Der Glaube an die Liebe
Theater & Tanz
Kein Zurück ins Paradies: Mit dem Zweifel zieht der Teufel ins Denken ein. Was die Dramaturgin schön formuliert, kann die Inszenierung nicht ganz so deutlich machen.
Zug – Die Bilder sind superschön. Schon bevor der Vorhang sich zur ersten Szene hebt, flimmert ein Video über diesen: Diffus bewegen sich die Umrisse eines Brautpaars zur oscarprämierten Ballade «Falling Slowly» des Iren Glen Hansard. «I don’t know you, but I want you.» Dann ist zu lesen, in grossen Lettern: «Othello & Desdemona».
Womit gleich zwei Dinge klar sind: Regisseur David Bösch fokussiert bei dieser Inszenierung des «Othello», die vor gut einem Jahr ihre Premiere am Schauspielhaus Bochum feierte, auf die Liebesgeschichte. Und: Da man das geliebte Gegenüber ja nie wirklich kennt, braucht es ein gewisses Vertrauen sonst kommt die Liebesbeziehung leicht zu Fall.
Bunte Konfetti und rote Herzen
In Böschs moderner Shakespeare-Inszenierung fällt so einiges: Ein betrunkener Cassio (Florian Lange), vom Posten des Leutnants gestürzt durch das intrigante Spiel seines Konkurrenten Jago (Felix Rech). Es fällt graues Licht durch die projizierten Glasquadrate am oberen Bühnenrand. Es fällt ein besticktes Taschentuch zu Boden, das später dem eifersüchtigen Othello (Matthias Redlhammer) Beweis genug sein wird für die vermeintliche Untreue seiner Frau Desdemona (Friederike Becht). Und es regnet bunte Konfetti, als Othello und Desdemona zur Hochzeit schreiten, ein rotes Herz wird zur Bühnenmitte heruntergelassen, Sterne wandern Lichtpunkten gleich über den Bühnenhintergrund.
Wer nicht fällt, das ist der Intrigant. Schlussendlich wird er alle zu Fall gebracht haben, die Toten, wie den noch übrig gebliebenen Othello, der zuletzt verzweifelt fragen wird: «Hat Gott denn keine Blitze mehr für einen wie den?» Im Programmheft schreibt Dramaturgin Sabine Reich: «Und Jago? Er hat gespielt und gewonnen. Doch wenn Jago gewinnt, ist die Welt verloren.»
Sehr schön zieht die Dramaturgin im Programmheft die Parallele von Shakespeares 1604 uraufgeführter Tragödie um Intrige und Eifersucht zu René Descartes’ berühmten Worten, 1628 formuliert: «Ich denke, also bin ich.» Beim Dichter wie beim Philosophen rücke der radikale Zweifel ins Zentrum. Sabine Reich: «Mit dem methodischen Zweifel zieht die Figur des Teufels in das Denken ein und wird sich einrichten in unseren Bildern von der Welt bis heute. Es gibt kein Zurück ins Paradies für den Liebenden wie für den Denkenden ist der Zweifel eine existenzielle Erfahrung.»
Womöglich ist Böschs Inszenierung einfach zu bunt, um Reflexionen über Gottvertrauen, Zweifel und rationales Denken einen grösseren Raum zu bieten. Im WAZ-Portal Derwesten.de hiess es nach der Premiere: «Eine verspielte Deutung, die aber kaum neue Einsichten über den Klassiker vermittelt.» Sehenswert ist die Inszenierung aber trotzdem. Mitunter etwas langatmig geraten, so begeistert sie dann doch immer wieder mit perfekt-poetischen oder ironisch-leichten Bildern.
Speziell Felix Rech als Intrigant Jago besticht mit der lässigen Eleganz des durchtrainierten und alles durchdenkenden Mannes. Grandios ist die Szene, in der er mit Cassio durch den Raum tanzt, Elvis singt dazu «Only fools rush in», und ein Taschentuch flattert leicht vom einen zum anderen und wieder zurück. Überhaupt gefallen die mit Musik (Karsten Riedel) unterlegten Szenen beinahe am besten. Musik wie Bühnenbild (Falko Herold) beeindrucken mit ihrem Mix aus Ästhetik und Kreativität.
Und trösten immer wieder darüber hinweg, dass man der Inszenierung das grosse Eifersuchtsdrama im Vordergrund nicht so ganz abnehmen will. Wenn Desdemona gegenüber Othello beteuert: «Ich bin deine treue Frau», dann wirkt das nicht ganz zeitgemäss. Darüber hinweg hilft nur die Ironie in Matthias Redlhammers Stimme.
Vorgetragen mit Witz und Wut
Besser gefällt da noch folgende, auch etwas angestaubte Weisheit, von Xenia Snagowski als Emilia am Bügelbrett mit Witz und Wut vorgetragen: «So lernt denn Männer, wenn ihr uns nicht ehrt, wir tun nichts Böses, das ihr uns nicht lehrt.» (Susanne Holz)