Wie behält ein Dorf seine Seele?
Brauchtum & Geschichte
Die Zuger Tage des Denkmals konzentrierten sich erstmals an einem Ort: dem Dorfkern von Unterägeri.
Unterägeri – Im Herzen der Ortsbildschutzzone, vor der 1721 eingeweihten Marienkirche, hält Landammann Andreas Hostettler zur Eröffnung den auf Festbänken versammelten Besuchern einen hölzernen Zapfen entgegen. Dieses traditionelle Verbindungselement, das in den typischen Blockbauten Unterägeris zu Hunderten verbaut sei, symbolisiere die Aufgabe der Denkmalpflege: Die Denkmäler wurden uns von früheren Generationen anvertraut. Jetzt liegt die Obhut für eine Zeit in unseren Händen, bevor wir sie gleich einer Stafette an die nächsten Generationen übergeben.
Die Leiterin des kantonalen Amts für Denkmalpflege Karin Artho präzisiert: Es gehe in der Denkmalpflege nicht darum, alles Alte unverändert zu bewahren, sondern darum, neu auszuhandeln, welchen Wert die Bauten für jede Generation haben. Anpassungen an heutige Anforderungen verlangten Geduld und Kompromisse; ein Ergebnis, auf das alle langfristig stolz sein könnten, entstehe aber nur, wenn alle mitreden können – Eigentümer, Gemeinde, Denkmalpflege und Bewohner.
Bei einem geführten Rundgang erläutert Gebietsdenkmalpfleger Roger Küng das Dilemma heutiger Bauplanung: Einerseits wolle man die Eigenart des Ortsbildes bewahren, andererseits sei für ein lebendiges Dorfleben im Kontext von Bevölkerungszuwachs Verdichtung im Zentrum nötig. Für den Moment scheint im spätmittelalterlichen Oberdorf die Zeit stillzustehen. Hier setzt man aktuell auf denkmalverträgliche Umnutzung. Im Unterdorf dominieren hingegen Bauprofile und Ersatzneubauten. Eine zentrale Frage lautet, wie historische Strukturen für Einfamilien heute als rentable Mietshäuser funktionieren können, ohne dass der Ort seine Identität verliert.
Architekt Lando Rossmaier zeigt mit dem Haus Frohsinn am Harmoniegässli, wie man das Bewährte in neue Formen bringt. Der gebürtige Bayer mahnt: Seht ihr nicht, wie schön das ist, was ihr habt? Auf der kleinen Grundfläche ist ein hoher, geschindelter Holzbau in vertikaler Strickbauweise entstanden, der sich ins Ortsbild einfügt und dennoch heutigen Wohnansprüchen genügt.
Nach der Führung und einem feinen Raclette-Apéro wartet ein vielseitiges Programm auf die Besucher. Dass Denkmäler nicht nur durch Abriss bedroht sind, zeigt eine spektakuläre Übung der Feuerwehr Unterägeri in der Marienkirche. Mit Atemschutzgeräten demonstrieren die Einsatzkräfte unter der von Fabian Hugener, wie eine Rettungsaktion für Kulturgüter abläuft. Parallel dazu lädt das Baukulturmobil der Nachwuchsinitiative Lab for Kids junge Menschen dazu ein, eigene Zukunftsräume zu entwerfen. Die fantasievollen Antworten der Kinder – von Swimmingpools bis zu Strukturen à la Gaudí – zeigen, wie spielerisch Baukultur an die nächste Generation vermittelt werden kann.
Auch bei der Bossard-Schule, im Altersheim Chlösterli sowie am bauarchäologischen Stand mit originalen Fundstücken aus dem alten Dorfkern gibt es viel zu entdecken. Die erstmalige Konzentration der Denkmaltage an einem Ort erwies sich als Erfolg. Die Besucher erlebten, dass Denkmalpflege mehr bedeutet, als nur alte Gemäuer zu konservieren.
Menschen denken oft kurzfristig, freuen sich aber über erhaltene Perlen wie in Unterägeri. Wer sich nach charaktervollen Orten sehnt, muss aber auch verstehen, dass diese das Resultat engagierter Denkmalpflege sind. (Text: Daniela Gerer)