Das Finale einer Ära spielt der Gründer selbst

Musik

,

Ein Lebenswerk findet seinen Schlusspunkt: Nach 43 Ausgaben enden die Internationalen Zuger Orgeltage. Gründer Olivier Eisenmann führt die Reihe nach Jahrzehnten voller Hingabe nicht weiter fort. Zum Finale an der Orgel lässt er die Tradition noch einmal richtig aufleben.

Zug –

Es sind die dreiundvierzigsten – und zugleich letzten – Internationalen Zuger Orgeltage, welche nun unmittelbar vor ihrem Finale stehen. Vor ihrem endgültigen Finale. In den vergangenen Jahren erwähnte der Gründer und musikalische Leiter Olivier Eisenmann jeweils, er sei nicht sicher, ob es noch eine weitere Ausgabe geben werde. Und doch hat der mittlerweile 85-jährige Musiker aus Weggis immer wieder die nötige Energie gefunden.

Doch nun erfolgt wirklich der Zapfenstreich. Nicht etwa aus gesundheitlichen Gründen, wie sie verdiente Menschen in fortgeschrittenem Alter häufig anführen, sondern es ist vor allem der administrative Aufwand, den Eisenmann nicht mehr zu betreiben bereit ist. Da ist einerseits die stets akribische, ausführliche und sorgfältige Erarbeitung des Konzertprogramms, auf die Olivier Eisenmann als Verfasser stets höchsten Wert gelegt hat. «Andererseits sind die Formalitäten und die Auflagen, die mit der Reservation der Kirchen und der Orgeln einhergehen, allmählich komplizierter, sprich die Anforderungen und administrativen Hürden stetig grösser geworden», stellt Eisenmann fest. «Die Organisation der Orgeltage bedeutete für mich jedes Jahr mindestens drei Monate Arbeit – Vollzeit wohlbemerkt.»

Konzerte wird es weiterhin geben

Aber sentimental gibt sich der viel gereiste, tourneenerprobte Musiker nicht, «denn es ist ja nicht etwa ein Abschied», beteuert er. Sein Wirken als aktiver Konzertorganist geht weiter. «Das gebe ich erst auf, wenn ich feststelle, dass mein Orgelspiel nachlässt.» So wird er punktuell weiterhin Konzerte im Stile der Zuger Orgeltage organisieren – ob mit ihm selbst am Instrument oder mit jemandem aus dem Ausland, wie es ein Markenzeichen der Orgelreihe ist respektive war. «Ich bin jederzeit bereit, weiterhin auf Anfrage Konzerte zu organisieren», sagt Eisenmann. Einzelne Gemeinden hätten hierfür bereits ihr Interesse kundgetan.

Wie viel unbekannte, auch exotische Orgelliteratur aus aller Herren Länder hat in den vergangenen vier Dekaden dank Eisenmann auf den Zuger Orgeln ihre Schweizer Premiere gefeiert, ja ist vielleicht zum ersten Mal überhaupt aufgeführt worden. So eine Ausdauer ist fraglos bewundernswert, erst recht angesichts der Tatsache, dass die Orgel in unseren Breitengraden nach wie vor einen schweren Stand hat, als ein Instrument rezipiert zu werden, das bei weitem nicht nur im kirchlichen, sondern genauso im säkularen Kontext gespielt werden kann.

«Hierzulande stehen die Orgeln nun mal meistens in den Kirchen und nicht – so wie beispielsweise in Russland – in Konzertsälen oder Auditorien», sagt Eisenmann. Da hafte dem Instrument zwangsläufig die Assoziation mit einem liturgischen Gebrauch an. «Und die allgemeine Bewegung der Gesellschaft weg von der Kirche hat ergo zur Folge, dass auch die Orgelmusik an Popularität einbüsst.» Somit sei es entsprechend schwierig, ein grösseres Publikum zu generieren. «Die Orgel war in der Antike ein weltliches Freiluft- und luxuriöses Palastinstrument», erwähnt Eisenmann und unternimmt einen kleinen Exkurs in die Geschichte des Instrumentes. Der Siegeszug der Orgel als Kircheninstrument sei aber seit ihrer Ablehnung durch die Kirchenväter ein mühsames Prozedere. «Auch in der Reformation lehnten Zwingli und Calvin die Orgel ab; sie galt noch um 1600 als ‹Tüfels-Sackpfyffen›.» In der katholischen Kirche habe Papst Pius X. Kompositionen mit Begleitung der Orgel erlaubt, nicht aber mit langen Präludien und Zwischenspielen. «Voll akzeptiert wurde die Orgel erst im 2. Vatikanischen Konzil 1962–1965.»

Redaktor, Lehrer und Berufsmusiker

Trotz des noch immer nicht leichten Standes der Orgel als Konzertinstrument konnten die Internationalen Zuger Orgeltage stets auf einen treuen Publikumsstamm zählen, der selbst bei sengendster Sommerhitze sich das klingende Erlebnis nicht nehmen wollte. Abgesehen davon stand dem künstlerischen Leiter bei der Organisation seit Anbeginn tatkräftig seine Musik- und Lebenspartnerin Verena Steffen zur Seite, mit der er seit 60 Jahren seine Wege geht.

Die Musik war Olivier Eisenmann in die Wiege gelegt worden. Sein Vater war der aus Stuttgart stammende Komponist Will Eisenmann (1906–1992), der sich 1934 gemeinsam mit seiner schlesischen Frau in der Schweiz niedergelassen hat. Sohn Olivier ist in Zürich geboren und hat seine Kindheit in der Leventina verbracht. Im Alter von fünf Jahren begann er mit dem Klavierspiel und trat mit acht zum ersten Mal auf. «Die Orgel habe ich relativ spät für mich entdeckt. Da war ich bereits 26», erinnert sich der studierte Musiker, Historiker und Germanist, der seine Doktorarbeit über das Thema «Friedrich der Grosse im Urteil seiner schweizerischen Mitwelt» schrieb und schliesslich in Werthenstein LU das Bürgerrecht erhielt.

Von 1976 bis 2004 unterrichtete Olivier Eisenmann nach einer mehrjährigen redaktionellen Tätigkeit bei den damaligen «Luzerner Neusten Nachrichten» (LNN) Geschichte an der Kantonsschule Zug, weshalb er zum Kanton einen entsprechend engen Draht und ihn zum Austragungsort seiner Orgelreihe erkoren hat, die er seit Anbeginn als sein persönliches Plädoyer für die Orgelmusik verstand.

Ein Triumphmarsch zum Schluss

So wird er das allerletzte Konzert seiner nun ein Ende findenden Orgelreihe als besonderen «Schlussakkord» gestalten. Olivier Eisenmann selbst sitzt an der Orgel der Reformierten Kirche in Zug und spielt ein breit gefächertes Programm mit mehreren Höhepunkten. Dazu gehören das Andante pastorale in F-Dur für Flöte und Orgel von Josef Gabriel Rheinberger, das er gemeinsam mit seiner Partnerin, der Flötistin Verena Steffen, interpretiert. Für dieselbe Besetzung ist Théodore Dubois’ Cantilène nuptiale in As-Dur geschrieben.

Besonders hervorzuheben an der Matinee sind die im Rahmen dieses Konzertes uraufgeführten «Lurnfelder Miniaturen» für Flöte und Orgel des zeitgenössischen österreichischen Komponisten Helmuth Franz Luksch (*1956). Eisenmann und Steffen sorgten beide bereits im vergangenen Jahr für eine Schweizer Luksch-Premiere. Orgelsolistisch steht an diesem Konzert der italienische Komponist Marco Enrico Bossi im Fokus, von dem Olivier Eisenmann zwei repräsentative Stücke interpretiert.

Mit dem Triumphmarsch in Es-Dur aus den «Douze Pièces Nouvelles» von Théodore Dubois verklingt schliesslich eine lange Zuger Orgeltradition kräftig und festlich.

Hinweis

Letztes Konzert der 43. Zuger Orgeltage am Sonntag, 22. Juni, um 11 Uhr in der Reformierten Kirche Zug. Eintritt frei (Kollekte).


(Text: Andreas Faessler)