Die Seele im Fläschchen

Kunst & Baukultur

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Die neunte Kunstpause bietet noch bis Dienstag einen Blick auf das Schaffen 30 junger Künstler. Sie provoziert, fasziniert und interessiert ein breites Publikum.

  • «Bin ich das?» Ein Skater betrachtet den «Skater». Gemalt ist das Bild auf alte Skatebretter. (Werner Schelbert)
    «Bin ich das?» Ein Skater betrachtet den «Skater». Gemalt ist das Bild auf alte Skatebretter. (Werner Schelbert)

Zug – «Dies ist wohl unser provokantestes und auch teuerstes Werk in diesem Jahr», sagt Kuratorin Mélanie Girardet. Sie steht vor der vergoldeten Mineralguss-Skulptur eines Chihuahua. Der süsse Kläffer posiert auf einem weissen Sockel, hat ein Häufchen gemacht und einer Blase ist zu entnehmen, was er oder vielleicht auch der Betrachter denkt: «HOLY SHIT!!!» Und wer nun davon ausgeht, dass sich dieses Kunstwerk eben um Hund und Häufchen dreht, der hat noch nicht gelesen, was auf dem Sockel steht: «Jesus’ body eaten by dogs?!?».

Kunst soll Diskurse auslösen

«Ist das schrecklich», so habe eine Betrachterin Mitte Fünfzig spontan befunden, erzählt Mélanie Girardet. Die Kuratorin fügt an: «Solche Reaktionen wollen wir - Kunst soll Diskurse auslösen.» Zusammen mit einem sechsköpfigen Team war die Kulturmanagerin und Sekundarlehrerin acht Monate lang im Ehrenamt damit beschäftigt, die neunte Zuger Kunstpause auf die Beine zu stellen. Das Ergebnis der Arbeit kann sich sehen lassen: «Wir bieten einen Einblick in die Ateliers 30 junger Künstler, die alle vom Fach sind, sich aber eine Ausstellung oft noch nicht leisten können.» Vor drei Jahren habe man die Kunstpause, die bis dahin auf Künstler aus dem Kanton beschränkt war, für die ganze Schweiz geöffnet. «Das hat eingeschlagen wie eine Bombe», erzählt Girardet. In diesem Jahr seien rund 25 Prozent der Künstler aus Zug, der Rest komme aus Zürich, Basel, dem Aargau, dem Wallis. Nichtsdestotrotz wolle die Kunstpause weiterhin ein Forum zur Förderung der jungen Zuger Kunstszene sein - und die Künstler aus dem Kanton dazu motivieren, im Kanton zu bleiben.

Die grossen Fragen des Glaubens

Alain Poussot beispielsweise - der Künstler, der den Hund auf den Sockel hob - ist ein Zürcher. Den Grundstein für seine Skulptur namens «Chi» legte eine wissenschaftliche Theorie, welche das Verschwinden Jesu damit erklärt, dass dessen Leichnam ein gefundenes Fressen für wilde Hunde war. Die grossen Fragen des Glaubens spiegeln sich aber auch im Werk einer Baarerin wieder. «Sell your soul» heisst die Installation Samantha Hellers. Zu sehen sind etliche kleine Fläschchen, in denen zumeist ein Zettelchen steckt. Zahlreiche Menschen haben so ein Stück ihrer Seele oder die Aussage, was dieses Wort für sie bedeutet, in einem Fläschchen verschlossen. Und weil man doch stets gut daran tut, seine Seele nicht zu verkaufen, ist Hellers Werk auch unverkäuflich. Ein käufliches Buch zum Werk kann jedoch die Neugier auf so viele verschiedene Seelen stillen.

Publikum war durchmischter

Laut Girardet hat sich seit Freitag ein breites Publikum für die gesamte Kunstpause interessiert. «Das Publikum war bislang durchmischter als auch schon», freut sich die Kuratorin. «Und wir erhielten viel positives Feedback für unseren Kunstpause-Führer, der die Gedanken eines jeden Künstlers zu seinem Werk beinhaltet. Die Leute nehmen sich viel Zeit für die Auseinandersetzung mit den Objekten.» Geschmunzelt hätten viele wohl über die freche Werbung im Vorfeld. Auf Plakaten las man da zum Beispiel: «Du, isch das jetzt Kunst?» Eine Frage, die sich individuell klären lässt - vor Ort. (Susanne Holz)

 

«Besser als Grau»

PODIUM SH. Die Kunst der Strasse - Street Art: Wo liegen die Möglichkeiten und befinden sich die Grenzen für Graffiti-Künstler? Und ist legale Street Art überhaupt noch Street Art? Über diese Fragen diskutierten gestern Abend zwei junge Zuger Sprayer, Stadtarchitekt Beat Aeberhard sowie Kulturbeauftragte Jacqueline Falk. Einig war man sich darin, dass Street Art etwas bewegen kann - und dass es in Zug zu wenig Wände zum Besprayen gibt: Erlaubt ist Graffiti an der Industrie 45 und an der Galvanik. Wer illegal sprayt, sitzt schnell eine Haftstrafe ab, so wie Luca Koch, der seine kommende fünfmonatige Haftstrafe für seine Sprayereien von vor fünf Jahren als ungerecht empfindet. Im saturierten Zug gebe es wenig Freiraum für Street Art, meinte Beat Aeberhard. Der Stadtarchitekt würde eine Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Architekten begrüssen. Doch Street Art ist keine Auftragskunst, das stellte Luca Koch klar: «Street Art muss von unten kommen.» Und: «Alles ist besser als Grau.»