Vom Träumen in der lichten Lorze

Kunst & Baukultur

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Gisela Bitterli Jochimsen und Werner Iten steigen wieder ins Wasser bei der Gewürzmühle. Man darf sich auf weise Worte und nüchterne Sehnsucht freuen. Und auf einen Mann in sehr nassen Kleidern.

  • Proben für ihre siebte Performance in der Lorze: Gisela Bitterli Jochimsen und Werner Iten. (Bild: Christian H. Hildebrand)
    Proben für ihre siebte Performance in der Lorze: Gisela Bitterli Jochimsen und Werner Iten. (Bild: Christian H. Hildebrand)

Zug – Es ist sehr heiss bei der Generalprobe zur siebten Lorze-Performance am vergangenen Samstag – die Sonne eliminiert jegliche Feuchtigkeit in der Luft, endlich ist so richtig Sommer.

Bei der Zuger Gewürzmühle steigen zwei Künstler in die sanft vor sich hinplätschernde Lorze, die eine in Schwarz, der andere in Weiss. «Wir haben das Gefühl, es ist ERNST», so der diesjährige Leitsatz zum rund halbstündigen Spektakel unter Bäumen und auf ziemlich harten Steinen, umspült von weichem Wasser. Kein Wunder, tragen die Künstler Gummistiefel. In den Fluss installiert ­haben sie einen metallenen Ständer, der die Worte bereithält, die alsbald ins Megafon gesprochen werden. Plus einen Tisch mit einer Steinplatte, Pfanne, Eimer, und eine blecherne Badewanne, die sich zuletzt mit rotem Wasser füllt.

Dringlichkeit ergibt sich aus dem Moment

Gisela Bitterli ist es ernst mit der Kultur, die frei fliessen soll. «Wer zahlt eigentlich das ganze Kulturzeugs hier, und wo ist die Dringlichkeit?» wird sie nach Minuten im Wasser provokant fragen. Aber zahlen muss hier niemand: Der Text sprudelt kostenlos aus den Künstlern, die Requisiten wurden grösstenteils aus dem Wasser gefischt, irgendwo gefunden oder schlicht erbettelt. Und die Dringlichkeit? Die ergibt sich aus dem Moment, sie zeigt sich genau jetzt im Hier und Nun, so wie die Performance auch. Die Dringlichkeit entsteht im unmittelbaren Ausdruck, verstärkt durch ein altes Megafon.

Und dann werden so schöne weise wie rätselhafte Satzfetzen flussabwärts geschickt: «Gerechte Strafen für Raucher», «Man soll seine Triebe teilen», «Und die eigene Leere einfach schlucken». Die Performerin fischt in den Tagesthemen, ihren eigenen. Und die reichen von der «öffentlichen Toilette» über die «blöden Deutschen» bis hin zu den «Neuigkeiten im Bestattungswesen». Dringlich und beruhigend zugleich: Die Menschen achteten streng auf Recht und Ordnung in ihrer Nachbarschaft. Gute Rahmenbedingungen, um ganz entspannt zum Wetter zu kommen. Das Wetter ganz oben. Werner Iten verspricht hier Schönes, mittels bronzefarbenem Megafon: «In des Himmels lichten Räumen lässt sich froh und glücklich träumen.»

Das Denken ist frei und immer im Fluss

Inzwischen werden die Fluss-Performer von Passanten fotografiert, und die Kinder schauen fasziniert: Was geht da ab im Fluss? Darf man da vielleicht auch mitmachen? Und warum mühen sich die zwei im Wasser mit schwarzen Veloschläuchen ab und klopfen schön im Takt auf Eisenstangen? Und wie kommt es, dass in der kleinen Badewanne mitten im Flussbett plötzlich rotes Wasser gegen die Ränder schwappt? Hat das alles einen tieferen Sinn? Dem Mann kleben ganz plötzlich die nassen Kleider am Leib, und die Frau spricht betont nüchtern von der «Sehnsucht, die sich nie erfüllt, weil sie immer auf den Falschen sich legt, den gerade eine andere Sehnsucht treibt».

Die Antworten mag man aus dem klaren Lorze-Wasser lesen, sich selber geben oder in den Gesichtern und Gesten der Künstler finden. Hauptsache, das Denken ist frei und immer im Fluss. Und nie vergessen: Denken ist dringlich. Im Hier und Jetzt, und solange das Wasser die Lorze ­hinunterfliesst. (Susanne Holz)

Hinweis
Siebte Lorze-Performance mit Gisela Bitterli Jochimsen und Werner Iten, Titel: «Wir haben das Gefühl, es ist ERNST», am kommenden Samstag, 7. Juli, um 17 Uhr beim Atelier- und Kulturhaus Gewürzmühle Zug. Anschliessend Apéro unter der Laube. www.gewuerzmuehle.ch