Die Zuwebe macht jetzt richtig Theater
Theater & Tanz
Seit anderthalb Jahren hat die Behinderten-Einrichtung eine Schauspielgruppe. In die Sketche fliessen auch die Ideen der Darsteller mit ein.
Baar – Ein Mann sitzt an einem hübsch gedeckten Tischchen, liest die Zeitung und wartet auf sein Frühstücksei. Als seine Frau ihm die morgendliche Speise serviert, beäugt er das Ei kritisch, nimmt es in die Hände und stellt fest: «Dieses Ei ist zu hart.» Zwischen den Eheleuten entbrennt eine Diskussion darüber, wie hart ein Frühstücksei sein soll und mit welcher Methode man den gewünschten Härtegrad am besten erreicht. Der Dialog endet mit einem entnervten «Ach, sind die Männer schwierig» auf der einen und einem «Ach, tun die Frauen kompliziert» auf der anderen Seite.
Diese Szene ist Teil des aktuellen Programms der Schauspielgruppe der Zuwebe in Inwil. Das Projekt Schauspielerei ist seit August 2012 im Angebot der Baarer Institution für Menschen mit einer Beeinträchtigung. Die momentan sieben Darsteller treffen sich dreimal pro Woche zu einer Probe, regelmässig treten sie an Tagungen, Festen oder Vereinsanlässen auf. Am Freitag ist es wieder so weit: Die Truppe gibt an einer Generalversammlung in Oberägeri ihr Programm zum Besten. An der gestrigen Probe zeigt sich: Die Darsteller sind bestens vorbereitet, es ist nur noch ein Feinschliff nötig.
Bei der Zuwebe mit der Idee angeklopft hat Jitka Nussbaum Weber. Die Baarer Theaterpädagogin arbeitet seit bald 25 Jahren mit Menschen mit einer Beeinträchtigung vor allem im Rahmen von kürzeren Projekten. «In den Schauspielern der Zuwebe steckt sehr viel Potenzial», erzählt sie, «deshalb wollte ich ein längerfristiges Angebot schaffen, bei dem wir intensiv arbeiten können.» Der Vorstand und die Geschäftsleitung haben beschlossen, dass dieses Projekt auf drei Jahre befristet ist. Medea Schuler, Leiterin Geschäftsbereich Wohnen: «Es ist gut möglich, dass nach der Überprüfung der inhaltlichen Ausgestaltung des integrativen Theaterangebots dieses definitiv weitergeführt wird.»
Zehn kurze Szenen
Was die Motivation und die Professionalität angeht, stehen die sieben Schauspieler einer konventionellen Theatergruppe in nichts nach: Die Darsteller besitzen alle ein Textbuch, es wird fleissig auswendig gelernt und genau auf die Mitspieler geachtet, Körpergefühl und Konzentration sind das A und O. «Das Engagement der Klienten ist sehr gross», sagt denn auch Jitka Nussbaum Weber. «Sie sind mit voller Konzentration dabei.» Das spürt man auch an der gestrigen Probe. Es hören alle aufmerksam zu, wenn die Leiterin spricht, die Dialoge und die Bewegungen sitzen.
Das Repertoire der Zuwebe-Schauspieltruppe besteht aus zehn kurzen Szenen. Neben Sketchen des deutschen Humoristen Loriot und von Mani Matter inspirierten Sequenzen entwickeln die Zuwebe-Schauspieler auch selber kurze Theaterstücke: «Ihre Ideen sind sehr interessant», sagt Jitka Nussbaum Weber. Für die Szene «D Höhli» beispielsweise haben die Darsteller sich überlegt, welche Geräusche in einer Höhle zu hören sind. Zudem haben sie sich Gedanken zum Thema gemacht und diese in eigene Texte verpackt.
Humor gehört dazu
Die Themenpalette der Sketche ist breit, grundsätzlich geht es um das Zusammenleben von Menschen. «Ich thematisiere bewusst nicht die Probleme oder Sorgen von Menschen mit einer Behinderung», sagt Jitka Nussbaum Weber, «das Stück soll schlicht und einfach gute Unterhaltung bieten.» Wichtig ist der Theaterpädagogin neben der ernsthaften Auseinandersetzung mit der Sache – vor allem das gute Klima in der Gruppe. Auch ein Spässchen soll hin und wieder möglich sein: «Humor gehört bei uns dazu», sagt die Baarerin. So darf nach einer intensiven Probe auch einmal herzhaft gelacht werden.
Nach rund vier Stunden ist der gestrige Probennachmittag vorbei. Sind die Schauspieler jeweils aufgeregt, wenn sie auf der Bühne stehen? Es ist unterschiedlich: «Zehn Minuten vor dem Auftritt kommt die Nervosität», sagt beispielsweise Christof Keiser. Eliane Strickler fügt mit einem Lachen an: «Ein ganz kleines bisschen aufgeregt bin ich jeweils schon.» Beginnt die Aufführung, scheint die Nervosität aber verflogen, und die Schauspieler lassen sich nichts anmerken wie echte Profis. (Rahel Hug)