Sojabomben in Berlin

Musik

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Mit Organisationswut hat die Zuger Band Soybomb ein Jahr lang in Berlin gearbeitet. Nun gibt es zu hören, was dabei herausgekommen ist.

  • Sie haben einiges vor: Soybomb auf Tour. Bild: PD
    Sie haben einiges vor: Soybomb auf Tour. Bild: PD

Zug (Kanton) – Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Zug Kultur Magazins erschienen. Hier geht es zu den anderen Artikeln.

Die Schweiz ist klein. Deshalb, und aus vielen anderen Gründen, beschlossen die drei Musiker der Zuger/Zürcher Band Soybomb vor etwa einem Jahr, nach Berlin zu ziehen. Zu dritt in einer Wohngemeinschaft in Friedrichshain haben sie ein Jahr lang an ihrem Album «Jonglage» gearbeitet – und an der zugehörigen Tour. An die hatten sie schon beinahe nicht mehr geglaubt. Zu Unrecht. Denn jetzt geht Soybomb auf Reise: In der Schweiz fangen sie an, reisen nach England und dann durch Deutschland 
zurück in die Wahlheimat Berlin. Dass diese Tour zustande kam, hat, wenigstens teilweise, mit einer nicht ganz so geheimen Zutat zu tun, die Soybomb gerne in ihre Werke einfliessen lässt. Aber auch persönlich pflegt. Die Rede ist von einer gesunden Portion Biederkeit.

Eine Band, die zusammenzieht
Nach Berlin zu ziehen, sei vor allem eines gewesen: eine Entscheidung. Es klingt wie ein gehörig missratener Aphorismus, was da Soybomb-Sänger Beda Mächler rückblickend sagt. Aber es stimmt wohl auf vielen Ebenen. Zu dritt nach Berlin ziehen war eine Entscheidung. Eine Entscheidung dazu, bereit zu sein, an dem einen musikalischen Projekt zu arbeiten, sich zu fokussieren. Eine Entscheidung, nochmals bei null anzufangen. Eine Entscheidung, etwas zu schaffen, hinter dem man hundert Prozent stehen kann und deswegen vollen Einsatz gibt. Nicht zuletzt war es eine Entscheidung, mit den Leuten zusammenzuziehen, die man sowieso schon oft sieht. Sie hätten den Umbruch geahnt, aber das Ausmass unterschätzt, meint der Zuger Linus Gmünder, Drummer der Band. Denn nicht nur organisatorisch hat sich viel verändert. Auch mental während des Jahres in Berlin, das folgte. Beda Mächler: «Wir mussten uns klar werden, was wir einzeln wollen, was wir als Band wollen, im nächsten Jahr, aber auch in den nächsten fünf Jahren.»

Ankommen in Berlin
Und jetzt wohnen sie da, zu dritt, in einer so kleinen Wohnung, dass man sich unmöglich aus dem Weg gehen kann. Beda Mächler, Linus Gmünder und Andreas Achermann essen zusammen, sie stehen zusammen auf, sie gehen gleichzeitig schlafen, sie gehen zusammen aus, und zwischendurch arbeiten sie zusammen an ihrer Musik oder organisieren Dinge für die Band. «Es geht gut, es funktioniert», meint Beda Mächler. Das Hauptthema des ersten Jahres lässt sich für Soybomb etwa unter «Ankommen» zusammenfassen. «Wir versuchen, uns in Berlin ein Umfeld aufzubauen», sagt Linus Gmünder. Berlin ist eine Ellbogen-Stadt und nicht der verschmuste Hippie-Schmelztiegel, als den es sich gerne gibt. Die Stadt ist gross, und wer in Berlin gehört werden will, muss sich eine eigene Basis aufbauen. Einfach mal reinrutschen und entdeckt werden, ist mittlerweile nicht mal mehr in schlechten Filmen glaubwürdig. «Wir wussten, wir müssen hier nochmals von vorne anfangen», sagt Andreas Achermann, «wir wussten, in welchem Dschungel wir da gelandet sind.» Doch genau danach haben die drei ja gesucht.

Alles ständig in der Luft
Im letzten Jahr seien ungefähr zwanzig Projekte parallel nebeneinander gelaufen. Alles ständig in der Luft, als ob die drei jonglieren lernen wollten und ohne zu üben einfach mal zehn Bälle in die Luft schmissen. Es ging um Dinge, die in 
der Schweiz selbstverständlich scheinen: einen Proberaum, Ausrüstung, Transport von Instrumenten und Aufnahmegerät aus der Schweiz in den Norden Deutschlands, Kontakte aufbauen, ein Album aufnehmen, die Tour organisieren. «Ein Album rausbringen, das braucht ja immer ein Team. Dieses Team mussten wir uns in Berlin wieder neu aufbauen», sagt Gmünder. Das neue Album ist jetzt da – es heisst «Jonglage».

Viel Organisationswut
Die Geheimwaffe gegen das drohende Chaos war etwas, für das man als Schweizer erst ins Ausland reisen muss, damit man es schätzen lernt. Ungebremste Organisationswut. Die ureigene eidgenössische Vorliebe für Listen, Tabellen, Papiere, Notizen und sklavische Ordnung.
Einmal, als gerade Gäste bei ihnen zu Besuch waren, kam Beda Mächler ins Wohnzimmer und fragte nach irgendwelchen Papieren. Die Gäste lachten, in dem Moment habe die WG nämlich plötzlich wie ein Büro gewirkt. Nicht wie der Mittelpunkt einer jungen Band. Aber so sei das, sagt Andreas Achermann: Das Leben im letzten Jahr sei von Excel-Listen dominiert worden, Listen haben die Kommunikation der drei bestimmt. «Wir managen uns selber, deshalb ist das so», sagt Linus Gmünder. Aber auch das sei eine bewusste Entscheidung gewesen. So wissen sie nun, was sie von einem zukünftigen Manager brauchen. «Das Ausmass an Professionalität, das eine Band erreichen kann, ist nach oben hin offen», sagt Beda Mächler. Er habe sich früher oft vor diesen Aufgaben etwas gedrückt. Jetzt ist das anders. Soybomb ist das Projekt, hinter dem er voll und ganz steht und das er gerne «allen möglichen Leuten unter die Nase» reibt.
So brav sich die Band inszeniert, so wenig findet sich diese Seite in der Musik selber. «Wenn es ums Musikmachen, um Kreativität geht, dann lassen wir alles los», sagt Beda Mächler. Wer Soybomb einmal live erlebt hat, der weiss: Das «Bomb» im Namen hat seine Berechtigung. Die Musiker brennen, das Publikum explodiert und die Druckwellen der Synths fegen wie heisse Gischt durch die Köpfe. Auf Youtube geistert ein Video herum, auf dem ein Splitternackter über die Bühne eines Soybomb-Auftritts rennt. Die Reaktion ist verständlich.
«Die besten Auftritte haben wir eigentlich, wenn wir vorher ein bisschen unsicher sind», sagt Andreas Achermann. Diesen Effekt haben sie sich auf der neuen Platte zunutze gemacht. Die Songs sind im Studio entstanden, Beda Mächler hat nur wenige Inputs geliefert in Form von Texten oder Gitarrenakkorden. Dann haben sie die Songs direkt aufgenommen, häufig ist bereits die erste Version auf dem fertigen Album zu hören. Spontanität, Echtheit, das Unverfälschte: Alles Dinge, die nicht ganz zu dem inszenierten Biedertum ihrer Videos passt. Und sich aber gerade deshalb so schön aneinander reiben. Die Musik, die gerne mal die eine oder andere Konvention in den Wind schreibt. Dazu Bilder von braven Bandmitgliedern beim Baden oder Herumstehen an Jahrmärkten.

Rosskur: Mehr vom Gleichen
Jetzt geht Soybomb auf Tour, doch im Januar haben sie beinahe nicht mehr daran geglaubt.  Ein Jahr lang haben sie gearbeitet, alles gegeben, sich, obwohl sie in einer Art Büro lebten, nicht wirklich an die üblichen Beamtenzeiten gehalten. Doch zurückgekommen ist wenig, gefühlt nichts. Ein einziger Termin der Tour sei bis dahin bestätigt gewesen. Die Rosskur dagegen: mehr vom Gleichen. «Wir haben einfach weitergemacht», erinnert sich Andreas Achermann. «Trübsalblasen ist nicht unser Ding. Man muss sich manchmal in Erinnerung rufen, dass es einfach das Geilste ist, was wir tun», sagt Linus Gmünder. «Nur das zu tun, was wir wollen, das ist ein Riesenprivileg.»
Nun ist es soweit. Die Tour steht mit 18 Auftritten in drei Ländern. Und mit jedem Applaus kommt ein bisschen etwas davon zurück, was die drei im letzten Jahr an Zeit und Geduld investiert haben. «Es sind ganz kleine Dinge», sagt Beda Mächler, «die zeigen, dass sich die Stunden vor den Listen und den Mails gelohnt haben.»

(Autor: Lionel Hausheer)