Diese «Seesicht» soll zum Unterwasser-Erlebnis werden
Kunst & Baukultur
Eine Treppe ins Wasser mit Blick in den See diese Kunstinstallation von Roman Signer nimmt konkrete Züge an. Das Baugesuch liegt auf.
Zug – Seesicht hat man eigentlich von einem Haus mit Blick auf den See. Die «Seesicht» des Schweizer Künstlers Roman Signer lässt tiefer blicken. Genauer gesagt einige Meter unter den Wasserspiegel des Zugersees am Vorstadtquai. Über eine Treppe mit rund 20 Stufen sollen Besucher nämlich vom Stadtzuger Ufer auf der Höhe der Rössliwiese im 45-Grad-Winkel hinunter in den See steigen und durch eine grosse Glasscheibe Rötel und Forellen direkt ins Auge blicken können. Und nicht nur das. Denn die Kunstinstallation des St. Galler Künstlers, der in Zug kein Unbekannter ist, will in Gestalt seines Unterwasserraums auch an die Katastrophe von 1887 erinnern als ein Teil der Vorstadt ganz in der Nähe in den See stürzte. Insgesamt starben bei dem Unglück damals 11 Menschen, 650 wurden obdachlos, und 35 Gebäude gingen verloren.
Roman Signer entwickelte das Projekt «Seesicht» für die Seeuferpromenade im Bereich der sogenannten Katastrophenbucht, nachdem er bereits vor einigen Jahren von Architekt Peter Kamm und Kunsthaus-Direktor Matthias Haldemann dafür angefragt worden war. Die Zuger Seeuferkatastrophe von 1887 ist dem Künstler seit seiner Schulzeit ein Begriff. Die Kunstinstallation «Seesicht», die die Zuger Kunstgesellschaft und das Zuger Kunsthaus planen, bauen und bis im Frühjahr 2015 realisieren wollen, stellt auch ironisch einen Zusammenhang her zur regen Bautätigkeit in der Stadt mit dem Bedürfnis nach Seesicht.
In der Badewanne Idee geboren
«Die Idee für meine Kunstinstallation ist in der Badewanne gereift», erklärt der 76-jährige Künstler. Eine andere Inspirationsquelle seien Unterwasseraufnahmen, die er gemacht habe. Wobei Signer das veränderliche Licht- und Farbenspiel unter Wasser besonders fasziniert. «Die Betrachter sollen ins Wasser wie durch ein Fenster schauen können, das Wasser soll zum Bild werden.» Eine Art kontemplativ-begehbares Aquarium quasi.
Wie die Kunstinstallation konkret aussehen soll, ist in dem Baugesuch recht detailliert beschrieben. Sie wirkt sehr stabil und scheint für alle Eventualitäten gut gerüstet. Kein Wunder, soll die temporäre Treppe in den Zugersee doch für zehn Jahre am Ufer des Vorstadtquais zu stehen kommen. Das Gehäuse der «Unterwasser-Stiege» ist aus glasperlgestrahltem, nicht rostendem Chromstahl geplant mit einer Materialstärke von drei Zentimetern, um den vorhandenen Belastungen standzuhalten. Die Treppe besteht aus verzinkten Gitterrosten und ist beidseitig mit einem Handlauf versehen. Die Türe zur Stiege ist abschliessbar, besteht ebenfalls aus Chromstahl und ist mit einem Bullauge ausgestattet, das auch ausserhalb der Öffnungszeiten den Blick in den See gewährt. Die Fensterscheibe in dem Unterwasserraum, in dem bis zu sechs Personen gleichzeitig Platz haben, besteht aus rund 16 Zentimeter starkem Verbundglas.
Das Objekt soll durch vier 22 bis 24 Meter lange Holzpfähle gegen den Auftrieb im Seegrund fixiert werden, der an dieser Stelle vor allem aus Seekreide sowie aus Kies und Steinen besteht. Zudem ist die Installation mit zwei Ankern im Betonfundament der Quaimauer befestigt. Sollte es Hochwasser geben, das über die Uferlinie tritt, wird die Treppe geflutet das Wasser kann anschliessend wieder ausgepumpt werden. Auch gegen Vandalismus ist die Installation gesichert: Graffiti können entfernt werden, und gegen allfälliges Zerkratzen der Glasscheibe im Innern des Kunstobjekts wird eine Folie angebracht. Tagsüber während der Öffnungszeiten betreut und beaufsichtigt Personal des Zuger Kunsthauses das Objekt. Selbst im Fall von störendem Kondenswasser im Unterwasserraum ist vorgesorgt: Eine Pumpe kann es absaugen, und für die Glasscheibe gibt es einen Wischer.
Noch keine Einsprache
Vom kantonalen Amt für Wald und Wild ist für Signers Projekt bereits die fischereirechtliche Bewilligung erteilt worden. «Bis jetzt ist bei uns keine Einsprache gegen die Kunstinstallation eingegangen, die in der Zone des öffentlichen Interesses für Bauten und Anlagen und Gewässerflächen ausserhalb der Bauzone platziert werden soll», teilt der Stadtzuger Bauchef André Wicki mit. Einzig unklar ist, wie teuer das Kunstwerk am Ende ist. Es wird durch die Zuger Kunstgesellschaft mit Unterstützung von privaten Gönnern finanziert. Kunsthaus-Direktor Matthias Haldemann: «Über die Höhe der Kosten möchte ich nichts sagen.» (Wolfgang Holz)