Musikalische Feierstunden mit selten gehörter Musik

Musik

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Voll besetzte Kirche Oberwil im Publikumsbereich wie im Altarraum. Im Zentrum stand dieses Jahr die selten aufgeführte Messe von Dittersdorf.

Oberwil b. Zug – Man kennt sich, und so füllte die traditionelle «Musikalische Feierstunde» die Kirche Bruder Klaus in Oberwil ohne grosse Propaganda auch dieses Jahr bis auf den letzten Platz. Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Ein weiteres Mal hatte Armon Caviezel den umfangreichen Notentext mit dem Chor sorgfältig vorbereitet, und die etwas über 50 Mitwirkenden (Kirchenchor Oberwil und einige Zuzüger) bildeten einen in sich geschlossenen und homogenen Klangkörper. Das als ad hoc bezeichnete Orchester (Konzertmeisterin Romana Pezzani, Berufsmusiker und Laien gemischt) besteht jedes Jahr aus einem Stamm mehr oder weniger der gleichen Leute, was die musikalische Verständigung entschieden erleichtert.

Carl Ditters von Dittersdorf steht nach den Lebensdaten (17391799) an der Schwelle zwischen Barock und Klassik, was auch in der aufgeführten Missa solemnis in C seinen stilistischen Niederschlag fand. Die Messekomposition war wohl schon bei ihrer Entstehung eher für den Konzertsaal als für den traditionellen Gottesdienst gedacht. Wie viele seiner Zeitgenossen liess Dittersdorf sich vor allem in den längeren Messeteilen (Gloria und Credo) von der neu aufkommenden Sinfonie inspirieren. Zweimal wurde in mehrere ziemlich unabhängige Sätze unterteilt, die sich nach Grundtempo, Besetzung und Thematik klar voneinander abhoben. Zur gleichen Zeit begann bei vielen Komponisten die Schwerpunktverschiebung weg vom Chor zu den Solisten, und das Orchester emanzipierte von der Begleitfunktion zum selbstständigen Konzertieren.

Langer Schlussapplaus

Bei Dittersdorf waren diese Entwicklungen auch hörbar, aber noch nicht voll ausgeprägt. Der Chor umrahmte das Kyrie in traditioneller Weise; dazwischen lag jedoch ein Sopransolo, das mit seinen Koloraturen die wenig später entstandenen Konzertarien Mozarts vorauszunehmen schien. Der enge Wechsel zwischen Chor und einem Kammermusiktrio (Romana Pezzani, Violine, Jonas Iten, Cello, und Trudi Bitterli, Orgel) zu Beginn des «Gloria» wurde mit dem Ende des «Ersten Satzes» jäh abgebrochen. Interessant, dass nach einem extrem kurzen «Sanctus» das meist den Solisten anvertraute «Benedictus» beim Chor verblieb. So freute man sich über weite Strecken am abgerundeten und intonationssicheren Chorklang. Der klangvolle, aber fast nie komplizierte Satz wurde bis auf eine einzige Ausnahme im «Gloria» – sicher beherrscht.

Die beengten Platzverhältnisse auch für die Ausführenden veranlassten Armon Caviezel, die Solisten links hinter dem Orchester singen zu lassen, akustisch sicher nicht optimal. Optisch ungünstig wirkten auch zahlreiche oft nur für kurze Einsätze vorgenommene Platzwechsel. Die Sopranistin Maria Gianella liess sich von all dem nicht stören. In der Gestaltung des grossen Offertorium-Solos fand sie erneut den richtigen Weg zwischen dem geistlichen Text und der durch die Komposition vorgegebenen Verweltlichung. Auch der Bassist Alvin Muoth gestaltete stilgerecht; bei einzelnen Passagen wirkte er allerdings stimmlich leicht indisponiert. Mit weniger exponierten Einsätzen meist im Duett oder Quartett komplettierten Franziska Schnyder, Alt, und Georg Flouor, Tenor, die stilgerechte Gesamtleistung der Gesangssolisten.

Vorangegangen war das Konzert in f-Moll für (Bass-)Posaune und Streichorchester von Georg Friedrich Händel. In der vorgetragenen Bearbeitung beeindruckte vor allem die Virtuosität des Hauptsolisten Domenico Catalano, der sich nicht zu schade war, anschliessend im Ad-hoc-Orchester mitzuspielen. Eine Perle auch vom Chor her: Das in Originalsprache a cappella gesungene «Tebe Poem» überzeugte in gleicher Weise durch prägnante Gestaltung wie mit tadelloser Intonation bis ins Pianissimo. Der lang anhaltende Schlussapplaus wurde durch die Wiederholung des «Dona nobis pacem» verdankt. (Jürg Röthlisberger)