Die «frechste» Krippe

Theater & Tanz

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Zum fünften Mal fand die Inszenierung der Geburt Jesu im Kunstkiosk Baar statt.

  • Krippenspiel einmal anders: Im Kunstkiosk wurde die Weihnachtsgeschichte auf ganz ungewohnte Weise interpretiert. (Bild Roger Zbinden)
    Krippenspiel einmal anders: Im Kunstkiosk wurde die Weihnachtsgeschichte auf ganz ungewohnte Weise interpretiert. (Bild Roger Zbinden)

Baar – «Mami, Mami, warum habe ich so grosse Augen?», schreit das soeben geborene Jesuskind. Und Gottesmutter Maria (Maria Greco) antwortet: «Damit du den Durchblick hast.» Die grüne Farbe des göttlichen Babys hat irgendwie mit den Affenpocken zu tun. Dann aber schreitet Josef (Severin Hofer) ein, denn die blonden Rastalocken seines Sprösslings gefallen ihm gar nicht: «Das ist kulturelle Aneignung!» Und so werden die an Schnüren aufgereihten Nudeln vom Kopf der Jesuspuppe demontiert.

Die Krippe ist ein Flitterbekränztes Holzpult. Der Stern von Bethlehem sprüht Funken aus Josefs Schleifmaschine, aber als der sich daran erinnert, dass ja Stromsparen angesagt sei, wird aus dem Himmelsgestirn ein «Sparstern». Der «blaue Ochs» (Patrick Hofer) steht daneben und wird aktiv, als es gilt, dem Jesuskind die rote und die weisse Socke zu waschen. Erzengel Gabriel (Babs Stehli) jedoch ist fast zu spät gekommen: Auf dem «Linienflug» zur Geburt Jesu ist ihm Shaqiri begegnet und hat ihn überzeugt, dass es «Wichtigeres im Leben» gäbe, nämlich das Fussballspiel in Katar, und so hat Gabriel einen Umweg gemacht. Das habe ihm gefallen, die Beerdigung davor habe er nicht gesehen. Jetzt aber ist er endlich da, gerade noch rechtzeitig, um alle zu begrüssen: «Liebe Hirten und Schäfer, Gender, Geschlechter und Hünd!»

Gesellschaft und Politik auf der Schippe

So geht es weiter am Sonntagabend im Kunstkiosk Baar, 30 Minuten lang. Das kleine Häuschen ist mit Zuschauenden vollgestopft, die 14 aufgestellten Stühle reichen bei weitem nicht aus. Alle wollen sie die «lebende Krippe» sehen, die zum fünften Mal humorvoll, satirisch und kurzweilig politische und gesellschaftliche Brennpunkte auf die Schippe nehmen will. Die Schauspielenden sind bühnen- oder humorerprobt: die Baarer Geschichtenerzählerin Maria Greco, der Chamer Humorkünstler Patrick Hofer, die Zürcher Comedy-Frau Babs Stehli und der Zuger Kindergartenlehrer Severin Hofer, der während des Corona-Lockdowns das Kinderbuch «Herr Stämpfli» verfasst hat.

Die «lebende Krippe» ist eine alte Theaterform, die mit den gegen Ende des 18. Jahrhunderts aufkommenden «tableaux vivants», den «lebenden Bildern» zusammenhängt: Lebendige Menschen stellen Werke aus Malerei und Plastik dar. Vor allem in Italien sind die «presepi viventi» eine beliebte Tradition, aber auch im deutschsprachigen Raum wird die Weihnachtsgeschichte mittels «lebender Krippen» nachempfunden.

Satire oder Realsatire?

«Aber keine ist so frech wie unsere», meint Maria Greco. Und so wird heuer aus dem Vollen geschöpft: Der Tannenbaum wird zum münzenbehangenen «Tännler-Baum» und erinnert an die zweifelhafte Geschichte mit dem sanktionierten russischen Oligarchen. Gesellschaftliche Empörungsstürme um Araber, Katarer, Schwule oder Gastarbeiter kommen ebenfalls dran.

Als das Jesuskind nach seiner Identität fragt, antwortet Mutter Maria: «Egal was du bist, eine Er oder eine Sie, Hauptsache kein Es!» Josef darf keinen Alkohol nach Arabien einschleppen. Aber als er dann eine Vivi-Kola-Flasche samt schwarzem Inhalt hervorkramt, schimpft ihn Engel Gabriel aus: «Das geht nicht, das ist Blackfacing!» Kaiser Augustus (Patrick Hofer) aber verteilt Panini-Bildchen mit Fussballer-Konterfeis im Publikum und ermahnt alle, sich ihre Nummer gut zu merken – schliesslich stehe eine Volkszählung bevor.

Alles wird verhunzt und verdreht. Nicht immer sehr verständlich. Als das Gotteskind am Ende fragt: «Mami, ist das jetzt eine Satire?», antwortet Maria: «Vielleicht ist es eher eine Realsatire.» (Text von Dorotea Bitterli)