Eine rosarote Suche nach sexueller Identität

Literatur & Gesellschaft

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Die LGBTQ-Aktivistin Anna Rosenwasser bricht in ihrem ersten Buch mit Geschlechterklischees und verhandelt Identität neu. Statt eines wütenden Pamphlets ist ihr ein versöhnlicher Zugang zu queeren Themen gelungen.

  • Aktivistin Anna Rosenwasser hat in Baar ihr erstes Buch vorgestellt. (Bild zvg)
    Aktivistin Anna Rosenwasser hat in Baar ihr erstes Buch vorgestellt. (Bild zvg)

Baar – «Rosa ist meine Lieblingsfarbe und eine wichtige Farbe für die Community, in der ich grossgeworden bin», liest Anna Rosenwasser mit klarer Stimme vor. Die LGBTQ-Expertin und Aktivistin hat mit «Rosa Buch – Queere Texte von Herzen» ihr Erstlingswerk herausgebracht. In den kurzen, persönlichen Texten mischt sie echte Erlebnisse mit erfundenen Geschichten.

Der Titel kommt dabei nicht von ungefähr. Mit der Farbe Rosa seien früher queere Menschen abgewertet worden. Doch alle, egal welcher Identität, sollten heute so rosa sein dürfen, wie sie wollen, betont Rosenwasser. Die 33-Jährige gab während der Ausstellung der Zuger Künstlerin Sara Liz Marty in der Galerie Billing Bild in Baar Auszüge aus ihrem Buch zum Besten.

Fokus auf Versöhnung statt Wut

Während die Künstlerin die Suche nach sexueller Identi­tät in ihren Bildern verhandelt, tut Anna Rosenwasser dies in ihren Texten. So wird in «Gratiseintritt ins Museum» etwa das Coming-out bei der eigenen Mutter geschildert. Ein Coming-out sei eigentlich eher ein «Letting-in», liest die Au­torin vor. Man lasse die El­tern in die Information über die eigene sexuelle Orientierung hinein wie ins Museum, «in der Hoffnung, dass die Exponate nicht mit wüsten Graf­fiti besprayt werden». «Manche Eltern verwechseln das Museum mit einem Gruselkabinett, weil sie es nicht anders gelernt haben.»

Die Museumsgeschichte ist exemplarisch für die mehrheitlich essayistisch aufgebauten Erzählungen. Oft kommen Diskriminierung und soziale Ungerechtigkeit zur Sprache, dennoch sind die Texte nur selten explizit wütend.

Anna Rosenwasser schreibt versöhnlich und augenzwinkernd über queere Erlebnisse und bricht schnörkellos mit Geschlechter-stereotypen. «Ich möchte einen Zugang zum Thema schaffen und Neugierde wecken. Wut führt oft zu Ablehnung – und wir brauchen bei Themen der LGBTQ-Community mehr Dialog», erklärt die Autorin, welche für die SP für den Nationalrat kandidiert.

Einmal bricht die Wut dann aber doch durch. «Diese Geschichte muss ich stehend vortragen, sie macht mich hässig», betont Anna Rosenwasser, um daraufhin in rasendem Tempo einen politischen Text über den Begriff «Gendergaga» vorzutragen.

«Queen»-Hass und Bisexualität

Auch wer mit der LGBTQ-Szene nicht vertraut ist, findet im «Rosa Buch» einen Zugang zum Thema. Ein Glossar erklärt die zentralen Begriffe, und ein rosa eingefärbtes Stichwortverzeichnis lädt mit Wörtern wie Hafermilch, Heterozwang und High Heels zum Schmökern ein. Mittels Abstimmung dürfen die Zuhörenden einen Text auswählen, den die Schriftstellerin als Nächstes rezitieren soll.

Die Wahl fällt auf «Queen». «Damit mache ich mich jetzt auf einen Schlag unbeliebt, aber: Ich habe die Band Queen nie so richtig gemocht», liest Anna Rosenwasser vor. Sie breche damit ein Tabu, denn jeder möge Freddie Mercury. Vom exzentrischen Frontmann der britischen Rockband spinnt die Autorin den Faden weiter zum Thema Bisexualität. Niemand glaube an bisexuelle Männer, weil sie doch eigentlich schwul seien. Und niemand glaube an bisexuelle Frauen, denn sie seien doch eigentlich hetero. Rosenwasser provoziert, tut dies aber mit so viel Schalk, dass sie dem gut durchmischten Publikum in der Galerie Billing Bild auch dann noch Lacher entlockt, als sie die Fasnacht als «Heteropride» bezeichnet. Das «Rosa Buch» verfällt trotz seiner Farbe nicht in Kitsch oder Klischees. Statt eines wütenden Pamphlets ist Anna Rosenwasser mit ihrem Erstling ein versöhnlicher Zugang zu queeren Themen gelungen. (Text von Laura Sibold)

Das Buch
«Rosa Buch – Queere Texte von Herzen», Anna Rosenwasser, Rotpunktverlag, 240 Seiten, ca. Fr. 24.–