Frisch’s Tell – wie es wirklich war

Literatur & Gesellschaft, Theater & Tanz, Musik

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Kultur Steinhausen und Bibliothek Steinhausen präsentieren: «Frisch’s Tell – wie es wirklich war». Eine szenisch-musikalische Lesung von Walter Sigi Arnold und Beat Föllmi nach Max Frischs «Wilhelm Tell für die Schule».

  • Walter Sigi Arnold (links)hat Frischs Interpretation der Tell-Geschichte bearbeitet und zusammen mit Musiker Beat Föllmi (rechts) für die Bühne adaptiert. (Bild PD)
    Walter Sigi Arnold (links)hat Frischs Interpretation der Tell-Geschichte bearbeitet und zusammen mit Musiker Beat Föllmi (rechts) für die Bühne adaptiert. (Bild PD)

Steinhausen – «Wilhelm Tell für die Schule». Die Bühne des Gemeindesaals in Steinhausen ist sozusagen zweigeteilt: Links ein karges Bühnenbild, bestehend aus Tisch und Stuhl für den Vorleser Walter Sigi Arnold und einem Garderobenständer für einige Requisiten, wie z. B. ein Wildheuerhemd und Tells Armbrust, die in dieser Geschichte von grosser Wichtigkeit ist.

Walter Sigi Arnold verkörpert auch den Begleiter, einen authentischen Kenner der Geschichte und der Gegend, in der Gestalt eines Urners. Dieser streut immer wieder Bemerkungen, Kommentare und Ergänzungen zum Geschehen in seinem Urner Dialekt dazwischen. Auf der rechten Seite der Bühne steht eine üppige Klanginstallation, eine Art Schlagzeug mit vielen weiteren Instrumenten und tönenden Objekten. Beat Föllmi mit seinen ausgefallenen Instrumenten, Klangobjekten und tönenden Gegenständen erzeugt eine Tonspur und eine Geräuschkulisse, die zu den verschiedenen Szenen und Spielorten passt. Zu hören ist unter anderem: Wellenschlag auf dem Urnersee, Pferdegetrappel von Gessler, Kuhgeläut auf der Alp, Windgeräusche des Föhns, Vogelgezwitscher, Jodelgesang. Der Urner Schauspieler Walter Sigi Arnold hat Frischs verfestigte Interpretation der Tell-Geschichte bearbeitet und zusammen mit Musiker Beat Föllmi und Regisseur Peter Fischli für die Bühne adaptiert, d. h. der 1971 bei Suhrkamp erschienene Text von Frisch soll die Geschichte von Wilhelm Tell aus der Sicht Gesslers erzählen. Eine andere Lesart soll eine verfestigte Interpretation auflösen und in Frage stellen.

Schillers Sagenheld wurde von Frisch demontiert

Frischs nüchterne, beinahe satirische Demontage unseres Nationalmythos war vor 50 Jahren ein Skandal. Dabei hat er die Tell-Story nur so erzählt, wie sie auch so gut hätte stattfinden können und wie sie mit gesundem Menschenverstand hätte ablaufen müssen. Aber natürlich hatte Frischs alltägliche, fast schon banale Dar­stellung der Tell-Geschichte keine Chance gegen Schillers Heldenepos. Die Tell-Sage zählt zu den berühmten nationalen Mythen. Seit Schiller gilt sie als klassischer Besitz von Triumph des Freiheitswillens über Unterdrückung.

An den Schulen wird sie so weitergereicht. Gerade für die Schule erzählt Max Frisch die Tell-Geschichte neu. Seine Sprache ist lakonisch, seine Darstellung souverän, ja heiter. Ein nationaler Mythos wird demontiert: Die Vorgänge von 1291 werden aus der Gegenwart gesehen und interpretiert. Mit Walter Sigi Arnold und Beat Föllmi im träfen Urner Dialekt präsentiert der Abend eine kluge, witzige und überraschende Sicht auf den Tell-Mythos. Dem aufmerksamen an­wesenden Publikum wurde mancher Lacher entlockt und unter kräftigem Applaus wurden die beiden Künstler entlassen.

Text von Jolanda Zenger für Kultur Steinhausen