«Die Korporationen sollen selbstbewusster auftreten»

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Sind Korporationen Relikte aus längst vergangenen Zeiten?

Unterägeri –  Wo sollen sich Korporationen heute positionieren? Und worin liegt die Zukunft dieser Körperschaft, die in der Schweiz eine zentrale Bedeutung hat? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Korporation Unterägeri am vergangenen Dienstagabend in der Ägerihalle. Die Gesprächsrunde zum Thema «Relikt mit Zukunft? Korporationen heute und morgen» bildet den Höhepunkt der Ausstellung «Prägend seit Jahrhunderten», in der die Unterägerer Korporation ihre Aufgaben und ihre Bedeutung über die Jahre hinweg präsentiert (die Ausstellung im Verwaltungsgebäude an der Zugerbergstrasse 32 läuft noch bis Ende November). «Zum Abschluss wollen wir über den Rand hinausschauen und den Blickwinkel öffnen», erklärt Projektleiter Michael Felber zu Beginn des Anlasses den zahlreich erschienenen Besuchern. Eingeladen zur Diskussionsrunde sind Manuela Wei­chelt-Picard, Direktorin des Innern des Kantons Zug, Rudolf Grüninger, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Bürgergemeinden und Korporationen, Christian Müller, Historiker und Journalist, sowie Heini Schmid, Baarer Rechtsanwalt und Kantonsrat. Moderiert wird das Gespräch von Christian Peter Meier, dem Chefredaktor dieser Zeitung.

«Wir leben in einer Welt von Klischees und Tabus», stellt Christian Müller zu Beginn seines Impulsreferates fest – und liefert gleich ein Beispiel für seine provokative Aussage: «Alles, was sich nicht in Privatbesitz befindet, ist den Menschen suspekt.» Dabei zitiert Müller den US-amerikanischen Ökologen Garrett Hardin, der mit seinen Studien zur «Tragik der Allmende» die Position vertrat, dass gemeinsames Bodenrecht zu Ausbeutung führe. Doch es gebe neben dem gescheiterten Kommunismus eben nicht nur das System des Finanzkapitalismus, das erfolgreich sei, widerspricht Müller. Vielmehr zeigten Institutionen wie die Migros, der Coop oder die Mobiliar, wie gut Genossenschaften funktionieren könnten.

Besteht überhaupt Reformbedarf?

Und so kommt der Referent von Klischees über den Kommunismus und die Genossenschaften zum eigentlichen Thema des Abends, den Korporationen. «Korporationen sind ideale Kombinationen aus zwei Systemen», hält Christian Müller fest. «Eigentum ist definiert als Eigentum, gleichzeitig hat aber jeder Teilhaber den gleichen Anteil. Es herrscht also Basisdemokratie.» In der Korporation gewinne nicht, wie im Finanzkapitalismus, der Stärkere. «Es gibt deshalb keinen Grund, Korporationen als Relikt zu bezeichnen.» Es gebe aber gute Gründe, über das Gebilde nachzudenken und es weiterzuentwickeln.

Doch besteht überhaupt Reformbedarf? Diese Frage wirft Christian Meier in die Runde, und Manuela Weichelt betont, dass es ihrer Ansicht nach eine gewisse Öffnung brauche: «Es sollen sich auch Leute in Korporationen engagieren können, die nicht hineingeboren werden.» Dieser Forderung steht Heini Schmid, selber aktiver «Korporatiönler» aus Baar, kritisch gegenüber. «Die Verbindung zum Eigentum ist wichtig. Korporationen konnten in der Vergangenheit nur überleben, weil nicht jeder dabei sein konnte.» Ein Spannungsfeld, das Rudolf Grüninger folgendermassen beschreibt: «Es ist in der Schweiz von Kanton zu Kanton und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich. Es gibt grosse, reiche Korporationen, aber auch kleine, schwächelnde.» Bei letzteren bestehe auf jeden Fall Handlungsbedarf.

Welche neuen Möglichkeiten also bieten sich für Korporationen? Könnte allenfalls der Staat Aufgaben an die Körperschaften übergeben? Dieser Ansatz ist gemäss Rudolf Grüninger in Zeiten des Spardrucks gar nicht so abwegig. Korporationen müssten sich aber dagegen wehren, auch weil zahlreiche Privatisierungsvorhaben ihre Existenz bedrohen würden. Er und seine Gesprächspartner sind sich einig, dass der Staat nicht «von oben herab» über Korporationen bestimmen darf. «Es muss aus der Organisation selbst herauskommen. Jene, die teilhaben, sollen bestimmen können», sagt Heini Schmid. Hier komme die Eigenverantwortung der Korporationsmitglieder zum Zug.

Zukunftsträchtiges Modell

Und genau diese Eigenverantwortung, organisiert in einem genossenschaftlichen Konstrukt, sehen die Gesprächsgäste als zukunftsträchtiges Modell. Christian Müller stellt treffend fest: «Korporationen müssen weiterhin Gutes tun, aber noch mehr darüber reden. Sie sollen selbstbewusster auftreten.» (Rahel Hug)