Darum gibt es in Zug nur noch so wenige Buchhandlungen

Literatur & Gesellschaft

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Trotz Internet: Bücher in Papierform sind sehr beliebt. Doch längst nicht mehr überall können sich hier Buchläden behaupten.

  • Bücher, so weit das Auge reicht: ein Paradies für Leseratten vor allem, weil man die Bücher gratis mitnehmen und behalten kann. (Bild Stefan Kaiser)
    Bücher, so weit das Auge reicht: ein Paradies für Leseratten vor allem, weil man die Bücher gratis mitnehmen und behalten kann. (Bild Stefan Kaiser)

Baar – Kaum zu glauben: Baar hat aktuell mehr als 23 000 Einwohner und zählt plus/minus zu den 30 grössten Städten in der Schweiz. Eine Buchhandlung eine Selbstverständlichkeit im urbanen Angebot – gibts hier nicht. Und das schon seit Jahren. Obwohl, in der Heidengasse ist derzeit die Buchhandlung des Neue Stadt Verlags ansässig – sie hat vor allem religiöse Bücher im Sortiment. Und vor Jahren erfreute eine esoterische Buchhandlung geneigte Leser. Doch sonst war da bislang nicht viel.

«Zug ist zu nahe»

Dabei ist die Lesefreude der Baarer ungebrochen wie Grazia Portmann, Leiterin der Baarer Gemeindebibliothek, weiss. «Die Zahl der Ausleihen steigt von Jahr zu Jahr, wobei auch viele neue Medien nachgefragt werden.» Vor allem Neuerscheinungen seien bei den Ausleihen sehr beliebt. Das Buch in physischer Form sei nach wie vor sehr gefragt. Aber warum existiert dann in Baar keine Buchhandlung? «Das ist schwer zu sagen», räumt Portmann ein. «Wahrscheinlich ist die Konkurrenz in Zug zu nahe – wohin sowieso traditionell viele Baarer zum Einkaufen gehen.»

Zug, in der Tat. In der Kantonshauptstadt sind genau genommen die einzigen zwei Buchhandlungen verblieben. Seit 2006 residiert Bücher Balmer neu und sehr gross im City-Park, und in der Schmidgasse firmiert die gleichnamige Buchhandlung. Einzig in der hochfrequentierten Neustadt-Passage behauptet sich noch eine kleine Ex-libris-Filiale mit günstigen Angeboten. Und man kann natürlich in Steinhausen, im riesigen Einkaufszentrum Zugerland, im Büchergeschäft von Lüthy Balmer Stocker, noch Bücher erwerben auf 400 Quadratmeter rund 40 000 Buchtitel. Ganz schön gross.

Beratung beim Buchkauf gefragt

Filialleiterin Lucia Limacher von Lü­thy Balmer Stocker im Zugerland versichert, dass trotz der grossen Konkurrenz des Buchhandels durchs Internet und der seit 2007 fehlenden Buchpreisbindung Buchläden immer noch ein Geschäft sind. «Denn Bücher sind nach wie vor sehr beliebt. Und viele Leute schätzen heutzutage wieder mehr die persönliche Beratung weil es inzwischen so viele Neuerscheinungen gibt, dass es ziemlich unübersichtlich geworden ist», so Limacher. Zuvor arbeitete sie bei Bücher Balmer in den ehemaligen Filialen in der Zuger Neugasse und im Metalli-Center. Beide existieren nicht mehr. «Wir hatten sogar mehrere Stammkunden in der Metalli-Filiale, doch die Lage im City-Park war einfach zu nah am neuen, grossen Balmer-Standort», so Limacher. Die Filialleiterin stellt klar: «Stammkunden reichen heutzutage eben nicht mehr aus. Die Laufkundschaft ist sehr wichtig für Buchhandlungen.»

Umso erstaunlicher ist deshalb, dass die Buchhandlung Schmidgasse schon seit 35 Jahren in Zug residiert und sich auch in Balmer-Nähe halten kann. Geschäftsinhaberin Susanne Giger verrät ihr Geheimrezept: «Die Leute kommen zu mir, weil sie nicht einfach irgendein Buch kaufen möchten, sondern sie wissen genau, was sie wollen. Und sie wollen mit mir darüber reden können.» Susanne Gigers Stammkundschaft schätze vor allem den «persön­lichen Kontakt im Laden», erklärt sie weiter. Nicht zuletzt sei auch das Sortiment ein Grund, warum viele gezielt in das Geschäft neben dem Kino Seehof pilgern, denn oft stellten Kunden fest, dass sie hier Bücher finden, die sie anderswo in keinem Regal gesehen haben. «Persönliche Empfehlungen und eine gezielte Vorauswahl werden überdies als zuverlässiger Service angesehen», so die passionierte 54-jährige Buchhändlerin, die auch im Grossen Gemeinderat in Zug sitzt. «Ich habe ein Gespür für meine Kundschaft.»

Buchhandel nur noch als Hobby

Dieses Gespür hatte früher auch Johanna Häussler in ihrem Buechlade in Cham an der Knonauerstrasse. «Aber von einem solchen kleinen Laden kann man eben nicht mehr leben», erklärte sie. Für sie war der Buechlade in Randlage ein Hobby ein aufwendiges allerdings. Deshalb schloss sie 2011 nach fünf Jahren das Geschäft – das es zuvor 25 Jahre lang unter Edith Fasel als Institution im Ennetsee gegeben hatte und zu Beginn euphorisch begrüsst worden war.

Doch diese Zeiten sind anscheinend endgültig vorbei. Und das nicht nur wegen günstigerer Angebote im Internet. Denn auch in den Brockenhäusern der Frauenzentrale gibts inzwischen Bücher zuhauf. In gut erhaltenem Zustand. Für drei Franken pro Buch.

Konkurrenz der vielen Gratisbücher

In Baar stehen sogar Massen von Gratisbüchern im Angebot. Die Rede ist von der Halle 44, dem Zuger Projekt des Vereins für Arbeitsmarktmassnahmen für Stellensuchende. In der Altgasse leitet dort Anna Merz den Bücherservice. Sprich: Sie und ihre Mitarbeiter verwalten mehrere tausend abgegebene Bücher und bieten diese täglich Interessierten an. Für Leseratten ist das ein Paradies. Schliesslich kann jeder Besucher pro Tag bis zu zehn Bücher gratis mit nach Hause nehmen.

«Unser Angebot ist sehr beliebt. Pro Woche kommen 200 bis 300 Besucher bei uns vorbei Kinder, Erwachsene. Sie alle sind auf der Jagd nach einem Schnäppchen», berichtet Merz. Dabei seien die meisten Bücher in sehr gutem Zustand. «Manche sind sogar noch in Cellophan verpackt.» Die Projektleiterin ist aber überzeugt, dass die Halle 44 nur ein «ergänzendes Angebot» auf dem Zuger Buchmarkt ist. «Neuerscheinungen und neue Bücher können und wollen wir ja nicht anbieten.» (Wolfgang Holz)