Das haben die Zuger bald bereut

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Vor 116 Jahren verschwand die alte St.-Michaels-Kirche aus dem Stadtbild. Das Prunkstück der Einrichtung haben die Zuger kurzentschlossen nach Deutschland verscherbelt.

  • Vor 108 Jahren hat die Stadt Zug die repräsentative Ausstattung der ehemaligen Michaelskirche für 7000 Mark kurzerhand nach Konstanz verkauft. Der Hochaltar, die Seitenaltäre und die Kanzel sind heute in der dortigen Dreifaltigkeitskirche in voller Pracht zu bewundern. (Bild Andreas Faessler)
    Vor 108 Jahren hat die Stadt Zug die repräsentative Ausstattung der ehemaligen Michaelskirche für 7000 Mark kurzerhand nach Konstanz verkauft. Der Hochaltar, die Seitenaltäre und die Kanzel sind heute in der dortigen Dreifaltigkeitskirche in voller Pracht zu bewundern. (Bild Andreas Faessler)

Zug – Der heutigen Michaelskirche in Zug musste 1898 ein spätmittelalterlicher Vorgängerbau weichen. Man mag den Abbruch der alten Kirche mit gutem Grund tief bedauern, doch was 1906 geschah, sollten die Zuger später erst recht bereuen. Für den Preis von 7000 Mark plus Nebenkosten verkaufte Zug den Hochaltar, die beiden Seitenaltäre sowie die Kanzel der alten Michaelskirche an Conrad Gröber, Pfarrer der Dreifaltigkeitspfarrei in Konstanz und späterer Erzbischof von Freiburg. Vergeblich hatte der Zuger Stadtpfarrer Franz Xaver Uttinger dafür gekämpft, dass die kostbare Ausstattung in Zug bleibt und in der neuen Michaelskirche aufgestellt wird. Obwohl der Kirchenrat mehrheitlich auf Uttingers Seite stand, entschied sich Zug für den Verkauf nach Konstanz. «Uns ist dieser Zuger Entschluss heute kaum noch begreiflich», äusserte sich der Freiburger Kunsthistoriker Heribert Reiners bereits in den 1940er-Jahren.

 

Pfarrer Gröber war ganz erpicht, seine Dreifaltigkeitskirche in Konstanz würdig auszustatten, denn im August 1906 waren im Hauptschiff im Rahmen einer Restaurierung wertvolle Fresken aus der Konzilszeit freigelegt worden. Eine repräsentativere Altargruppe sollte her, denn der bisherige Hochaltar war nur ein einfacher Tisch. Da kamen Gröber die Zuger Altäre wie gerufen. Der Konstanzer Kunsthändler Geiges machte den Pfarrer auf die funktionslos gewordenen Altäre in Zug aufmerksam. Sofort reiste Gröber in die Schweiz, war hin und weg und kaufte das ganze «Paket» ohne zu zögern. «Dies war für die Kirche in Konstanz aus heutiger Sicht eine Grosstat», beschreibt der süddeutsche Kunsthistoriker Manfred Hermann Pfarrer Gröbers Coup in einer Publikation von 2007. Wie schmerzhaft aber diese Tat für Zug war, legt Heribert Reiners mit folgenden Worten deutlich dar: «Der Verlust ist für Zug umso mehr zu bedauern, weil diese Altäre und die Kanzel mit Recht als das eigentliche Hauptwerk der kirchlichen Barockkunst Zugs gelten und als die wichtigste künstlerische Gesamtleistung barocker Zuger Künstler, deren Wert und Interesse noch erhöht wird, da wir zum Teil auch die Namen der Meister kennen.»

Nicht viel anders sieht man es heute in Zug: «Es sind alles Spitzenerzeugnisse aus der Hochblüte zugerischer Bildhauerkunst des 17. Jahrhunderts», erklärt Stefan Hochuli vom Zuger Amt für Denkmalpflege und Archäologie. Die Veräusserung der Altargruppe bedeute einen enormen Verlust an zugerischem Kulturgut, fährt er fort und ist überzeugt: «Ein solcher Ausverkauf von Kunstdenkmälern wäre heute nicht mehr denkbar.» Ohnehin stünde heute die alte Kirche St. Michael unter Denkmalschutz, und zwar mitsamt ihrer Ausstattung, so Hochuli. «Zudem würde das Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer aus dem Jahre 2003 dieser Verhökerung unseres Kulturerbes einen Riegel schieben. Auch der Abbruch der alten Kirche entspricht dem Verlust eines der bedeutendsten Baudenkmäler unseres Kantons.»

Aufgrund der anderen Raumverhältnisse in Konstanz wurde der von 1686 bis 1689 von den beiden Zuger Bildhauern Johann Baptist Wickart und Kaspar Weber geschaffene Hochaltar allerdings etwas verändert und um die heutige Predella (Sockel) und den Tabernakel erweitert, um dem Raumkonzept der Dreifaltigkeitskirche zu Konstanz gerecht zu werden. Das Hauptbild des Zuger Malers Caspar Wolfgang Muos war bereits beim Verkauf nicht mehr vorhanden und wurde mit dem heutigen Gemälde aus dem Konstanzer Münster ersetzt. Die beiden grossen Figuren zeigen die Zuger Patrone St. Michael und St. Oswald. So gut wie unverändert wurden die beiden Doppel-Seitenaltare in Konstanz aufgestellt. Sie sind gut 30 Jahre älter als der Hochaltar und ebenfalls hauptsächlich von hiesigen Künstlern erschaffen. Stifter waren die Zuger Schuhmacher, Schneider und Scherer. Eine besonders «ausgezeichnete Arbeit» nennt Heribert Reiners die 1641 vom Zuger Michael Wickart geschaffene Holzkanzel. Für die Oswaldkirche hatte Wickart 41 Jahre später ein identisches Modell angefertigt, das jedoch verschollen ist. (Andreas Faessler)

HINWEIS
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.