Marlies Rust hat ihr Leben ganz dem Jodeln verschrieben

Brauchtum & Geschichte, Musik

,

Sechs Jahrzehnte lang sang die 76-Jährige im Jodlerklub Edelweiss Walchwil mit. Doch jetzt möchte sie die Bühne den «Jungen» überlassen.

  • Nach 60 Jahren Vereinsleben verlässt Marlies Rust den Jodlerklub Edelweiss Walchwil. (Bilder Maria Schmid)
    Nach 60 Jahren Vereinsleben verlässt Marlies Rust den Jodlerklub Edelweiss Walchwil. (Bilder Maria Schmid)
  • Das Lampenfieber vor Auftritten ist die Walchwilerin nie ganz losgeworden. Angesehen hat man es ihr nie. (Bilder Maria Schmid)
    Das Lampenfieber vor Auftritten ist die Walchwilerin nie ganz losgeworden. Angesehen hat man es ihr nie. (Bilder Maria Schmid)

Walchwil – Bereits ab der dritten Klasse sang Marlies Rust im Kinderchor in Unterägeri. «Ich wuchs im Ägerital auf. Später sind wir auf den Walchwilerberg gezogen, und ich habe als junges Mädchen angefangen, im Walchwiler Kirchenchor zu singen», erinnert sich die 76-jährige zurück. Das Singen hat sie ihr Leben lang begleitet. Mit nicht ganz 16 Jahren, anno 1963, kam sie über einen Kollegen des Kirchenchors zum Jodlerklub Edelweiss in Walchwil. «Sie brauchten damals dringend eine Solo-Jodelstimme im Jodlerklub, der zu diesem Zeitpunkt nur aus Männern bestand. Bis 1968 war ich die einzige Frau im Verein», so Rust.

Ganze 60 Jahre blieb sie als Aktivjodlerin dem Jodlerklub Edelweiss aus Walchwil treu. «Für mich war es weniger wichtig, ob es nun Jodeln ist oder eine andere Singart. Ich wollte einfach singen», fährt die gelernte technische Zeichnerin fort. Anfangs nahm sie noch Jodelunterricht in Kilchberg im Kanton Zürich.

Reisen nach Südafrika, Kanada und Dubai

«Früher ging man noch nicht in den Ausgang wie heute. Es war eine andere Zeit. Man ging damals in Vereine, um unter Freunden zu sein. Pro Jahr hatten wir etwa an 100 Tagen Proben und Auftritte an Festen oder Geburtstagen. Es war eine intensive Zeit», sagt Marlies Rust. Nun möchte die Mutter von drei erwachsenen Töchtern die Bühne frei machen für die «Jungen». Mit dem Alter erforderte das Einsingen immer mehr Zeit, und das Auswendiglernen der Liedtexte wurde immer anspruchsvoller.

Doch Jodler-Nachwuchs lässt sich nicht mehr so einfach finden, verrät sie. «Mittlerweile gibt es so viele Freizeitangebote, und viele wollen keine Verpflichtungen eingehen. Das ist schade. Heute sind es eher die Männerstimmen, die fehlen.» Der Club würde deswegen immer wieder offene Schnupperproben organisieren.

Die Kameradschaft, die in der Jodlerszene besonders gut ist, hat Rust immer sehr geschätzt. Besonders in Erinnerung sind ihr die vielen gemeinsamen Reisen geblieben. «Wir waren beispielsweise zusammen mit dem Jodlerklub vom Ägerital 1996 in Südamerika zu Besuch in der brasilianischen Obwaldner-Kolonie Helvetia. Auch in Südafrika und Kanada durften wir Menschen mit unserem Jodelgesang erfreuen», zählt Rust auf.

Auch im Auftrag von Tourismus Schweiz waren sie in São Paulo und in Jordanien für Schweizer Firmen, die den dortigen Einheimischen die Schweizer Folklore und Kultur aufzeigen wollten. «Ebenfalls sind wir nach Istanbul und Ankara für die 1.-August-Feiern in den dortigen Schweizer Niederlassungen gereist. Als Letztes war ich vor einigen Jahren in Dubai und durfte dort einige Jodellieder zum Besten geben», erinnert sie sich zurück. Was sich in all den Jahren nicht geändert hat, sei das lästige Lampenfieber vor den Auftritten: «Auch wenn man es mir nicht anmerkt, ich bin stets nervös, bevor ich auf die Bühne gehe. Ich muss dann jeweils vorher ein paar Mal tief durchatmen und Wasser trinken.»

Nun steht Englisch lernen auf dem Plan

In Walchwil können sich viele noch nicht so recht vorstellen, Marlies Rust bald nicht mehr in den Reihen des Jodlerklubs zu sehen. Ganz aufhören zu singen werde sie aber nicht. «Ich werde weiterhin mit meiner Duett-Partnerin üben und auf Wunsch auch mal mit ihr auftreten», stellt Rust in Aussicht. Sie möchte nun Neues ausprobieren, wie zum Beispiel aktuell einen Online-Englischkurs.

Mit der GV im Januar 2024 tritt Rust in den Ruhestand. Am Samstag, 18. November, im Rahmen des «Heimatabigs Walchwil» wird sie zum letzten Mal mit dem Jodlerklub auftreten. Unter anderem mit dem Lied «Bärgarve», das sie bei der allerersten Probe im Jahre 1963 gelernt hatte. «Dass ich mit jenem Lied, mit dem meine Aktivzeit startete, sie auch beenden darf, freut mich sehr.» (Text von Tijana Nikolic)

 

Hinweis Die Aufführungen des «Heimatabigs» finden am Samstag um 14 und 20 Uhr im Gemeindesaal Walchwil statt. Der Eintritt ist frei. Weitere Infos finden Sie unter www.jodlerklub-edelweiss.ch.