Der Stein ist noch immer verschollen

Literatur & Gesellschaft

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Der Zuger Autor Thomas Hürlimann las bei Bücher Balmer aus dem neuen Roman «Der rote Diamant» – ergänzt mit heiteren Episoden.

  • Autor Thomas Hürlimann widmet sich den Fragen von Kulturmoderatorin Luzia Stettler. (Bild Matthias Jurt )
    Autor Thomas Hürlimann widmet sich den Fragen von Kulturmoderatorin Luzia Stettler. (Bild Matthias Jurt )

Zug – Der Anlass war für Thomas Hürlimann ein Heimspiel, obwohl er, wie er am Freitag anfangs erwähnte, aus gesundheitlichen Gründen nur selten auftritt. Doch Zug bildet da eine Ausnahme, denn hier kennt man ihn, manche sogar von Jugendbeinen an und andere aus seinen Büchern. So war der Auflauf der Zuhörerschaft gross. Versiert vermochte die Kulturmoderatorin Luzia Stettler dem Autor interessante Details zum neuen Buch «Der rote Diamant» und aus seinem Leben zu entlocken: «Ich durfte ihn journalistisch während der ganzen Karriere begleiten. Der Roman zeigt eine neue Facette seines literarischen Spektrums.»

In dem für den Schweizer Buchpreis 2022 nominierten Roman geht es um einen Diamanten, der in einem hiesigen Kloster versteckt sein soll.

«Aber was ist daran, hat es ihn gegeben?», fragte Stettler. «Man weiss, dass der Stein aus der Schatzkammer der Hofburg verschwand, und nahm an, dass er in die Schweiz geschmuggelt wurde. Aber er ist noch immer verschollen», antwortete Hürlimann. Und stieg mit der Szene in die Geschichte ein, wo der kleine Arthur von seiner Mutter ins Klosterinternat gefahren wird, woraus die Zuhörerschaft auf Einsiedeln schloss, wo der Autor selbst seine Schulzeit absolviert hat.

Der erheiternde Ausschnitt von der Begegnung mit dem nach Ziegen und Weihrauch stinkenden riesigen «Heiligen», dem Bruder Friedel; dessen Geruch die Mutter so abstiess, dass sie mit dem Sohn sofort fliehen wollte. Doch der Sohn blieb. Wie Stettler sagte, zieht sich der rote Diamant wie ein roter Faden durch den Roman. Zuerst zeige Arthur wenig Interesse an dem mysteriösen Stein, dann werde die Suche zur Passion. «Wobei die Ohren der Pater überall lauschen», sagte Hürlimann.

Das Publikum war begeistert

Der Text lese sich wie ein Kriminalroman, eine Mischung von Umberto Eco und Dan Brown, befand Stettler. Der erste Klosterkrimi, von dem er wisse, sei «Der Mönch», so Hürlimann. Das Kloster stelle eine klare Umgebung mit einer geschlossenen Gemeinschaft dar. «Das war auch meine Erfahrung. Es hat mit meiner Krankheit zu tun, dass ich den Wunsch hatte, nochmals ein spannendes Buch zu schreiben.»

Auf die Frage Stettlers, ob die schrägen Figuren der Pater vielleicht eine Rache an unangenehme Erlebnisse seien, erwidert der Autor: «1968 hatte die Schule noch eine 200-jährige Ordnung. Wir trugen Kutten. Die skurrilen Figuren haben mit dem Eingesperrtsein zu tun, da prägen sich Seltsamkeiten aus. Mit dem Gehorsam hatten viele Mühe. Im Alter erinnert man sich sowieso an die früheren Jahre.»

Nach dem Erscheinen des Buches sei er vom Abt eingeladen worden. «Denn im letzten Kapitel gibt es das Kloster nicht mehr.» Der Abt habe positiv reagiert, weil es solche Gedanken gebe. «Der Roman ist der Zeit vielleicht ein bisschen voraus. Früher gab es rund 200 Pater, heute nur noch wenige. Die Endzeit ist angebrochen. Der Roman nimmt das auf.» (Text von Monika Wegmann)