Diese Zugerin wusste schon mit 16, wohin ihr Weg führen soll

Theater & Tanz

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Die Schauspielerei ist immer noch ein Traumberuf, der oft nicht in Erfüllung geht. Wie eine junge Frau aus Zug sich in der Theater- und Filmmetropole London ihren Platz erkämpfte.

  • Die junge Zugerin Mei Henri stand schon für TV-Serien von Netflix, Apple TV und BBC vor der Kamera. (Bild Maria Schmid)
    Die junge Zugerin Mei Henri stand schon für TV-Serien von Netflix, Apple TV und BBC vor der Kamera. (Bild Maria Schmid)

Zug – Mei Henri sitzt entspannt auf dem Dorfplatz von Cham. Zwei mandelförmige, dunkle Augen blicken aufmerksam auf ihr Gegenüber, und ihre Antworten auf die Interviewfragen sind so ungeschminkt wie ihr Gesicht zwischen den schwarzen Haaren. Spontane Gestik begleitet während fast zwei Stunden das, was sie, mit 24 Jahren, bereits zu erzählen weiss.

Mei Henri ist Film-, TV- und Theaterschauspielerin mit Sitz in London, hat zwei Jahre Berufserfahrung hinter sich und ist gerade für ein paar Tage in das Zuhause ihrer Kindheit zurückgekehrt – zu ihrer Mutter nach Zug.

Der Lebensweg von Mei Henri war von Anfang an kosmopolitisch. 1999 als Kind einer japanischen Mutter und eines welschen Vaters in New York geboren, lebte sie bis zum zehnten Lebensjahr in London, denkt und träumt in Englisch. An britischen Schulen gibt es das fest etablierte Fach «Drama», dort schnupperte sie zum ersten Mal Theaterluft.

Deutsch lernte sie dann in Zug, wo sie die Kanti besuchte und dort in eine Motivationskrise geriet: «Ich merkte, dass ich wenig Passion für das Akademische hatte, das Kreative war noch im Hintergrund, mich faszinierten damals meine sportlichen Hobbys»: Bewegung also. Mit 12 Jahren sah sie in den Ferien am Broadway das Musical «Wicked», war elektrisiert von der Musik und begann an der Musikschule Zug Gesangsstunden zu nehmen.

Mit 15 Jahren kam sie zur Zuger Musicalschule Voicesteps. «Voicesteps waren für mich wichtig, weil ich dort die ersten Erfahrungen mit der realen Bühnenwelt machen konnte», sagt sie nachdenklich. Immer mehr wurde dabei klar, dass die Intensität der Bühnenarbeit sie gefangen nahm, dass ihr das Kreative lag, und dass sie sich keinen 08/15-Beruf vorstellen konnte.

«Ich glaube, ich will Musical studieren, und zwar an einer Schule in USA oder England» verkündete Mei Henri mit 16 ihrer Mutter. Diese unterstützte sie von Beginn an, und mit dem anvisierten Ziel wurde es leichter, für die Matura zu lernen, «denn vor allem an den amerikanischen Schulen schauen sie auf deine Noten.»

Helferfiguren, Schule, Agentur

Während der letzten Schuljahre spielte Mei zweimal am Theater Arth und nahm Tanzstunden im Tanzwerk Zürich: «Ich war von morgens 7 bis abends 22 Uhr auf den Beinen, trainierte, lernte im Zug», erinnert sie sich. Die Leidenschaft hatte sie gepackt, und diese wurde unterstützt von ihrer Jazztanz-Lehrerin Nadine Sieber.

2017 bestand die junge Frau die Aufnahmeprüfung zum einjährigen «Foundation Course» am Londoner Read College. «Das war eine tolle Zeit», erinnert sie sich, «täglich von 9 bis 18 Uhr trainierten wir in einer kleinen Klasse von 14 Leuten, ich musste mich daran gewöhnen, fiel zunächst jeden Abend um 21 Uhr erschöpft ins Bett. Ich wurde stark gefördert von der Co-Direktorin Helen Read.»

Und so gelang 2018 die Aufnahmeprüfung ans «London Studio Center», wo Mei die dreijährige Bachelor-Ausbildung absolvierte und ihre Vorliebe für die Schauspielerei entdeckte. «Ich wollte mich da hineinschmeissen, wollte spielerisch sein», schildert sie es mit leuchtenden Augen. «Tanz und Gesang ist viel Technik, im Schauspiel fühle ich mich mehr mit mir selbst verbunden.» So suchte sie sich neben der Schule einen Acting Coach und fand in der britischen Schauspielerin Vicky Alcock eine vierte Helferfigur, die sie bei einem Agenten unterbrachte.

Mei ist japanisch, Henri ein Vorname ihres Vaters

«Entscheidend für die Agentur ist dein Headshot (Porträtfoto) und ein Show Reel, also ein kurzes Video, das dich in verschiedenen Rollen zeigt», erklärt sie. Das Glück stand ihr erneut zur Seite: Ihr Agent wurde zur Vertrauensperson, handelt ihre Verträge aus, berät und beschützt sie, und glaubt an sie. Kaum war 2021 die Ausbildung abgeschlossen, erhielt Mei Jobangebote, spielte in TV-Serien und auf der Theaterbühne.

2023 war ein ruhigeres Jahr, die junge Schauspielerin begann mit einem Geschichtsstudium und unterrichtete Kinder und Jugendliche in Theater. «Es ist gerade für meinen Beruf wichtig, nicht immer auf Achse zu sein, zu sich zu kommen, andere Beziehungen zu pflegen.» So steht sie mit beiden Beinen auf dem Boden – ungewöhnlich authentisch.

«Wenn Mei vor 5 Jahren die Mei von heute sähe, wäre sie mega glücklich», fasst sie zusammen. Und noch etwas fügt sie bei: «Als ich elf war, ist mein Vater an einer schweren Krankheit gestorben. Ich denke, das hat mich für den Beruf geprägt, denn das Schwere im Leben ermöglicht mir, tiefer zu fühlen.» Ihr Künstlername setzt sich daher aus ihrer Herkunft zusammen: Mei ist japanisch, Henri einer der Vornamen ihres Vaters. (Text von Dorotea Bitterli)