Trouvaillen in Baar-Ost

Dies & Das

,

Auf einem abwechslungsreichen Nachmittagsspaziergang lernten Mitglieder des Historischen Vereins Kanton Zug eine Reihe bauhistorischer Zeugen kennen.

Baar – Aus gegebenem Anlass – die Korporation Baar-Dorf zelebrierte ihr 600-Jahr-Jubiläum – spürten die Vorstandsmitglieder Philippe Bart und Brigitte Moser diversen historischen Facetten nach. Untrüglicher Lärm zeigte, dass sich die Wandergruppe in der Nähe des – nach einer Anlage im Birst und einer zweiten an der Mühlegasse – dritten Schiessstandes von 1903 an der Wieshalde vorbeibewegte. Etwas Ruhe kehrte bei der der Korporation gehörenden Heiligkreuzkapelle, einem Neubau von 1777/78 des Allgäuer Meisters Martin Elgass, ein. Moser präsentierte die durch drei Korbbögen geöffnete, durch zwei Sandsteinsäulen auf Brüstungsmauern getragene Vorhalle sowie das Gewände der vom Vorgängerbau übernommenen Türe mit den Initialen D(orfgemeinde) B(aar).

Das Innere erhält sein Gepräge durch die Verschleifung von Schiff und Chor zu einer Einheit als typischem Motiv der Luzerner Landkirchen sowie ein Tonnengewölbe mit feinen Stuckspiegeln. Verschiedene Epochen hinterliessen Schmuckstücke, so verwies Moser auf ein Wundenkruzifix von 1737 mit plastischen Bluttrauben oder ein Holzrelief Maria und Magdalena vor dem Kreuz von 1948.

Im Gebiet Lättich berichtete Philippe Bart über die dortige, bis 1903 betriebene Lehmgrube für eine Ziegelei, über den durch Pachtvertrag mit der Korporation 1884 entstandenen Weiher zur Eisgewinnung für die Bierherstellung, über die Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben auf Land, das die Korporation der Gemeinde hierfür abtrat. Ein besonderes Schlaglicht warf er auf das Schwimmbad Lättich, beheizt durch die Holzheizzentrale der Korporation mit Fotovoltaikanlage.

Ein schmuckes Kleinod: die Schutzengelkapelle

Die 1667 auf freiem Feld errichtete, 1851 im Innern klassizistisch umgeformte, im Eigentum der Korporation stehende Schutz­engelkapelle bezeichnet Brigitte Moser heutzutage als einen «quer stehenden Fremdling zum planmässig angelegten Raster des Quartiers». Sechs Stichbogenfenster beleuchten den hellen Raum, ein gedrückter Bogen trennt optisch das Schiff vom leicht erhöhten Chor. Der aus dem 17. Jahrhundert stammende Altar erhielt später einen neuen Aufsatz; die Säulen mit vergoldeten korinthischen Kapitellen stellte man vor und wechselte das Altarblatt aus. Der Menzinger Xaver Zürcher malte 1853 nach dem Vorbild desjenigen von Melchior Deschwanden in der Schutzengelkapelle Zugs den Schutzengel, der Kinder im Wald behütet. 100 Jahre zuvor entstanden die flankierenden Figuren der Heiligen Sebastian und Antonius von Ägypten.

Via Strohmann zur grössten Spinnerei

Für den Landverkauf der Korporation zum Bau der Spinnerei an der Lorze musste ein Trick her: Weil Auswärtige und schon gar keine Reformierten in Frage kamen, erwarb 1851 ihr Bürger und Arzt Martin Utiger als Strohmann das Grundstück, um es alsbald Wolfgang Henggeler und Konsorten weiterzuveräussern, welche den Betrieb in nur 9 Jahren zur mit 62000 Spindeln grössten und modernsten Baumwollfabrik der Schweiz mit 600 Angestellten entwickelten! Moser stellte die ab 1861 durch die Spinnerei in einheitlicher Handschrift im schlichten Stil des Biedermeiers erstellten Höllhäuser mit ihren unverkennbaren ausgesägten Schmuckformen an den Unterseiten der flach geneigten Pfetten-Rafen-Dächer vor. Bart beschloss die «Korporationswanderung» mit der Schilderung der 1605 erbauten, zwischen 1637 und 1653 von ihr gekauften Ziegelhütte, welche fast 300 Jahre als Produktionsstätte für Ziegel diente, später als Werkhof, gegenwärtig als Verwaltungsgebäude mit Festsaal und Betriebswartsdomizil.

Für den Historischen Verein Kanton Zug: Jürg Johner