Sie sorgen für überraschende Wendungen

Musik

,

Die Jazz-Formation von Roberto Bossard weihte in Zug ihre neue CD ein.

  • Spielt nicht zum ersten Mal im Jazz-Club Hidén Harlekin: Der Zuger Jazzgitarrist Roberto Bossard (rechts) mit Band. (Bild Roger Zbinden)
    Spielt nicht zum ersten Mal im Jazz-Club Hidén Harlekin: Der Zuger Jazzgitarrist Roberto Bossard (rechts) mit Band. (Bild Roger Zbinden)

Zug – Ist der Kontrabass gerade musikalisch eine Treppe hinuntergefallen? Tummelt er sich gerade an einem orientalischen Basar? Oder tanzt er gar? Raffaele Bossard zupft die schweren Saiten seines stolzen Instruments in solch rasender Geschwindigkeit, wie man es sonst eher von Gitarrensolos gewöhnt ist.

Der Titel «Going Slow» passt nur, da die Rhythmusgruppe für einen kurzen Moment schweigt, während sie sonst die fünfköpfige Band mit unglaublichem Tempo vorwärtsdrängt. Die Idee zu diesem Titel entstand unter dem Eindruck der Coronapandemie.

Es ist die «Roberto Bossard New Group», die am Samstagabend im Stadtzuger Jazz-Club Hidén Harlekin (früher «Topas») für ein atemloses Konzert sorgt. Die Formation um den Zuger Gitarristen Roberto Bossard weiht ihr neue CD «Rose Bubble» ein, die sie im letzten Herbst aufnahm. Der Auftakt zu einer weiteren Tournee im In- und Ausland für die Band, die seit neun Jahren unterwegs ist und in dieser Zeit, so schätzt Bossard nach dem Konzert, gegen 200 Auftritte gespielt hat.

Publikum macht sich lautstark bemerkbar

An diesen Events waren wohl bereits einige aus dem Publikum dabei, denn zu Beginn des Abends dauert es einen Moment, bis die Band nach vielem Händeschütteln und vielen Umarmungen den Weg auf die Bühne findet. Die Liebhaberinnen und Liebhaber des eher modernen Jazz klatschen nach jedem Solo mindestens so stark wie ein doppelt so grosses durchschnittliches Schweizer Publikum. Das Programm stellt nicht nur für die Musiker eine Herausforderung dar: Für den Laien sind etwa die komplexen Rhythmen und die freien Soli auf das erste Hinhören ungewohnt – wenn man sich sonst eher strenge und klare Formen gewöhnt ist. Nach den ersten beiden Titeln «Saturday After Dawn» und «What’s On» gewöhnt sich das Ohr jedoch an die glitzernden Tonleiter-Girlanden (wie etwa am Saxofon von Toni Bechtold), die flutschigen Einwürfe oder das quirlige Tempo.

Fast erleichtert seufzt das Trommelfell einiger Zuhörer, als sich bei «Going Slow», nachdem der Kontrabass seinen wilden Tanz beendet hat, zum ersten Mal harmonische Momente ergeben, die sich nicht sofort auflösen.

Die darauffolgende Ekstase, bei der nach und nach alle Instrumente dazukommen und sich gegenseitig pushen, begleitet von treibenden, hohen Klaviertönen (Lukas Gernet), bereitet dem Publikum pures Vergnügen. Bei diesem wie auch beim folgendem, noch namenlosen Stück (mit einem höllischen Schlagzeugsolo Dominic Egli), wirken die wiederkehrenden Themen leichter identifizierbar.

Spezielle Konstellation für neue Ideen

Wie entstehen solch dynamische Klangbilder? Roberto Bossard zückt auf diese Frage hin ein ausgedrucktes «Leadsheet», auf dem Melodie und Akkorde des namenlosen Stücks notiert sind. «Ich gehe mit einer Idee zur Band, wir entwickeln sie zusammen, und auf der Bühne ändern wir aus dem Moment heraus nochmals die eine oder andere Stelle», sagt er. Wichtig ist es dem Dozenten für Jazzgitarre an der Musikhochschule Luzern, dass man lebendig bleibe und stets Platz habe für neue Ideen. «Auch deshalb schätze ich das Zusammenspiel mit meiner jungen Band sehr: Sie fordert immer neue Stücke ein», sagt Bossard.

Unter ihnen: ehemalige Schüler und sein Sohn Raffaele. Diese spezielle Konstellation harmoniert glänzend. Der lange Applaus und die erklatschte Zugabe am letzten Samstag beweisen es. Das Resümee eines Zuschauers aus der Profi-Musikszene: «Wahnsinnige Farben und unerwartete Wendungen, diese Topmusiker sprühen vor Fantasie und der Lust am Experimentieren.» (Text von Fabian Gubser)