Der «erweiterte» Leidensweg Jesu

Dies & Das

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Traditionell besteht der Kreuzweg Christi seit Jahrhunderten aus 14 Stationen. Der Zyklus endet mit der Grablegung. In der Pfarrkirche St. Verena in Risch aber hängt eine 15. Station. Ist der Maler etwa übers Ziel hinausgeschossen?

  • Die XV. Kreuzwegstation von Franz Krombach in der Pfarrkirche von Risch zeigt die Kreuzauffindung durch die heilige Helena in Jerusalem. (Bild Andreas Faessler)
    Die XV. Kreuzwegstation von Franz Krombach in der Pfarrkirche von Risch zeigt die Kreuzauffindung durch die heilige Helena in Jerusalem. (Bild Andreas Faessler)

Risch – Fast in allen älteren Kirchengebäuden finden wir den Leidensweg Jesu Christi bildlich dargestellt. Häufig reihen sich die einzelnen Stationen als hochrechteckiger Bilderzyklus entlang den Seitenwänden des Kirchenschiffes oder an den Pfeilern. Der «klassische» Kreuzweg kam in der Zeit des Frühbarock um 1600 auf und umfasst traditionell 14 Stationen – er beginnt mit Jesu Verurteilung zum Tode und endet mit dessen Grablegung.

Einen besonders qualitätvollen Kreuzweg birgt die Pfarrkirche St.Verena in Risch. Dem aufmerksamen Betrachter aber dürfte auffallen, dass hier etwas von der Norm abweicht. Der Rischer Kreuzweg nämlich weist eine Station «zu viel» auf – es sind hier deren 15. Will man den Grund dafür suchen, so liefert ein genauerer Blick auf die untere rechte Ecke der 14. Station einen ersten Hinweis. Da steht «Franz Krombach, München, 1881». Der Urheber des Rischer Kreuzweges ist demnach ein namhafter Kirchenmaler aus Bayern. Franz Krombach (1853-1908) hat ab 1880 an die 30 Kirchen hauptsächlich in Deutschland, im Elsass und in der Schweiz mit Bilderzyklen von Leidensweg Jesu ausgestattet. Die Varianten mit 15 Stationen haben ihren Ursprung in Süddeutschland und kommen besonders gehäuft im Raum München-Augsburg vor. Krombach als Kind dieser Region dürfte diese regionale Besonderheit für manche seiner Auftragsarbeiten im Ausland adaptiert haben, so auch in Risch.

Was aber soll eine 15. Kreuzwegstation zeigen, wo doch mit der Grablege der Leidensweg Jesu endet? In den meisten Fällen ist eine gekrönte Frauengestalt abgebildet mit dem Kreuz Christi. Es ist die hl. Helena (ca. 250-330), römische Kaiserin und Mutter des Konstantin. Der Legende nach soll Helena, die sich im Alter von etwa 60 Jahren hatte taufen lassen, um 325 in Jerusalem nach dem Heiligen Grab gesucht haben. Dabei fand sie die Kreuze der beiden Schächer Dimas und Gestas sowie das Kreuz Christi. Helena liess es in Stücke zerlegen, nahm einen Teil mit nach Konstantinopel, der Rest verblieb in Jerusalem und gelangte später ins heutige Europa, unter anderem nach Rom in die Kirche Santa Croce in Gerusalemme und später in den Petersdom. Zwischen den 14 Kreuzwegstationen und der 15. liegen demnach über 300 Jahre. Auf das kirchliche Fest der Kreuzauffindung folgt das Fest der Kreuzerhöhung, an dem das «wahre Kreuz Christi» feierlichst dem Volke präsentiert wird.

Varianten der 15. Station

Die zeitlich aus dem Rahmen fallende 15. Kreuzwegstation mit der Kaiserin Helena ist somit eine Art Anhängsel am traditionellen Leidensweg Jesu. Es gibt auch Varianten mit anderen Szenen im Nachgang zur Grablegung: Ebenfalls verbreitet – und bei modernen Kreuzwegen beliebt – ist etwa jene der Auferstehung, welche Jesus als von den Toten Auferstandenen zeigt. Es gibt auch thematische Varianten mit den Frauen vor dem leeren Grab. Und nach der Tradition des Franziskanerpaters Leonardo da Porto Maurizio (1676-1751) zeigt die 15. Station das jeweilige Gotteshaus, in dem sie sich befindet, als Grabeskirche. Seltener ist die Begegnung Jesu mit den Emmausjüngern als 15. Station.

Gekrönte Adlige im edlen Gewand

Franz Krombach malt seine hl. Helena in traditioneller Weise als gekrönte, prächtig gekleidete Adlige, mit dem rechten Arm das Kreuz Christi haltend. Vorbild für Krombachs 15. Kreuzwegstation in der Rischer Pfarrkirche dürfte womöglich die monumentale Helena-Figur von Andrea Bolgi (1606-1605) in der Vierung des Petersdoms in Rom gewesen sein. (Andreas Faessler)

Hinweis
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