Beliebtes Fotomotiv von einst

Kunst & Baukultur

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Der neue Kunstführer von Christine Kamm-Kyburz beleuchtet die Geschichte der reformierten Kirche der Stadt. Die Industrialisierung des Kantons spielt dabei eine Rolle.

  • Christine Kamm-Kyburz zeichnet für den Inhalt des neuen Kunstführers zur reformierten Kirche Zug verantwortlich. (Bild Stefan Kaiser)
    Christine Kamm-Kyburz zeichnet für den Inhalt des neuen Kunstführers zur reformierten Kirche Zug verantwortlich. (Bild Stefan Kaiser)

Zug – Die Reformierten der Stadt Zug mussten lange warten genau bis 1906 –, bis sie den Gottesdienst in der Kirche an der Alpenstrasse feiern konnten. Vorher mussten diese im Gotischen Saal, in der Burgbach-Turnhalle, einem Schulzimmer und im Chamer Schloss stattfinden.

Wie Kunsthistorikerin Christine Kamm-Kyburz am Freitag an der Vernissage für den neuen Schweizerischen Kunstführer «Die Reformierte Kirche und das Kirchenzentrum in Zug» sagte, war nach 1848 die Zahl der Refomierten im Kanton sprunghaft angestiegen: Denn die Verfassung garantiert allen Schweizer Bürgern die Niederlassungsfreiheit, unabhängig von ihrer Konfession. Durch die Industrialisierung zogen viele Arbeiter aus dem reformierten Zürich wegen der Spinnereien von Baar und Unterägeri hierher.

Nach Eingabe Projekt verändert

Nach der 1867 in Baar gebauten Kirche drängten die Reformierten der Stadt auf eine eigene Kirche. 1902 konnte der Protestanten-Verein mit Unterstützung des Zürcher Hilfsvereins eine Parzelle zwischen See und Bahnhof erwerben. Ende März 1904 erfolgte die Eingabe ans Bauamt, am 4. Mai lag bereits die «unbeanstandete» Genehmigung vor, die Bauarbeiten konnten starten. Wie Christine Kamm schmunzelnd erwähnte, sei nachher das Projekt rigoros verändert worden: «Aber das ist damals nicht unüblich gewesen.»

Die Baukosten der vom Zürcher Architekten Friedrich Wehrli realisierten Kirche beliefen sich auf 103 500 Franken, mit dem Land wurden total 180 000 Franken aufgewendet. 1938 schrieb Pfarrer Robert Doggweiler mit Stolz, «dass das Gotteshaus eine auch von der katholischen Bevölkerung bewunderte Zierde Zugs» bilde. Wie Kamm weiss, ist es an der Kreuzung Alpen- und Bundesstrasse ein bevorzugtes Motiv auf frühen Fotografien von Zug gewesen.

Das Kirchengebäude ist allseitig freistehend im schlichten neuromanischen Stil gebaut. Das Mauerwerk aus roh behauenen Bossenquadern aus Sandstein weist auch auf die in der Schweiz um 1900 einsetzende Reformarchitektur hin. Der dreiarmige Zentralbau hat vier gleich hohe Giebelfassaden, deren drei mit Rosettenfenstern ausgezeichnet sind. Ein kleiner Vorbau betont den östlichen Haupteingang. Der Kirchturm ist an der Südostseite eingefügt.

Kirche steht unter Denkmalschutz

Durch drei tiefgreifende Innenrenovationen, die dem jeweiligen Zeitgeist entsprachen, wurde vieles verändert, sogar die Orgeln, die letzte ist von 1995. Laut Christine Kamm sind fast alle Elemente der ersten Ausstattung (Kanzel, Bänke) verschwunden. Nach der Unterschutzstellung der Kirche im Jahr 1996 wurde von 2004 bis 2006 eine sorgfältige Renovierung durchgeführt. Dabei wurde das ursprüngliche Gestaltungskonzept formal und farblich wieder aufgenommen.

Im Büchlein wird auch das reformierte Kirchenzentrum von 2012 gewürdigt, das zur aktuellen Zuger Parole «Kirche mit Zukunft» passe. Christine Kamm sagte an der Führung: «Die reformierte Kirche an der Alpenstrasse ist ein Beispiel nationaler, ja europäischer Reformarchitektur.» Der Architekt habe ihr zu einer städtebaulich und architektonisch bemerkenswerten Präsenz verholfen.

Gute Zusammenarbeit

Festliche Orgelklänge von Hans-Jürgen Studer umrahmten die von zahlreichen Gästen besuchte Vernissage. Brigitta Kühn-Waller dankte als Mitglied der Arbeitsgruppe der Broschüre allen Beteiligten sowie den Gönnern: «Der Kunstführer wurde ermöglicht durch die Unterstützung der Reformierten Kirche Kanton Zug, die Bezirkskirchenpflege Zug-Menzingen-Walchwil, den Kanton Zug, die Stadt Zug, die Stiftungen Hürlimann-Wyss, Alice und Walter Bosshard und Carl und Elise Elsener-Gut.»

Die Kirche werde viel besucht, so Kühn: «Heute ist sie ein spiritueller Ort der Stille und Einkehr, der die Begegnung von Menschen unterschiedlichen Glaubens ermöglicht.» Auch Markus Andrea Schneider, Leitender Redaktor der GSK, würdigte das Buchprojekt: «Es braucht für einen Kunstführer die Zusammenarbeit mit der Trägerschaft, dem Autor und Fotografen. Und dies alles war hier hervorragend.» (Monika Wegmann)

Neu erschienen

Zug mw. Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK gibt den 963. Kunstführer «Die Reformierte Kirche und das Kirchenzentrum in Zug» heraus. Autor des 40-seitigen Werkes ist die Zuger Historikerin Christine Kamm-Kyburz; die Bilder sind von den Zuger Fotografen Guido Baselgia und Alois Ottiger. Informiert wird über die Baugeschichte, die Beschreibung der Kirchenarchitektur, die Renovationen und auch über Details wie die Glocken, Kunstwerke und das Wiesbadener Programm von 1891. Ein Kapitel ist dem Kirchenzentrum von 2012 der Architekten Pascale Guignard und Stefan Saner gewidmet. Es befindet sich nebenan auf dem Areal der ehemaligen Kirschwassergesellschaft. Christine Kamm: «Letzten Frühling habe ich mit Recherchen begonnen, es hat Spass gemacht.» Der Kunstführer ist zu bestellen unter www.gsk.ch.