Sie hat die Bibliothek fit gemacht

Dies & Das, Literatur & Gesellschaft

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Das Anpacken und das Verändern liegt Pia Rutishauser im Blut. Die Bibliothek Zug hat davon profitiert. Kürzlich ist die gebürtige ­Bündnerin in Pension gegangen und verzichtet vorderhand auf einen klar strukturierten Plan für ihre Lebensgestaltung.

  • Pia Rutishauser hat in der Bibliothek Zug unter anderem die Digitalisierung vorangetrieben. (Bild Jan Pegoraro)
    Pia Rutishauser hat in der Bibliothek Zug unter anderem die Digitalisierung vorangetrieben. (Bild Jan Pegoraro)

Zug – Züge der Zürcher S-Bahnen fuhren in den 1990er-Jahren mit dem Slogan «Ich bin auch ein Schiff» und Busse mit dem Spruch «Ich bin auch ein Zug» durchs Land. Die Botschaft dahinter war: In welches öffentliche Verkehrsmittel ihr auch einsteigt, es läuft alles unter dem Dach des Zürcher Verkehrsverbundes. Die Bibliothek Zug ist natürlich weder ein Zug noch ein Bus. Sie ist vielmehr ein Flagschiff, unter dessen grossem Segel sich die verschiedensten Service-Einheiten angesammelt haben. Sie gilt in dieser Hinsicht auch als Leuchtturm.

Dass das Angebot der Bibliothek Zug in den vergangenen Jahren zusätzlich zum Buchverleih um weitere Sparten erweitert wurde, ist mitunter auch der Verdienst von Pia Rutishauser. Die gebürtige Bündnerin mit Wohnsitz im Kanton Aargau leitete bis am 30. Juni die Bibliothek im alten Kornhaus. Von sich selber sagt Rutishauser: «Ich bin eine Gestalterin. Ich will Veränderungen reinbringen. Etwas Bestehendes einfach weiterzuführen, ist eher nicht mein Ding.»

Die Mitarbeiter für die Ideen gewinnen

Rutishauser hatte also das Glück der Tüchtigen. Wie in vielen anderen Branchen betrifft die Digitalisierung das Kerngeschäft der Bibliotheken – die Ausleihe von Büchern aller Art – in ihren Grundfesten. Noch halten viele gerne ein Buch in die Hand, wer den Lesestoff nicht auch mittels anderer Kanäle zur Verfügung stellen kann, droht jedoch abgehängt zu werden. So ist die Bibliothek Zug heute auch ein Treffpunkt und ein Tagungsort.

Ihre Ideen umzusetzen wollte Pia Rutishauser aber nicht in ihrem stillen Kämmerlein. Am Anfang sei ein Konzept gestanden, wie die digitalen Herausforderungen umgesetzt werden könnten. Wichtig, sagt sie, sei gewesen, dass die Bibliotheksmitarbeiter sich mit ihren Ideen hätten identifizieren können. Diese Neuausrichtung sei «nicht für alle im Team aufgegangen». Das mag auch daher rühren, dass Rutishauser die Meinung vertrat, dass «der Generalist in der Bibliothek passé ist». Die Individualisierung hat Rutishauer dergestalt umgesetzt, dass jedem Mitarbeiter eine Haupttätigkeit und ein zweites Standbein zugebilligt wurde.

Mit der vorerwähnten Projektorganisation sind in den vergangenen fünf Jahren, in denen Pia Rutishauser die Bibliothek Zug führte, verschiedene Servicestationen hinzugekommen, für die anderswo viel Geld in die Hand zu nehmen wäre. Auf der Plattform Filmfriend mögen die neuen Hollywood-Blockbuster fehlen, aber es finden sich darauf andere Film-Fundstücke der edlen Art. Auf OverDrive lassen sich Zeitschriften aller Art lesen. Auf der Plattform Genios lassen sich 400 Zeitungen aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Österreich lesen. Bei diesem Service habe ihr, so Rutishauser, das Netzwerk geholfen, das sie während ihrer langjährigen Tätigkeit habe aufbauen können. Im Weiteren gibt es Zugänge zu E-Books und die Möglichkeit, Musik zu hören.

Der Blick zurück fällt positiv aus

Zum aktuellen Programm – derzeit noch unter strengen Coronavirus-Bedingungen – gehören auch Veranstaltungen aller Art. Rutishauser nennt hier etwa die Kriminacht, die in den vergangenen Jahren viel Publikum anzog. Dazu kommt die Studienbibliothek im alten Zeughaus, die für Badgeinhaber mittlerweile auch nutzbar ist, wenn die Bibliothek geschlossen ist. Aber da neben der Stadt auch der Kanton die Bibliothek bezuschussen, ist auch viel Zugerisches in den Magazinen eingelagert. In diesem Jahr ist noch umfangreiches Material von Doku-Zug ins Eigentum der Bibliothek eingegangen. Pia Rutishauser hat wahrlich viel bewegt und sagt bescheiden: «Ich bin froh, dass es so gut gekommen ist.»

Rutishauser kann aber nicht nur anpacken, auch das Loslassen hat sie verinnerlicht. Gefragt, wie sie nun ihr Rentnerinnen-Dasein organisiere, sagt sie: «Ich lasse es auf mich zukommen.» Sie könne sich auch vorstellen, etwas über das Arbeitsleben von Frauen in ihrem Heimatkanton Grau­bünden während des 19. Jahrhunderts schreiben. Vielleicht könnte Rutishausers engmaschiges und kompetentes Netzwerk auch mithelfen, die Menschen zusammenbringen, die es braucht, um die Zuger Kantonsgeschichte aufzuschreiben. Das wäre dann aber schon eher ein Jahrhundertprojekt. (Marco Morosoli)