Marignano aus berufener Zuger Sicht
Dies & Das
Ein spannender Vortrag über die Schlacht bei Marignano und warum das Tessin heute zur Schweiz gehört.
Zug – In seinem fesselnden Vortrag verriet der Historiker Ueli Ess aufschlussreiche Ergebnisse seiner minutiös erarbeiteten Spurensuche nach Zuger Schicksalen rund um die Schlacht bei Marignano im Jahre 1515.
Mit Leichtigkeit füllte sich der kleine Casinosaal zum Bersten, gebietet doch das einstmalige Vorstandsmitglied des Historischen Vereins des Kantons Zug über einen exzellenten Ruf als seriöser Forscher und blendender Vermittler seiner gewonnenen Erkenntnisse, eindrucksvoll exemplifiziert an den berührenden, zugbezogenen Betrachtungen über die «Grossmetzgete» (Peter von Matt) von Marignano mit 14 000 Toten, zur Hälfte Eidgenossen, Tausenden Verkrüppelter und einer Unzahl menschlicher Schicksale wie jenes eines Zweiges der Ägerer Familie Iten, von welcher der Vater, zwei Söhne und als ein weiterer Verwandter Jost Job fielen, dessen Witwe Heinrich Schönbrunner ehelichte. Beteiligter und bedeutsamer Schriftsteller: Werner Steiner. Dieser hatte als 17-Jähriger (!) das fürchterliche Gemetzel überlebt und verfasste ein Diarium, welches zusammen mit der erst 1532 publizierten Mailänder Chronik des Altammanns Werner Steiner neben drei grossen Chroniken von Nichtzugern zu den Hauptquellen zählt, woraus Ess fast unerschöpflich geistige Tranksame ausgoss! Bei Steiner zumal, der als 65-Jähriger das 3. Zuger Aufgebot des 26. Augusts kommandierte, beeindruckten Schrift, Sprache und Aura gleichermassen. Sein Sohn Michael amtete als Fähnrich des 1., durch Hauptmann Thomas Stocker befehligten Auszuges vom Mai. Ammann Johann Schwarzmurer, der den 2. Auszug anführte, stellte der Soldat und Künstler Urs Graf als freudvollen Bannerträger dar, welcher 1512 als Bevollmächtigter der Eidgenossen dem neuen Fürsten Massimiliano Sforza feierlich die Schlüssel Mailands überreichte.
Langer Weg
Wie der Historiker herausstrich, legten die zwar nicht sonderlich kriegsbegeisterten Zuger die 267 Kilometer messende, passgarnierte Strecke bis nach Varese in bloss sieben Tagen zurück notabene mit voller Ausrüstung und Bewaffnung! Nicht umsonst notierte der sensible Beobachter Steiner, welchem auch Feldprediger Ulrich Zwingli nicht entging: «Wäre man seiner Lehre gefolgt, hätte man ganz viel Schaden vermeiden können!»
Trotz Friedensvertrags die Schlacht
Doch selbst unabhängig dessen hing eigentlich die Versöhnung in der Luft, signierten doch eidgenössische Verhandlungsführer darunter die Zuger Altammann Caspar Iten von der erwähnten Familie, Thomas Stocker und Johann Meyenberg – am 5. September mit Deputierten des französischen Königs Franz I. in Gallarate einen obendrein auf ihren Forderungen basierenden Friedensvertrag, worauf die Kontingente der eidgenössischen Weststände bereits heimmarschierten. Nicht ohne bittere Ironie legte der Referent dar, dass der Friede des 7. Novembers nur geringfügig vom vorausgegangenen Vertrag abwich – es hätte folglich dieses ungeheuren Blutzolls gar nicht bedurft! König Franz zahlte selbst als Sieger Unsummen an die Verlierer und überliess ihnen gegen hohe Summen das Veltlin, wollte er doch alsbald wieder Söldner unter ihnen einstellen!
Am 13. September säten die sogenannten Kriegsgemeinden eitel Zwietracht unter die Eidgenossen, die Zuger zählten zu den Heimkehrwilligen, alles stand auf des Messers Schneide da lösten die Mailänder Schlossknechte einen falschen Grossalarm aus, alle übrigen Zentralschweizer liefen los, die Übrigen widerwillig hintendrein – voll ins Verderben! Die zitatreiche Detailschilderung des Historikers über dieses zweitägige mörderische Schlagen, Hauen, Stechen bei Kälte und Nässe in unwegsamem Gelände mit 250 gefallenen Zugern – und alles «nur öder Herren und schnöden Geldes halber», wie Steiner versteinert konstatiert, bleibe der geneigten Leserschaft erspart. In der entstandenen Pattsituation führte die verstärkende venezianische Reiterei die Entscheidung herbei. Mit einem Kuriosum schloss Ueli Ess seinen fulminanten Vortrag ab: Den Ständen Uri, Schwyz, Zürich, Basel und Schaffhausen, welche das Friedensabkommen nicht unterzeichneten, verdanken wir den Verbleib des Tessins in der Eidgenossenschaft!
Für den Historischen Verein des Kantons Zug: Jürg Johner