Das Haus der Jumpfer Weiss

Dies & Das

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Die Adresse Guggiweg 1 ist besonders geschichtsträchtig. Das Gebäude stand bis 1913 an einem anderen Ort und gehörte einem Zuger Stadtoriginal.

  • Seit 1913 steht das Haus am Guggiweg. Es ist einer der letzten Zeugen der alten Bebauung an der Zuger Bahnhofstrasse. (Bild Stefan Kaiser)
    Seit 1913 steht das Haus am Guggiweg. Es ist einer der letzten Zeugen der alten Bebauung an der Zuger Bahnhofstrasse. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Heimelig, beschaulich und hübsch ist es, und es steht mitten in der Stadt. Das Haus am Guggiweg 1 erzählt eine aufregende Geschichte - es stand nicht immer an jener Stelle. Doch alles von vorn: Vielen Zugern dürfte die Person der Katharina Weiss noch ein Begriff sein. Geboren im Februar 1834, ging die Zugerin später als eine der ersten und bekanntesten professionellen Fotografinnen in die Schweizer Geschichte ein. Sie war zeitlebens ledig, weshalb sie den damaligen Gepflogenheiten entsprechend mit dem Prädikat der Jungfrau «geadelt» wurde.

Aufgewachsen in der Chollermühle, wurde sie erfolgreiche «Photographistin», machte sich damit einen Namen und bezog um 1866 ein einfaches Atelier in der Stadt am sogenannten «Dreiangel». Dieser lag an der Bahnhofstrasse, grob gesagt ungefähr da, wo heute der Franz Carl Weber seine Filiale hat. Kaum zwei Jahre vergingen, da übernahm die Jumpfer Weiss das Fotografengeschäft von Joseph Schmid in der Vorstadt, doch wegen des offenbar gut laufenden Geschäfts liess sie sich bald ein eigenes Haus errichten, in dem sie ab 1872 wohnte und gleichsam ihr Fotoatelier betrieb.

 

Das Haus lag ebenfalls im Dreiangel, an der heutigen Bahnhofstrasse 32. «Kathri» Weiss liess dieses Haus fortan auf jeder ihrer Fotografien als Firmenzeichen abdrucken (kleines Bild) mit dem Zusatzvermerk «Photographie von Jgfr. Kathr. Weiss, Zug, Bahnhofs-Strasse». Es handelte sich um ein chaletartiges Haus im Fachwerkstil mit Erker und seitlichem Anbau, wo die Fotografin ihr Atelier eingerichtet hatte. Bis zu ihrem Tod im November 1911 wohnte die Jungfrau Weiss in ihrem Häuschen an der Bahnhofstrasse. Ein Jahr nach ihrem Ableben planten Dagobert Keiser und Richard Bracher, das bedeutende Zuger Architektenduo der Jahrhundertwende, die Abtragung des Weiss’schen Wohn- und Atelierhauses. Es sollte an einem neuen Ort wieder errichtet werden.

Dieser Plan wurde schliesslich im Jahr 1913 umgesetzt. Als Zweifamilienhaus mit zwei Dreizimmerwohnungen für Drechslermeister Heinrich Luthiger wurde es am heutigen Standort am Beginn des Guggiwegs aufgestellt, gute 100 Meter östlich seines alten Platzes jenseits der Bahnlinie. Gemäss dem historischen Baubeschrieb wurde das Gebäude im Inneren nur unwesentlich verändert. Äusserlich hat es mit dem ursprünglichen Bau von 1872 jedoch kaum mehr etwas gemein, abgesehen vom Grundriss (ohne Anbau). Kurz nach der Neuerrichtung am Guggiweg erhielt das Haus vom Architekten Carl Peikert, einem seit 1899 in Zug sesshaften gebürtigen Schlesier, einen Aufbau aus Holz. Gleichzeitig wurde es mit einem massiven, westlich hervortretenden Sockelgeschoss mit grosser Veranda versehen. Als Auftraggeberin hierfür wird eine Frau Martha Anna Hotz-Keiser genannt.

Das ehemalige Haus der Jumpfer Kathri Weiss ist eines der wenigen Relikte - wenn nicht das einzige - der alten Bebauung entlang der Zuger Bahnhofstrasse. Die Folgeüberbauung und auch der heutige moderne Komplex am ehemaligen Dreiangel trug und trägt noch immer die Bezeichnung «Katharinenhof» im Gedenken an die bedeutende Berufsfrau, die vielen Zugern noch lange im Gedächtnis blieb. Sie galt nämlich nicht nur als bekannte Fotografin, welcher die Nachwelt einen beachtlichen Fundus an wertvollen Ansichten Zugs von anno dazumal verdankt. Nein, sie war gleichsam ein Stadtoriginal mit einigen liebenswürdigen Marotten. Es war nicht nur ihre ausgeprägte Tierliebe, ihr weithin hörbarer Gesang oder ihre stets extravagante Kluft mit den kühnsten Hutkreationen. Es kursierten zahllose Erzählungen und Anekdoten über die fotografierende Jungfrau, die übrigens geschlagene sechs Jahrzehnte als begnadete Kirchensängerin aktiv gewesen sein soll.

Aktuell wissen die heutigen Bewohner die Geschichte des Hauses zu würdigen: An der Fassade prangt eine grosse 100. So viele Jahre steht das ehemalige Haus der Jungfrau Katharina Weiss nun schon am Guggiweg und setzt einen interessanten Akzent, sieht es doch eher wie ein beschauliches Landhäuschen mit Garten am Dorfesrand aus und nicht etwa wie ein Wohnhaus mitten in einer Stadt. (Andreas Faessler)

HINWEIS
Mit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.