Komponistinnen kommen zu Ehren
Musik
Komponierende Frauen rücken langsam, aber endlich stärker ins Rampenlicht. In der Musikreihe Aegeri Concerts widmete die junge Pianistin Bridget Yee ihnen ein ganzes Programm.
Unterägeri – Es geschieht langsam, aber es geschieht: Komponierenden Frauen der Musikgeschichte wird allmählich eine breitere Wahrnehmung zuteil. Immer häufiger widmen ihnen Solo-Musikerinnen und -musiker wie auch renommierte Orchester Schwerpunktprogramme, welche aufzeigen, dass die «weibliche Musikgeschichte» aus mehr besteht als Clara Schumann und Fanny Mendelssohn-Hensel. Beide gehören zu den wenigen Frauen, deren Namen durchgehend präsent geblieben sind.
Komponierende Frauen standen nun auch im Rahmen der Musikreihe Aegeri Concerts in der Ägerihalle im Mittelpunkt: Mit der 21-jährigen malaysischen Pianistin Bridget Yee kamen am Dienstag Werke aus den vergangenen 200 Jahren – von der Romantik bis heute – zur Aufführung. Darunter die C-Moll-Sonate der erwähnten Fanny Mendelssohn-Hensel, geschrieben 1824, als sie gerade einmal 19 Jahre alt war. Die ihrem später viel berühmter gewordenen Bruder Felix gewidmete Sonate gilt als eines der Hauptwerke Mendelssohn-Hensels. Sie ist von hoher kompositorischer Reife mit persönlichem Tiefgang. Und genau dies schätzt auch die Interpretin Yee an diesem Werk. «Fanny Mendelssohn drückt darin aus, was und wie sie als junge Frau fühlte. Es ist, als würde man in ihr Tagebuch eintauchen», merkte Yee dazu an, die ihr eigenes Programm gleich selbst moderierte.
Der Mendelssohn-Sonate war ein reizendes Stück der polnischen Komponistin Hania Rani (*1990) vorausgegangen. Unter dem minimalistischen Titel «Sun» verarbeitet Rani simple Harmoniefolgen auf komplexe Weise und schafft mit zuweilen debussy'schen Anleihen sphärisch-meditative Klangbilder. Ganz anders an gelegt ist hingegen die Ballade der finnischen Komponistin Kaija Saariaho (1952-2023). Geschrieben 2005, alterniert das im klar zeitgenössischen Stil gehaltene Stück in sich kontrastreich zwischen zwei energiegeladenen Themen mit zahlreichen Dissonanzen.
Gubaidulinas kräftiger Schlussakkord
Mit den sechs «Romanzen ohne Worte» von Cécile Chaminade (1857-1944) schlug Bridget Yee den Bogen wieder zurück ins 19. Jahrhundert. Die spätromantischen Charakterstücke gehören zum lange vergessenen Repertoire der Komponistin, deren Name hingegen heute wieder häufiger in Konzertprogrammen auftaucht. «Ich bin glücklich, dass die Musik von Cécile Chaminade neu entdeckt wird», merkte Yee dazu an und betonte, wie sie an diesen Romanzen das Charmante, Elegante und Friedvolle schätzt, das ihnen innewohnt.
Das hinsichtlich Virtuosität und Klangfülle bis dahin insgesamt eher zurückhaltende Programm fand seinen Schlusspunkt in der kräftigen «Chaconne» von Sofia Gubaidulina, einer der bekannteren zeitgenössischen Komponistinnen, die erst im vergangenen Frühling verstorben ist. Das temperamentvolle Auftragsstück von 1962 ist energetisch so aufgeladen, kraftvoll und lautstark-dynamisch, dass Bridget Yee mit einer «versöhnlichen» Zugabe von Hania Rani den Anfang zum Schluss machte: Die Komposition «Glass» griff die sphärische Tonmalerei von «Sun» auf. Und so verklang das Klavierrezital mit sanftem Nachhall.
Bridget Yee interpretierte das stilistisch in sich stark variierende Programm mit grosser Souveränität, technisch einwandfrei und mit viel Hingabe – ohne viel Theatralik. Das liess die Zuhörenden sich ganz auf die Musik konzentrieren.
«Es gibt noch viel zu entdecken»
Die nicht alltägliche Werkwahl kam sichtlich gut an. Punkten konnte Yee vor allem mit ihrer Eigenmoderation, was eine ungewohnte Nähe zum Publikum schuf. Dies setzte sich im anschliessenden Künstlergespräch im Foyer der Ägerihalle fort, im Rahmen dessen die 21-Jährige ihre besondere Sympathie für die komponierenden Frauen der Musikgeschichte erklärte: «Werke von Frauen sind für mich emotional expressiver und im Allgemeinen von viel mehr Persönlichkeit geprägt als die Musik ihrer männlichen Kollegen», so Bridget Yee. «Es macht mir Freude, die ureigene Ausdrucksweise einer jeden dieser Frauen zu erspüren. Auf diesem Gebiet gibt es noch sehr viel zu entdecken.»
Das Konzert in der Ägerihalle, zu dessen Auftakt Schülerinnen und Schüler der Musikschule Unterägeri ein launiges Stück aus dem Filmmusical La La Land interpretierten, war Bridget Yees erster Auftritt in der Schweiz – und nicht der letzte: 2026 wird die Malaysierin im Rahmen des Lucerne Festivals zu erleben sein, wie Aegeri-Concerts-Gründerin Sabina Keresztes verrät. Auf Bridget Yee ist sie über ihre Bekanntschaft mit der Luzerner Mäzenin und Gründerin der Strebi-Stiftung Ursula Jones gekommen. Die heute 93-Jährige ist Mentorin und Unterstützerin des Jungtalents und war am Konzertabend persönlich anwesend.
Bridget Yee kam im Alter von 11 Jahren aus Malaysia nach London, um ihr Musikstudium aufzunehmen. Mittlerweile ist sie Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe, darunter der Windsor und Beecham Piano Competition, wo sie die Auszeichnung für die beste Gesamtleistung erhielt. 2020 gewann Yee den Internationalen Putra-Wettbewerb mit Ravels G-Dur-Konzert und war BBC Young Musician-Finalistin. Sie ist bereits weltweit aufgetreten und studiert derzeit mit Vollstipendium an der Royal Academy of Music in London. (Text: Andreas Faessler)
