«Wir Menschen sind nur Besucher»

Dies & Das

,

Still und zurückhaltend wirken die beiden Figuren im Foyer der Ägerihalle. Hinter ihnen steht eine Haltung der Künstlerin, mit der sie die Menschen zur Reflexion über das irdische Dasein anregen möchte.

  • Im Foyer der Ägerihalle markieren «Die Besucher» still Präsenz. Angelika Dünner hat die lebensgrosse Skulptur aus Gips und Jute gefertigt. (Bild Werner Schelbert)
    Im Foyer der Ägerihalle markieren «Die Besucher» still Präsenz. Angelika Dünner hat die lebensgrosse Skulptur aus Gips und Jute gefertigt. (Bild Werner Schelbert)

Unterägeri – Wann immer man die Ägerihalle betritt für eine Veranstaltung – zwei Besucher sind schon da. Sie sind allerdings stumm und regungslos, markieren dennoch ausdrucksstarke Präsenz. Es sind ein Mann und eine Frau in Lebensgrösse mit aufrechter Haltung. Beide sind in Kleidung gehüllt, die auf einen naturverbundenen Charakter hinweist. Und senkt sich der Blick des Betrachters, so stellt er fest, dass die beiden nicht auf Füssen stehen, sondern einem wilden Wurzelgrund entwachsen.

«Die Besucher» – so der Name der Skulptur – sind das Werk von Angelika Dünner. Die gebürtige Deutsche lebt seit drei Jahren in Unterägeri und hat erst gegen Ende der letzten Dekade aktiv zur Kunst gefunden – als Autodidakt. Sie selbst blickt auf ein erfahrungsreiches Leben zurück mit Hochs und Tiefs. Zeiten des Unsesshaftseins und einer ausgedehnten Reisetätigkeit haben ihre Weltanschauung und den Blick auf sich selbst nachhaltig geprägt. Entsprechend bringt sie ihre Haltung heute in ihrer Kunst zum Ausdruck. Und in dieser Haltung steht der Mensch als wertvolles Individuum stets im Zentrum – der Mensch und die Natur, von der er sich nährt und in der er sich bewegt.

Das stille Paar im Foyer der Ägerihalle ist ein besonders starkes Zeugnis dieser Philosophie. Der Name des Kunstwerks bezieht sich nicht explizit auf die Besucher des Veranstaltungsortes, an dem sie stehen, vielmehr verkörpern sie den Menschen als Besucher auf der Erde – wenn man so will, kann die Skulptur als stille Mahnung verstanden werden, respektvoll mit Mutter Erde umzugehen. «Der Mensch sollte grundsätzlich so weit ein umsichtiges Leben führen, dass er dereinst in Würde auf die Erde zurückkehren kann», führt Angelika Dünner ihre Devise aus. «Denn das Leben ist ein laufender Lernprozess. Die grosse Kunst besteht jedoch darin, dies zu erkennen.»

Der starke Bezug der Künstlerin zu Mensch und Natur äussert sich nicht zuletzt auch im Material, mit dem sie arbeitet: Die Skulptur in der Ägerihalle besteht aus Gips und Jute. «Als Tochter eines Stuckateurs und einer Schneiderin ist mir dies praktisch mit auf den Weg gegeben worden», sagt Angelika Dünner. «Mich beeindruckt vor allem Gips als irdisches Material, in dem die Jahrtausende gespeichert› sind. Schon früh hat die Menschheit den Stoff für sich entdeckt. Gips ist so fragil wie unser Leben.» Besonders filigran wirken die Kleidung des Figurenpaars sowie das Kopfhaar der Frau. Mit einem aufwendigen Arbeitsprozess hat Angelika Dünner die Jutegewänder mit Gips verkleidet. Während die Köpfe und die Extremitäten der beiden in Vollgips gearbeitet sind, so bleibt der Korpus zwischen Kleidungsschicht und dem gegossenen Kern hohl – was Verletzlichkeit suggeriert. Dies wiederum verweist auf die Fragilität von Menschheit und Natur.

Die Idee zu «Die Besucher» ist aus dem Nichts entstanden, wie Angelika Dünner erklärt. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihr Schaffen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, hat sie von der Gemeinde Gelegenheit und Auftrag erhalten, für die Ägerihalle eine Skulptur anzufertigen. Selbst im fortgeschrittenen Prozess war für die Künstlerin nicht klar, was es schlussendlich werden würde. «Das Kunstwerk ist einfach entstanden – aus meinem Inneren. Die Kraft schöpfte ich aus der Tatsache, dass ich bin, wie ich bin. Und dies war schliesslich zielführend.» So erkennt sich Angelika Dünner auch selbst wieder in der Skulptur, hat sie doch früh ihre eigenen Wurzeln aufgegeben und sie wiederholt an anderen Ort neu geschlagen. Auch wenn sie gelegentlich den Boden unter den Füssen zu verlieren drohte, fand sie jeweils wieder zurück, wie sie erzählt.

Seit November 2017 haben die beiden stummen Besucher permanent einen Platz im Foyer der Ägerihalle, einem «Ort der Begegnung», und laden mit ihrer unaufdringlichen Gegenwart die Eintretenden zur Reflexion über das Menschsein. (Andreas Faessler)

Hinweis
Mit «Hingeschaut» gehen wir Details mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach. Frühere Beiträge finden Sie online unter www.zugerzeitung.ch/hingeschaut.