Gehr gab der modernen Kirchenlandschaft neue Farbe
Kunst & Baukultur, Literatur & Gesellschaft
Ferdinand Gehr gilt als einflussreichster Schweizer Kirchenmaler des 20. Jahrhunderts. Das Kunstmuseum Olten widmet ihm eine grosse Ausstellung. Dazu ist eine umfassende Publikation erschienen.
Zug – Kaum ein anderer Schweizer Künstler hat über so lange Zeit so viele Aufträge an öffentlichen Gebäuden wahrgenommen wie Ferdinand Gehr (1896–1996). Über 140 Werke hat der Rheintaler umgesetzt, zahlreiche davon in Kirchen. Das Kunstmuseum Olten zeigt nun – 20 Jahre nach Gehrs Tod – eine umfassende monografische Ausstellung zum Werk Gehrs.
Hierfür ist beim Verlag Scheidegger & Spiess eine ausführliche, reich bebilderte Publikation erschienen, welche ausgehend von Gehrs wichtigsten Arbeiten in der Schweiz und teils im Ausland dessen Wirken eindrücklich illustriert.
Gehrs Hinterlassenschaften in der Zentralschweiz
Als der Kirchenbau in den 1930er-Jahren einen Aufschwung erlebte und damit einhergehend auch im Bereich der Malerei neue Befindungen verlangt wurden, welche den Bedürfnissen und Techniken der Zeit entsprachen, seien namhafte Architekten auf den Rheintaler Künstler aufmerksam geworden. So beschreiben Kunsthistorikerin Dorothee Messmer und Ausstellungskuratorin Katja Herlach die Anfänge der fruchtbaren Zusammenarbeit Gehrs mit den Baumeistern des modernen Kirchenbaus, unter denen sie auch die Zuger Hanns Anton Brütsch, Leo Hafner und Alfons Wiederkehr anführen.
Die von Brütsch entworfene, 1956 eingeweihte Pfarrkirche Bruder Klaus in Oberwil birgt eines der Hauptwerke Gehrs: Dieser war beauftragt worden, den gesamten Kirchenraum auszumalen und die Glasfenster zu gestalten. Aufgrund der vehementen Ablehnung der Fresken durch die Mehrheit der Kirchengemeinde hat der «Oberwiler Freskenstreit» bis weit über die Region hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Erst zehn Jahre später war es gesprochene Sache, dass Gehrs Fresken in der Oberwiler Kirche wie geschaffen verbleiben – fortan unverdeckt. Eine glückliche Wendung, gilt das Gotteshaus heute doch als besonders bedeutendes und gelungenes Gesamtkunstwerk von Architektur und Malerei. Das Gehr-Werk ist in Oberwil vollständig erhalten geblieben, im Gegensatz zu demjenigen in der vom Büro Hafner und Wiederkehr erbauten Kirche St. Johannes in der Zuger Herti. Mit Mineralfarben hatte Gehr hier den gesamten Kirchenraum ausgemalt und auch die Fenster gestaltet. Im Zuge der Innenrenovation 2015 wurden Teile der Sichtbetonwände mitsamt Malerei überdeckt, «was den Gesamteindruck im Innern der Kirche beeinträchtigt», wie es in der Publikation heisst.
Ein spätes und ein frühes Werk
Beide Zuger Kirchenbauten, die von Ferdinand Gehr so massgeblich mitgestaltet worden sind, werden im Buch zur Ausstellung im Kunstmuseum Olten bildlich ausführlich präsentiert. Ebenso auch die Wandmalereien im ökumenischen Kirchenzentrum in Steinhausen, ein Spätwerk Gehrs. Der Zürcher Architekt Ernst Gisel baute den Komplex 1981, Ferdinand Gehr zeichnete für die Wandmalereien in Foyer und Treppenhaus verantwortlich.
Schliesslich listet das Buch ein weiteres Gehr-Werk in der Zentralschweiz: Im Jahre 1947 führte er in der Taufkapelle der vom Luzerner Architekten Otto Dreyer erbauten Maihofkirche St. Josef die Deckenbilder und die Glasfenster sowie die Fenster des Pfarrhauses aus – einer der früheren Aufträge, die Gehr ausführte.
In einem Anhangsteil der Publikation, die sich bewusst auf die Wandmalerei Gehrs beschränkt, gehen Fachleute mit wissenschaftlicher Herangehensweise auf die Person Ferdinand Gehr, sein Wirken und seine Arbeit ein, was das Buch zu weit mehr als nur ausstellungsbegleitender Literatur macht. (Andreas Faessler)