Die Exfreundinnen erlangen Erleuchtung

Theater & Tanz

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Wenn geballte Weiblichkeit plötzlich zur Spiritualität findet: Mit ihrem neuen Programm «SEKTe» haben die Exfreundinnen ihre Tour in Zug gestartet. Einmal mehr erweisen sich die Damen als hochkarätige multidisziplinäre Künstlerinnen. Ein absolutes Must-see.

  • Jetzt allwissend und erleuchtet: die Ex-Freundinnen an ihrer Premiere von «SEKTe» am Mittwoch im Theater Casino Zug. Von links: Isabelle Flachsmann, Martina Lory und Anikó Donáth. (Bild Stefan Kaiser)
    Jetzt allwissend und erleuchtet: die Ex-Freundinnen an ihrer Premiere von «SEKTe» am Mittwoch im Theater Casino Zug. Von links: Isabelle Flachsmann, Martina Lory und Anikó Donáth. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Bühnenerprobte, interdisziplinäre Schweizer Solokünstlerinnen im besten Alter finden zusammen und machen gemeinsame Sache – und schon entsteht die schlagfertigste Frauencombo der Schweiz. Anikó Donáth, Martina Lory und Isabelle Flachsmann – Letztere gebürtige Zugerin – sind die «Exfreundinnen», ein Trio mit ungeheurer Präsenz. Seit 2012 sorgen sie für einen gesunden Östrogenspiegel in der Schweizer Comedy-/Kabarettszene, sind auf der kleinen Dorfbühne genauso zu Hause wie in den grossen Theaterhäusern und stehen im Rampenlicht namhafter Humorfestivals.

Mit ihren wechselnden Programmen ergründen sie Tiefen und Höhen ihres Daseins als Frau, fühlen sich gegenseitig wie auch ihrem Publikum auf den Zahn, schwadronieren flamboyant über alles Menschliche wie Weltliche... Doch nun ist alles anders: Die Ladys sind zurück, aber nunmehr erleuchtet und allwissend – als Sektengründerinnen, als heilige drei Faltigkeiten; oder einfach als die drei heissen Geissen Zottel, Zick und Zwerg.

Eine Sekte hats nicht leicht

An der fulminanten Premiere von «SEKTe» am Mittwoch im Theater Casino Zug gehts von der ersten Minute an rund zu und her auf der Bühne. Die Spiritualität der drei Damen in weissen Uriella-Gedächtnisgewändern ist Nebensache. Ohnehin will es nicht so richtig klappen mit dem Sekten-Ding. Spassvögel missbrauchen die Telefonberatung, das Licht geht aus, dann ist ihre Website offline... Und wann kommt denn endlich das Ufo, das sie an ihren Bestimmungsort in eine neue Sphäre bringt?

Immer wieder weicht ihr engelhaftes Wesen dem Teuflischen. Selbstironisch bedienen die Frauen in Teilen der Gesellschaft verankerte weibliche Klischees wie etwa dasjenige des geldgeilen Weibes oder der psychotischen Stalkerin. Mit Verballhornungen und eigenen Wortschöpfungen bespicken sie bekannte Liedschlager von einst und jetzt. Punktuell wird’s anrüchig, doch nie wird die Grenze zum Vulgären überschritten.

Interdisziplinäre Multitalente

Die Exfreundinnen reihen Gagnummer an Gagnummer, die häufig in keinerlei erkennbarem Kontext zueinander stehen. Das ist aber auch absolut verzichtbar, jede Nummer funktioniert alleinstehend einwandfrei.

Die künstlerische Leistung der Exfreundinnen ist mehr als respektabel: Im Programm spielen sie ihre gesamten Skills aus; stimmlich, schauspielerisch, gesanglich – solo, im Duett oder im Trio. Ein besonderes Kränzchen gebührt Sonja Füchslin als vierte im Bunde der Exfreundinnen. Unter ihnen ist sie die – so von der Damencombo selbst bezeichnet – eierlegende Wollmilchsau: eine versierte Instrumentalistin an Piano, Akkordeon und Violine. Im kurzen schwarzen Kleid und hohen Hacken greift sie in die Tasten und Saiten. Am Schlagzeug sitzt der einzige Mann auf der Bühne, wohlbemerkt im Dunkeln.

Dann verlässt die quirlige Sekte die irdischen Gefilde und landet...nicht im Paradies. Wohl eher in der Hölle. Oder ist es die iCloud? Wie kommt man hier jetzt wieder fort? Durch einen Download? Was für ein Glück, dass Isabelle anstelle eines Arschgeweihs ein Arschtelefon hat. Ein Unglück hingegen, dass dieses nicht tut, wie es sollte. Da hilft wohl nur noch eine Wiedergeburt. Ob das klappt? Wie auch immer, es wären nicht die Exfreundinnen, wenn zum Schluss nicht der Sekt flösse.

Die Premiere von «SEKTe» gelingt auf der ganzen Linie, zwei geschlagene Stunden exzellente Unterhaltung. Das amüsierte Publikum verdankt es würdig und stehend. Wahrlich wohlverdient: Die vier Frauen glänzen nicht nur durch ihre erstklassige gesangliche, tänzerische und kabarettistische Leistung, sie zeichnen auch alleinig verantwortlich für das gesamte Bühnenprogramm inklusive Choreografie, Liedtexte und Musikarrangements. Dass sie sich selber nicht immer ganz so ernst nehmen, ihre Rolle als Frau augenzwinkernd überzeichnen und gängige Klischees bewusst bedienen (und dadurch entschärfen), schafft grosse Sympathien.

Bitte Termine checken

Ein kleiner Wermutstropfen bleibt an diesem Abend allerdings: So dürfte in Zug nach den neuen Coronabestimmungen für längere Zeit zum letzten Mal ein so zahlreiches Publikum zusammengefunden haben. Folglich sind denn auch einige Termine im Tourprogramm von «SEKTe» abgesagt oder verschoben. Informationen dazu sind nachzuschlagen unter www.exfreundinnen.ch. (Andreas Faessler)