Geheimes Wirken deutscher Nazifreunde
Brauchtum & Geschichte
In nächtlichen Sitzungen an geheimen Orten organisierten sich die in Zug ansässigen Exil-Deutschen. Ein Teil ist Mitglied der NSDAP, die meisten sind bei der «Deutschen Kolonie». Auch ein NS-Promi weilte in Zug – kurz vor seiner Ermordung.
Zug – Die Nationalsozialistische Arbeiterpartei, kurz NSDAP, wird für gewöhnlich mit Deutschland und mit Adolf Hitler assoziiert. Aber die Partei hatte auch einen Ableger im Kanton Zug. Denn die Auslandsorganisation von Hitlers Nazideutschland versuchte, in der ganzen Schweiz ein möglichst filigranes Netz auszubreiten.
Die «NSADP Ortsgruppe Zug» verstand sich als Eliteorganisation, sie nannte sich auch «Zelle Zug» oder «Gau Zug» und hatte immerhin 36 Mitglieder, davon waren 10 sehr aktiv. Daneben waren die Exil-Deutschen in der «Deutschen Kolonie, Ortsgruppe Zug» organisiert, welche in Zug rund 350 Mitglieder aufwies. Kleinere Gruppierungen waren die «NS Frauenschaft Zug», die viele Strickabende organisierte, die «NS Sportgruppe Zug», die mit ihren 48 Mitgliedern Körperertüchtigung betrieb, dann die «Deutsche Arbeitsfront», die einen Krankenbeihilfefonds für Exil-Deutsche unterhielt sowie die «Reichsdeutsche Jugend», die Nachwuchsorganisation. Deren Mitglieder – Kinder – konnten teilweise in deutschen Heimen Ferien machen.
Mit diesen sechs Organisationen konnte Nazideutschland jeden Lebensbereich der Auslanddeutschen auf die deutsche Gesinnung einschwören. Das ging so weit, dass man sogar Kochrezepte und Liederbücher, Bücher, Spiel- und Informationsfilme, Broschüren und Karten, Sport und Spiel zur Verfügung stellte. Mit den regelmässigen Zusammenkünften, den Sammlungen und dem regen Briefverkehr untereinander wollte man die Zugehörigkeit zum deutschen Volk verstärken. Mit Weihnachtsfeiern, Kinderbescherungen, Kinderverschickungen, sozialem Auffangnetz wie Krankenbeihilfe, Unterstützung von Soldatenfamilien, Aufmunterungskarten etc. förderte man den Zusammenhalt. Das war für bestimmte Familien nicht nur eine nette Geste oder ideologisch begründet, sondern überlebensnotwendig.
Gauleiter Gustloff in Zug
Am 1. Februar 1936 feierten die organisierten Deutschen im Restaurant Schützenhaus an der Chamerstrasse in Zug den dritten Jahrestag der Machtergreifung Hitlers, rund 50 Personen lauschten den Ansprachen. Mit dabei am Anlass war der bekannte NSDAP-Gauleiter der Schweiz, Wilhelm Gustloff aus Davos. Fünf Tage später wurde er durch den Studenten David Frankfurter in seiner Wohnung erschossen. Gustloff wurde in der Folge vom Naziregime und von Adolf Hitler persönlich als Märtyrer stilisiert. Die Zuger Zeitungen berichteten zwar über die Ermordung, aber erwähnten interessanterweise mit keinem Wort, dass Gustloff kurz zuvor noch in Zug gewesen war.
Doch die Bundespolizei verfolgte die Angelegenheit genauer.
Nächtliche Sitzungen im Guggithal
Denn Gustloffs Besuch in Zug kurz vor seinem Tod habe Arthur Z. gegolten, einem Ingenieur bei Landis & Gyr, der überzeugter Nationalsozialist mit deutschem Pass sei und in Zug wohne. Z. war auch an Gustloffs Totenfeier in Deutschland gewesen: «Der Mann trommelt die Deutschen im Kanton zusammen, vor allem die zahlreichen Dienstmädchen, und führt mit ihnen alle 14 Tage in seiner Villa Schulungsabende durch. Die einfachen Leute fühlen sicj (sic!) natürlich hochgeehrt und erzählen ganz harmlos. Man scheint sich allerdings weniger für negative Aeusserungen über das Dritte Reich zu interessieren als für heimliche oder offene Hitlersympathien angesehener Schweizer.» Als direkte Folge erstellte das Polizeikommando des Kantons Zug einen Bericht über Arthur Z.: Vor zwei, drei Jahren hätten regelmässige Zusammenkünfte stattgefunden, die «seien nun aber in den letzten zwei Jahren stark zurückgegangen ...» Z.s Gesinnung beschrieb die Polizei so: «... ein fanatischer Nationalsozialist, was er spez. in gewissen Kreisen, wenn ihm in guter Stimmung die Zunge gelöst worden ist, in bewegten Worten und vermutl. z. T. auch Prahlereien zum Ausdruck bringt.» Der Polizeibericht äusserte die Vermutung, Z. «soll übrigens im Kanton Zug als Gauleiter der N. S. D. A. P. fungieren.»
In einem Brief von 1938 an die Polizeistellen wurde ein Stimmungsbild von Zug vor dem Zweiten Weltkrieg gezeichnet: «... Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, dass auch in hiesiger Stadt fremden Ideologien huldigende Landesverräter am Werk sind, welche, wenn auch eine unterirdische, aber eben deswegen umso gefährlichere Tätigkeit entwickeln ... lösen allerorts grösstes Missbehagen in der Bevölkerung aus. Hartnäckig umgehende Gerüchte besagen immer wieder, dass diese Männer im Dienste einer ausländischen Macht stünden und Vorbereitungen für die Gleichschaltung unseres Landes träfen. In der zugerischen Presse erfolgte ein ziemlich unverblümter Hinweis auf nächtliche Sitzungen im Guggithal. Das Wohl unseres Vaterlandes verlangt dringend, dass solchen Wühlern das Handwerk gründlich gelegt wird, bevor sich unsern Lippen ein resignierendes ‹zu spät› entringt.»
«Ungeniert, fast etwas frech»
Im April 1939 feierten Zuger Nazis bei Arthur Z. zu Hause den Geburtstag des Führers. Das Polizeikommando lud daraufhin Z. zum Verhör und rapportierte nach Bern: «Z. ist eine ungenierte, fast etwas freche Natur, sodass es ihm bestimmt nichts zu tun gibt, eine solche Behauptung aufzustellen, die der Wahrheit entbehrt, um sich auf diese Weise so gut als möglich rein zu waschen. Er fühlt sich offenbar zu erhaben, sich mit schweizerischen Amtsstellen herum zu schlagen ...»
Nachweisen konnte man Z. nichts. So kam es, dass seine Aufenthaltsbewilligung nach Kriegsausbruch im Oktober 1939 verlängert wurde. Die Fremdenpolizei des Kantons Zug hatte den Arbeitgeber von Z., die Landis & Gyr, um eine Stellungnahme gebeten: «Heute und noch für lange Zeit könnte Z. als Spezialist bei uns durch keine andere Arbeitskraft ersetzt werden ... der Nachweis unzulässiger Propaganda Z.s unter dem Personal (konnte) nie erbracht werden.»
Und dann machte die LG- Direktion noch bemerkenswerte Aussagen: «Aber wir möchten nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass die Nichterneuerung der Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung Z.s für unser Unternehmen, das engste Beziehungen zu solchen in Deutschland unterhält und für die dort in der Leitung tätigen Schweizer, unangenehmste Rückwirkungen auslösen kann.» Die Frage muss erlaubt sein: Wurde Arthur Z. also aus wirtschaftlichen Gründen geduldet? (Text von Michael van Orsouw)
HinweisDr. Michael van Orsouw, Historiker und Schriftsteller, beleuchtet die bewegte Zeit von 1933 bis 1945. In Folge 5 berichtet er über zwei Landesverräter aus Zug.