«Im Alter gilt es, jeden Moment bewusst zu geniessen»

Dies & Das, Literatur & Gesellschaft

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Die Zeit verrinnt unaufhörlich ob wir sie besinnlich oder aktiv verbringen. Für die Autorin Klara Obermüller ist das die Herausforderung.

  • Die Schriftstellerin Klara Obermüller regte die Zuhörer mit philosophischen Worten zum Nachdenken an. (Bild Stefan Kaiser)
    Die Schriftstellerin Klara Obermüller regte die Zuhörer mit philosophischen Worten zum Nachdenken an. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Mit Fitness, Wellness und Antiaging-Produkten wollen wir nach der Mitte des Lebens möglichst lange unsere Jugendlichkeit erhalten. Die Gedanken an Alter und Tod schieben wir hinaus, bis wir beim Blick in den Spiegel unausweichlich feststellen müssen, dass wir nun auch zu den Senioren gehören. Das Alter hat uns erreicht. Wie wir damit umgehen, ist individuell.

Keine Rezepte

Gestern sprach die Zürcher Journalistin und Schriftstellerin Klara Obermüller in der Casa Rossa in Zug über «ihre Erfahrungen mit Alter und Zeit». Und eine grosse Schar älterer Menschen lauschte aufmerksam ihren Ausführungen, die sie mit Textpassagen berühmter Philosophen und Gelehrter auflockerte. Denn das Thema von der verrinnenden Zeit und wie man dem Tod ein Schnippchen schlagen könnte, hat seit jeher die Menschen beschäftigt. An Anfang und Schluss ihres Referates stellte sie das Zitat von Andreas Gryphius (16161664): «Mein sind die Jahre nicht ...» Klara Obermüller sagte: «Jeder kennt das Wort Zeit, doch was es bedeutet, ist schwierig zu erklären.» Man könne die Zeit messen, erfahren müsse man sie jedoch am eigenen Leib. Und jeder erlebe sie, abhängig von den äusseren Umständen oder der jeweiligen Befindlichkeit, anders. Viele Lebenspläne seien auf die Zukunft ausgerichtet, und man sei oft in Gedanken nicht bewusst dort, wo man gerade lebe. «Aber je weniger Zeit bleibt, umso kostbarer erscheint sie», so die 74-Jährige. Plötzlich realisiere man im Alter, dass die Zeit für gewisse Dinge zu spät sei.

Kreativität gefragt

Klara Obermüller, deren Gatte noch nicht 40-jährig an Krebs gestorben ist, wurde in jungen Jahren mit dem Tod konfrontiert. So sagt sie heute: «Man weiss nicht, ob morgen alles zu Ende ist. Wir müssen vermehrt ‹jetzt› sagen und den Augenblick geniessen.» Eine dauernde Beschäftigung mit dem Tod behindere das Leben. Die Begrenztheit des Lebens sei naturgegeben. Es falle heute sogar manchen Künstlern schwer, das Unvermeidliche zu akzeptieren.

Klara Obermüller verhehlte nicht, dass mancher ältere Mensch eine tiefe Ambivalenz spüre, wenn die Kräfte nachliessen: «Das Alter ist eine Herausforderung, doch statt zu jammern, müssen wir die Jahre gut bestehen. Das ist eine Herkulesaufgabe.» Es sei für unsere Gesellschaft relativ neu, so alt zu werden wie die Gastgeberin Gabriela Wyss. Früher sei das die grosse Ausnahme gewesen. «Wir sind darauf nicht vorbereitet, hier ist Kreativität gefragt», betont Klara Obermüller und lud zu mehr Unbeschwertheit ein, trotz gewisser Einschränkungen im Alter.

In der Diskussion wurde kritisch angemerkt, dass sich die Gesellschaft heute sehr an Äusserlichkeiten orientiere, was für die älteren Menschen nicht immer positiv sei. Ja, das tue weh, wurde anerkannt. Klara Obermüller aber riet, im Alter nicht einfach in den Tag zu leben, «sondern achtsam mit der Zeit umzugehen und bewusst zu leben». (Monika Wegmann)