in Baar in der Nähe der Spinnerei geplant war (siehe Plan). Im Gegensatz zur Stadt Zug, welche sich mit 350 000 Franken an der OWB beteiligte, kam es in Baar nie zu einer Übernahme von Aktien und Baar hatte deshalb auch nichts zur Führung der Eisenbahnlinie und der Lage ihres Bahnhofes zu sagen.

Jürg Schalch beschreibt in seinem Standardwerk zur Entstehung der Eisenbahn im Kanton Zug die von der OWB geplante Linienführung: Sie begann «gleich hinter dem heutigen Metalli-Areal in Zug (zwischen Baarer- und Industriestrasse) und führte über das Göbli nach Inwil und weiter über den Grossacker zum Bahnhof Baar bei der Spinnerei. Dahinter überschritt das projektierte Bahngleis die Lorze, durchquerte unterhalb der Heiligkreuzkapelle den Wald und gelangte dann von Walterswil in gerader Richtung zur alten Sihlbrücke».

Statt dass die Strecke Zug-Baar-Sihlbrücke wie vertraglich festgesetzt Ende 1860 fertig gebaut war, eskalierten die Finanzprobleme der OWB. Deren Aktionärsversammlung beschloss am 10. Juni 1861 die Auflösung der Gesellschaft und die Liquidierung des Vermögens.

NOB baut Minimalvariante

Nun übernahm die Nordostbahn (NOB) die Konkursmasse der OWB, allerdings nicht den Abschnitt Zug-Baar-Sihlbrücke. Denn der Direktor der NOB, Alfred Escher, hatte sich gegen die Sihltalvariante und für die Reppischlinie seines Freundes aus Affoltern, Regierungsrat Jakob Dubs, entschieden. Die geplante Strecke führte von Altstetten über Urdorf, Affoltern am Albis, Cham nach Luzern. Die Stadt Zug sollte mit einer Pferdebahn von Steinhausen aus erschlossen werden.

Escher schrieb Dubs am 20. Oktober 1861: «Die Berücksichtigung der Stadt Zug fällt ungemein schwer. Eine Ausbiegung von Steinhausen aus an Baar vorbei nach Zug, durch dessen Bahnhof als Durchgangsstation man wieder nach Cham (nur etwa 2 Kilom. von der Abbiegung bei Steinhausen entfernt) fahren würde, hätte für die sogenannte directe Linie von Zürich nach Luzern einen Umweg von ca. 9–10 Kilom. zur Folge, den man vor der Zukunft fast nicht verantworten kann, besonders wenn man bedenkt, dass die Linie durch das Reppischthal ohnehin eine verzweifelt lange ist.»

Dagegen wehrte sich Zug und hatte als Konzessionsgeber für die Bahnlinie auf Zuger Boden auch einen Trumpf in der Hand. Dubs – inzwischen Bundesrat geworden – versuchte Escher umzustimmen: «Wird Zug in diesem Stücke nicht befriedigt, so habt Ihr dort einen ewigen Herd der Unzufriedenheit (...). Dass eine Kantonshauptstadt nicht gerne auf eine Pferdebahn verwiesen wird, begreife ich.»

Mit Erfolg: Zwar weigerte sich die NOB, die «Ausbiegung von Steinhausen aus an Baar vorbei nach Zug» zu bauen, war aber bereit, die Stadt Zug mit einer Stichstrecke von der Kollermühle her zu erschliessen. Den bereits erstellten Teil dieser Strecke hatte sie sowieso mit der OWB-Konkursmasse erworben.

Eine Pferdebahn versprochen ...

Am 9. Januar 1862 ratifizierte der Zuger Grosse Rat – wie der Kantonsrat damals noch hiess – den «Vertrag zwischen den hohen Ständen Zürich, Luzern und Zug und der schweizerischen Nordostbahngesellschaft, betreffend Begründung einer Eisenbahnunternehmung Zürich-Zug-Luzern». Darin war eine Pferdebahn enthalten, nämlich die Verbindung von Zug nach Baar.

Artikel 20 stipulierte: «Würde der Bau einer Pferdebahn von Zug nach Baar von wem immer in Ausführung gebracht werden wollen, so soll die Hälfte der hiefür erforderlichen Summe aus dem Baukapitale der Eisenbahnunternehmung Zürich-Zug- Luzern (Art. 4 und 5) gegen Einräumung der entsprechenden Rechte beigetragen werden. (...) Die Bestimmung findet namentlich auch auf die bei dem h. Stande Zug für den Bau und Betrieb der Pferdebahn auszuwirkende Konzession Anwendung.» Die NOB beschreibt im Geschäftsbericht für das Jahr 1864 die Situation bei der «Kopfstation Zug» so: «Zur Vermeidung zeitraubender Manipulationen bei der Richtungsänderung der Züge wurde daselbst ein sogenanntes Kehrdreieck angelegt, vermittelst dessen die ganzen Züge, ohne decomponirt werden zu müssen, in die für ihre Weiterbewegung erforderliche Stellung gebracht werden. Eine Seite dieses Kehrdreieckes bildet zugleich den Anfang der projektirten Pferdebahn nach Baar.»

Die Pferdebahn nach Baar war in der ersten Hälfte 1863 ein ständiges Thema im «Zuger Volksblatt», als es um die Frage der Lage des Bahnhofes Zug und damit auch des Kehrdreiecks ging. Diese Frage hatte zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Stadt, der NOB und schliesslich auch dem Kanton geführt.

Kaum war die neue Eisenbahnlinie Zürich-Zug-Luzern am 1. Juni 1864 in Betrieb gegangen, verschwand das Thema Pferdebahn Zug-Baar aber in der Versenkung.

... aber nie verwirklicht

In den NOB-Geschäftsberichten für 1865 und 1866 wird die Pferdebahn noch einmal erwähnt, weil «die Baurechnung unserer Unternehmung mit einer weitern Ausgabe von etwa Fr. 150 000 zu belasten sein» würde, falls die Pferdebahn gebaut würde. Man ging also von Gesamtkosten von 300 000 Franken aus. Danach ist es auch bei der NOB kein Thema mehr.

Auch recht intensive Nachforschungen, u.a. in den Rechenschaftsberichten des Regierungsrates und in den Protokollen der Eisenbahnkommission sowie die Nachfrage bei mit der Materie vertrauten Historikern zeigen, dass die Gründe für das plötzliche Verschwinden des Projektes «Pferdebahn Zug-Baar» im Dunkeln liegen.

Wenn dereinst eine systematische Suche in hoffentlich bald digitalisierten Quellen des Baarer Gemeinderates, des Zuger Stadtrates (vor 1874) und den betroffenen Korporationen möglich ist, lässt sich das Thema mit vertretbarem Aufwand abschliessend beurteilen. Eine Analyse der Gründe ist aber möglich.

Wieso keine Pferdebahn?

Mitte der 1860er-Jahre waren Pferdebahnen auch in der Schweiz ein Thema. So ging 1864 im solothurnischen Derendingen eine Pferdebahn entlang des Emmekanals zur Baumwollspinnerei Emmenhof in Betrieb, ein Jahr später wurde die Papierfabrik Biberist angeschlossen.

Im Buch «Wie die Eisenbahn nach Luzern kam» beschreibt Daniel Zumbühl die intensiven, aber schlussendlich erfolglosen Bemühungen im Luzerner Hinterland für eine Pferdebahn von Wolhusen über Willisau nach Nebikon oder Wauwil zu Beginn der 1860er-Jahre. Ziel war der Anschluss an die Eisenbahnlinie Luzern-Olten.

Abwegig war das Projekt also keineswegs. Die Distanz von ca. 2,2 Kilometern ab Spitze Kehrdreieck bis zur Pfarrkirche St.Martin in Baar und die weiteren 1,2 Kilometer bis zur Spinnerei nach Baar und die geringe Steigung von 20 Höhenmetern zwischen Zug und Baar waren durchaus pferdebahntauglich.

Zuerst stellt sich die Frage der vorgesehenen Lage der Station Zug beim Kehrdreieck. Die auf den ersten Blick durchaus logische Situierung macht auf den zweiten Blick wenig Sinn. Im Bahnhof Zug wäre eine zweite Haltestelle entstanden, was den Betrieb ziemlich verkompliziert hätte. Für den Gütertransport wären zusätzliche Verladeanlagen nötig gewesen. Für die Personenbeförderung wäre die Station recht weit weg von der Stadt gewesen. Der Startpunkt zwischen «Aufnahmsgebäude» und Güterschuppen wäre wohl geschickter gewesen.

Dennoch bestehen Zweifel über die Personenfrequenzen, denn was bei Pferdebahnen etwa in Genf zählte, der Tourismus, war für Baar kein Thema. Die Höllgrotten wurden erst ab 1887 als touristische Attraktion genutzt. Zudem waren auch die Personenzahlen der Zürich-Zug-Luzern-Bahn in den ersten Jahren enttäuschend. Und der Weg vom Zuger Postplatz bis zur Baarer Pfarrkirche lag mit 3 Kilometern in Fusswegdistanz.

Dass es trotz zugesicherter Finanzierung der Hälfte der Baukosten nicht einmal zu einem konkreten Bauprojekt kam, wirft ein Schlaglicht auf die Verhältnisse in Baar und die Beziehung zwischen Zug und Baar.

Die Pferdebahn war Mitte der 1860er-Jahre noch der privaten Initiative anheimgestellt. Eine solche kann nicht ausgemacht werden. Kein Wunder: für die Stadt Zug war Baar eher Konkurrenz und ein kommerzielles Interesse an der Erschliessung des Nachbarn bestand kaum. Die Initiative hätte von Baar aus kommen müssen.

Baar aber war politisch zerrissen – der Dreieckskulturkampf zwischen harten und moderaten Katholisch Konservativen (KK) und den Liberalen wütete gerade in der zweiten Hälfte der 1860er besonders stark. Die papsttreuen und zumeist wirtschaftlich fortschrittsfeindlichen Ultramontanen – also die harten KK – um Oswald Dossenbach und den Pfarrer Moritz Widmer schafften 1867 einen folgenreichen politischen Umschwung. Von Baar aus konnte zu dieser Zeit keine Initiative für eine Pferdebahn mehr kommen.

Zufriedene Spinnerei Baar

Es sei denn von der Spinnerei Baar, dem im Endausbau mit 62 000 Spindeln damals grössten Spinnereibetrieb in der Schweiz. Deren Besitzer spielten eine wichtige Rolle bei allen Zugerischen Eisenbahnaktivitäten und engagierten sich auch finanziell. Ausgerechnet 1864/65 hatte die Fabrik einen krisenbedingten, starken Einbruch bei den Einnahmen.

Nach all den Enttäuschungen mit der Ostwestbahn, dem Verhalten der NOB und der Passivität der Gemeinde war die Spinnerei offenbar nur schon froh um die Möglichkeit der Nutzung des neuen Bahnhofes in Zug. Sie transportierte ihre Waren und Rohstoffe mit Pferdefuhrwerken.

Der offizielle Spinnereihistoriker Werner Amman schreibt 1953 in seinem Jubiläumsbuch «100 Jahre Spinnerei Baar» dazu folgendes: «Die Eröffnung der Bahnlinie Zürich-Zug-Luzern am 1. Juni 1864 war denn auch für die Spinnerei an der Lorze das wichtigste Ereignis auf dem Gebiete des Verkehrs in diesem Zeitraum. Der Wegfall des kostspieligen und zeitraubenden Güterverkehrs über den Horgener Berg und des Umlads in der Sust zu Horgen von der Achse auf das Schiff bedeutete eine entscheidende Verbesserung der Verhältnisse.» Zur Einlagerung der Rohware wurde beim Güterbahnhof in Zug extra ein Schuppen aufgestellt.

Thalwil-Baar-Zug kommt nicht

Schon bald wäre die Pferdebahn sowieso in den Hintergrund gedrängt worden: kaum hatte der Bau der Gotthardbahn begonnen, formierte sich 1872 ein Komitee für eine Verbindung der linksufrigen Zürichseebahn mit Zug. Baar wäre in der Eisenbahnwelt angekommen. Wäre, denn ab 1875 entfaltete sich die grosse Eisenbahnkrise in der Schweiz und bereits 1877 zeichnete sich ab, dass das Projekt Thalwil-Zug dieser Krise zum Opfer fallen würde. Am 24. Januar 1877 erschien im «Zuger Volksblatt» auf der Titelseite ein fast ganzseitiger Bericht des «Corresp. von Baar» unter dem Titel «Die Verbindung Zug-Baar». Darin führt der Autor laute Klage über den Zustand der Strasse zwischen Baar und Zug: «Wer diesen Winter die Strasse Zug- Baar, die frequentirteste im Kanton passirt, und den kaum durchdringlichen Koth zu durchwatten hat, muss sich sagen: es ist etwas faul im Staate Zug. (...) In einem ärgern Zustande können die Verkehrswege der Türkei kaum sein.» Aber auch eine gründliche Verbesserung der Strasse genüge nicht. Denn 1/3 des Güterverkehrs der Station Zug komme von Baar: «Baar’s reiche Industrie in Baumwolle, Mehl, Holz, Papier u.s.w., die grosse und immer wachsende Bevölkerungszahl, der lebhafte, strebsame Volkscharakter, die Concurrenz drängt immer mehr nach Verbindung mit Eisenschienen.»

Um dann angesichts des in weite Ferne rückenden Baus von Thalwil-Zug an den weiter oben zitierten Pferdebahn Artikel 20 zu erinnern. «Der Ersatz einer Eisenbahn würde allerdings nur eine Pferdebahn sein; aber der Vortheil für die Gemeinden Zug, Baar, Menzingen und Neuheim würde immerhin ein ganz immenser sein.»

Um dann mit einem Frontalangriff auf die Ultramontanen zu schliessen: «Ist es ja bekannt, wer in Furcht vor dem Verkehr der Menschen sich waldbrudermässig abzuschliessen trachtet, vor jedem kräftigen Thun zurückschreckt und vor jeder Unternehmung, die Leben und Streben bringt, in Entsetzen geräth. (...) Seien die Liberalen Männer der That!»

Aber auch die Liberalen konnten nichts daran ändern – Thalwil-Zug wurde zur «Moratoriumslinie» und auf die ganz lange Bank geschoben. Die Pferdebahn blieb in der Versenkung und der schlechte Zustand der Strasse ein medialer Dauerbrenner.

Ein letzter Anlauf

10 Jahre später sah es so aus, dass Thalwil-Baar-Zug sogar nur auf dem Papier bleiben könnte. Die Spinnereibesitzer in Baar und Unterägeri verloren die Geduld und ein Initiativkomitee liess ein Projekt ausarbeiten für eine «Sihlthalbahn Zürich-Sihlbrugg-Zug nebst Trajectanlage auf dem Zugersee Zug-Arth mit Anschluss an die Gotthardbahn in Goldau.»

Der Projektbericht des Ingenieur Ruge vom 26. Februar 1887 rechnet vor: «Concurrenzverhältnisse: Die Sihltalbahn hat vom Centralbahnhof Zürich der N.O.B. bis Zug eine Länge von rund 29 Km, ist also 3 Km. kürzer als Zürich-Thalwil-Zug (32 Km.) und 10 Km. kürzer als Zürich-Affoltern-Zug (39 Km.). Ferner ist die Gesamtlänge vom Centralbahnhof N.O.B. Zürich – Sihlthal-Zugersee (Traject) bis Goldau 45 Km. lang, während Zürich-Knonau-Zug-Rothkreuz-Goldau 67 Km. lang ist. Somit wird via Sihl­thal-Traject-Zugersee der Anschluss von Zürich an die Gotthardbahn in Goldau 22 Kilometer kürzer als er jetzt ist. Hievon sind 12½ Km. Wasserfracht, welche sich bedeutend billiger als Bahnfracht stellt.»

Das Projekt wurde im Sommer 1890 obsolet, als die Bundesversammlung doch noch den Bau der Linie Thalwil-Baar-Zug beschlossen hatte. Ironie der Geschichte: im Oktober 1890 wurde eine neue «Sihltalbahn Gesellschaft» gegründet, welche nur zwei Jahre später die Strecke Zürich-Sihlwald in Betrieb nahm. (Text von Martin Stuber)

Hinweis Martin Stuber forscht zur Geschichte der Eisenbahn mit den Schwerpunkten Eisenbahnkrise 1875–1879, Gotthardbahn und Eisenbahn im Kanton Zug. www.eisenbahngeschichte.ch