Regisseurin Luzia Schmid nimmt heikles Thema in den Fokus

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Die 54-jährige Luzia Schmid hat einen dichten Dok-Film gedreht, der Zugs Wandel zu einem Dreh- und Angelpunkt für globale Märkte zeigt.

Zug – In einer der ersten Einstellungen des Dokumentarfilms «Der Ast, auf dem ich sitze» sagt die ehemalige FDP-Kantonsrätin Andrea Hodel-Schmid: «Ich bin nicht stolz, aber ich finde es eine gute Sache.» Ihre Zuhörerin ist ihre Schwester Luzia Schmid, die dem Film in ihrer Rolle als dessen Regisseurin den Stempel aufgedrückt hat. Die 54-Jährige ist in Zug geboren und aufgewachsen, lebt aber mittlerweile seit rund 20 Jahren in Köln. So gesehen, ist die 102-minütige Produktion eine Aussensicht einer Zugerin auf ihre Heimat, in der sie sozialisiert wurde. Luzia Schmid steht auch zu ihrem Herkommen: «Als Auslandschweizerin habe ich Heimweh, meine Wurzeln sind in der Schweiz, ganz klar.» Aber auch Deutschland sei jetzt Heimat geworden. Nunmehr habe sie «zwei Heimaten» ohne irgendeine Form von Nationalstolz.

Der Blickwinkel, mit dem Luzia Schmid ihren Film aufbaut, verhilft der Produktion zu einer Tiefe, wie sie ein «Zuger» Zuger wohl nie geschafft hätte. Die Dokumentation verzichtet auf all die reisserischen Mittel, die gemeinhin solchen Zeugnissen innewohnen, welche über den Aufstieg des Kantons zu einer internationalen Handelsdrehscheibe berichten. Dass bei den Zuschauern keine aggressive Stimmung aufkommt, ist dem Umstand zu danken, dass Schmid auf harte Schnittfolgen im Stakkato-Stil verzichtet.

Die Regisseurin verfolgt mit dem Film keinesfalls einen Schmusekurs. Die Kernbotschaft von «Der Ast, auf dem ich sitze» umschreibt Schmid so: «Die gefährlichste Saat des Neoliberalismus war das Mantra, dass der Staat der Feind ist, wenn er die Wirtschaft reglementiert.» Das sei, so Schmid weiter, «verheerend und falsch». Dies deshalb, «weil wir die Wirtschaftsordnung, in der wir leben, gestaltet haben und nicht die da oben». Wettbewerb und stetiges Wachstum müsse, so die Dok-­Regisseurin, «schnellstmöglich den Lebensbedürfnissen aller Lebewesen auf diesem Planeten» angepasst werden.

Die Zuger Regisseurin drischt in ihrem aktuellen Werk aber nicht einfach offensichtliche Phrasen oder Argumente. Vielmehr lässt sie die verschiedenen Exponenten ihre Sicht der Dinge darlegen und schneidet hierbei den Interviewten nicht einfach das Wort ab. Sehr wertvoll ist für das Verständnis des nach dem Zweiten Weltkrieg unaufhaltsamen Aufstiegs des Standes Zug das Interview mit dem im Vorjahr verstorbenen ehemaligen Zuger Regierungsrat Georg Stucky. Der FDP-Politiker wirkte von 1975 bis 1990 an den wichtigen Steuerschalthebeln. Luzia Schmid erinnert sich gerne zurück: «Die beiden Gespräche mit ihm waren eine Freude. Ich hatte das Gefühl, ihm hat es auch Spass gemacht, nochmal über alles nachzudenken und zu erzählen.»

Das Vermächtnis des Baarer Politikers Georg Stucky

Vom FDP-Politiker Georg Stucky (1930–2020) wollte Schmid in Erfahrung bringen, welcher Geist damals geherrscht und ihn zu seinem Treiben angetrieben habe. Er spricht in der Dokumentation dann auch recht offen über das damalige Gebaren. Luzia Schmid hat jetzt auch ein Bild dieses Politikers: «Ich fand immer, dass er ein Aus­nahme-­Lokalpolitiker war. Old School, beinhart in der Sache, wenig Angst anzuecken, recht gelassen und äusserst korrekt.» Leider konnte Stucky den fertigen Film nicht mehr ansehen. Zum Abschied habe er ihr aber eine sehr freundliche Karte geschrieben. Schmid will dieses Schriftstück des Kantons-, Regierungs- und Nationalrats aufbewahren.

Der Dokumentarfilm über das Zuger Steuerparadies war am Zuger Filmfestival und am Zürich Festival zu sehen. Ebenso lief die Produktion bereits im Programm von 3sat. In der Mediathek dieses Senders ist die Dokumentation über das Steuerparadies noch bis am 14. März 2021 aufgeschaltet.

Schmids Dokumentarfilm läuft auch in Solothurn

Aktuell ist die Dokumentation im Programm der Solothurner Filmtage gelistet. Dieses Hochfest des Schweizer Films findet heuer vom 20. bis 27. Januar 2021 virtuell statt.

Schmid ist gespannt, wie die Dokumentation ankommt. Sie weiss immerhin: «Es hat mich gefreut, dass viele den Verzicht auf Polemik im Film schätzten. Das halte ich für ein ermuti­gendes Signal über den Film hinaus.» (Marco Morosoli)