«Mare» von Andrea Štaka schaut man jetzt zu Hause

Film & Multimedia

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Wie Schweizer Kinos und Verleiher in der Corona-Krise nach Lösungen suchen, ihre Filme trotzdem zu zeigen.

Zug – Das Hollywoodstudio Universal Pictures will Filme gleichzeitig mit dem geplanten Kinostart auf Video-on-Demand (VoD) verfügbar machen und reagiert so direkt auf die Corona-Krise. Erstes Beispiel: das Animationssequel «Trolls World Tour» mit US-Start am 10. April. Für eine Leihdauer von 48 Stunden zahlt das US-Publikum knapp 20 Dollar. Es betrifft aber auch Filme, die seit einigen Wochen in den Kinos waren, wie etwa die Jane-Austen-Verfilmung «Emma». Und Warner Brothers vertreibt «Birds Of Prey» bereits ab 24. März auf Amazon oder iTunes.

Aber nicht nur Hollywood setzt auf Heimkino. In Zeiten von Corona macht das im Urheberrechtsgesetz festgelegte Auswertungsfenster einfach keinen Sinn: Die Filme laufen in der Schweiz vier Monate exklusiv im Kino, bevor sie für weitere Kanäle wie VoD, DVD oder Fernsehen freigegeben werden.

«Absolute Ausnahmesituation» verändert alles

So zeigt der Schweizer Weltkino-Verleih Trigon-Film seit Montag das energetische Liebesdrama «Ema y Gastón» des Chilenen Pablo Larraín auf VoD. Der Film war vier Tage vor dem Lockdown in den Deutschschweizer Kinos angelaufen. Mit «filmingo» betreibt die Schweizer Stiftung ihren eigenen Streaming-Dienst mit einer kuratierten Auswahl an Arthouse-Filmen, der auch unabhängigen Schweizer Filmverleihen wie der Filmcoopi oder Cineworx eine Plattform bietet. «Wir haben bei ‹Ema y Gastón› alle Rechte und konnten daher in dieser absoluten Ausnahmesituation selber entscheiden, dass wir den Film jetzt im Streaming starten», erklärt Kathrin Kocher von Trigon-Film auf Nachfrage.

Mit «You Will Die At 20» (siehe Box) zeigt Trigon-Film auf filmingo seit gestern auch einen Film, der erst im Wettbewerb des Filmfestivals Freiburg (20. bis 28. März) seine Schweizer Premiere hätte feiern sollen. Kommt der Film also gar nicht mehr ins Kino? «‹You Will Die At 20› hätte danach direkt in der Romandie starten sollen, in der Deutschschweiz war er für einen Start im Juni vorgemerkt», sagt Kocher. «Aufgrund der aktuellen Situation und eines zu erwartenden extrem grossen Filmangebots im Herbst werden wir dafür keinen eigenen Start mehr suchen.» Der Film sei aber nach wie vor buchbar, und es ist nicht auszuschliessen, dass Programmkinos ihn auch zeigen werden, wenn die Krise vorüber ist.

Solidarität zeigen ­ mit der Schweizer Filmbranche

Auch die Filmcoopi Zürich, die den Oscar-Gewinner «Parasite» im Verleih hat, sucht nach Wegen, das VoD-Release-Datum bei einzelnen bereits gestarteten Filmen nach vorne zu schieben und sie schnellstmöglich zugänglich zu machen, wie Marco Brazerol auf Anfrage mitteilt. «Aus rechtlichen Gründen sind wir aber abhängig von unseren Nachbarländern, die ihre eigenen gesetzlichen Vorgaben haben», sagt der Verantwortliche für Programmation und Einkauf. Es sei bis anhin bei keinem Film geplant, den Kinostart komplett wegzulassen, und ihn direkt auf VoD zu veröffentlichen.

Filme wie «Parasite» sollte man eigentlich im Kino sehen und nicht zu Hause auf dem kleinen Bildschirm. Das sahen sehr viele Schweizer so, die auch nach seinem VoD-Release in grosser Zahl ins Kino strömten. Das Gleiche gilt auch für den auf analogem Filmmaterial gedrehten «Mare» (siehe Ausgabe vom 7. März) von Andrea Štaka, dessen körnige Bilder nur auf der grossen Leinwand ihre ganze sinnliche Kraft entfalten. Aber besser als nichts, sagen sich die Kinos und Filmverleiher – insbesondere bei einem Schweizer Film, der ebenfalls erst am 12. März angelaufen ist. Am Mittwoch reagierten deshalb weitere unabhängige Schweizer Verleiher wie Frenetic: «Mare» kann man seit Mittwoch auf den Plattformen cinefile.ch von Andreas Furler, ehemaliger Leiter des Filmpodiums Zürich, und myfilm.ch des kult.kinos Basel für den Preis von 16 Franken mieten – das ist immer noch ein bisschen günstiger als Kino. Ebenfalls auf myfilm.ch: Die römische Rentner-Tragikomödie «Cittadini del mondo» (siehe Ausgabe vom 12. März) von Gianni Di Gregorio und der lakonisch-melancholische «About Endlessness» des Schweden Roy Andersson. Beide sind bei Xenix im Verleih und zum Kinopreis von 18 Franken zu haben.

Die Zusammenarbeit mit den Kinos ist dabei essenziell. Hebt der Bundesrat die Kinoschliessungen auf, sollen die Filme wieder zurück ins Lichtspielhaus. Namentlich die Kinos kult.kino Basel, Quinnie Cinema Bern, Cinevital Biel, Riffraff Zürich, Bourbaki Luzern und Kinok St.Gallen würden die Initiative unterstützen, heisst es in der Medienmitteilung. Und als Kinoliebhaber kann man jetzt ganz konkret mithelfen, indem man die kuratierten Schweizer Streamingportale nutzt. (Regina Grüter)

Laufende Informationen auf Twitter: #StayHomeWatchMovies und #SpreadMoviesNotCorona. Das internationale Dokumentarfilmfestival Visions du Réel (24.4.–2.5.), Nyon, bereitet ein «Internet-Festival» vor.