Der Mensch durch die Kameralinse des Weitgereisten

Literatur & Gesellschaft

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Der Zuger Fotograf Alois Ottiger blickt zurück auf 60 Jahre Schaffenskraft. In seinem neusten Bildband setzt er einen besonderen Schwerpunkt.

Zug – Reisen und damit verbunden das Kennen- und Schätzenlernen fremder Länder und Völker gehört zweifelsohne zu den erbaulichsten Erfahrungen, welche ein Mensch machen kann, sofern ihm dieses Privileg vergönnt ist.

Auf eine rege Reisetätigkeit in den vergangenen Jahrzehnten blickt der Zuger Fotograf Alois Ottiger zurück. Seine Kamera gehörte dabei selbstredend zur Grundausstattung. Seit geschlagenen 60 Jahren fotografiert der heute 79-Jährige aus Leidenschaft und professionell: 1967 eröffnete Ottiger ein Studio für professionelle Fotografie in Zug, 1975 gesellte sich seine Frau Liselott dazu. Ottiger führte häufig Aufträge auf dem Gebiet der Sach- und Architekturfotografie aus. Auf Eigeninitiative hat er bisher mehrere Foto-Bildbände veröffentlicht. 2017 ist sein letzter erschienen – über die Lorze.

Als eine Art persönliche Hommage an seine Passion und anlässlich 60 Jahre praktizierte Fotografie hat Alois Ottiger jetzt ein weiteres grosses Buch herausgegeben, in dem er in erster Linie die schönsten Bilder seiner Reisen zusammengestellt hat. Als gäbe es nicht schon genug bebilderte Reiseliteratur, ist man nun voreilig zu denken verleitet. Doch Ottiger setzt einen besonderen Schwerpunkt: Bei sämtlichen Aufnahmen in seinem Fotoband steht der Mensch im Mittelpunkt. So spricht denn auch der Buchtitel «Begegnungen» für sich. 280 Seiten sind Menschen aller Couleur, in allen erdenklichen Situationen und Kontexten gewidmet.

Die Ästhetik des scheinbar Unbedeutenden

Aufgenommen hat er die Bilder in der Zeit von 1959 bis 2019, bis auf weniges alles analog. Abgesehen von einer kurzen Einleitung vom Herausgeber und ein paar Gedanken zur Fotografie lebt das Buch einzig durch die enorme Bildervielfalt mit prägnanten Beschreibungen. Vorderhand geordnet nach Kontinent und Land, reist der Betrachter zeitversetzt mit – durch Länder des Mittleren und Fernen Ostens, durch Nord- und Westafrika, die Karibik, Florida und schliesslich Europa. Es sind Begegnungen mit Menschen aller Generationen – beim Spiel, bei der Arbeit, bei der Pflege von Brauchtum, im Gespräch, beim Nichtstun... Selbst die unbedeutendste Situation wird durch Alois Ottigers Linse zu einem ästhetischen Moment.

Sein Interesse am Fremden, an den Völkern in den Reiseländern seiner Wahl kam jeweils auch zurück. Ottiger: «Wo immer ich mit meiner Frau ankam und auf Menschen traf, waren diese im Gegenzug an uns Besuchern interessiert, mochten wissen, was wir in unserem Leben machen oder wie wir da leben, wo wir herkommen.» So haben viele dieser Begegnungen für das Paar eine ganz besondere Bedeutung erhalten. «Der Bildband ist als eine Art persönliches Bildertagebuch von mir und meiner Frau zu verstehen», umschreibt es der Zuger, der ursprünglich aus dem luzernischen Ruswil stammt. Und dieses «Tagebuch» oder «Fotoalbum» ist als solches insofern ein Kunstwerk, als jedes einzelne Bild von ganz individueller kompositorischer Qualität ist. «Interessant ist aus heutiger Sicht zu sehen, wie in manchen Ländern die Zeit stehengeblieben zu sein scheint», sagt Alois Ottiger. «Denn vor allem in Drittweltländern ist noch immer vieles genau so wie damals vor 40 oder 50 Jahren.»

Menschen in der Heimat

Anders zeigt sich die Entwicklung hierzulande: Im zweiten Teil seines Buches hat Alois Ottiger eine Auswahl von Schwarz-Weiss-Bildern aus seinem Frühwerk zusammengestellt. Darunter viele aus der Region Luzern und Zug. Und auch hier: Immer ist der Mensch (Haupt-) Bestandteil im Bild, selbst wenn er nur als schemenhafte Silhouette – in einer Pfütze gespiegelt – in Erscheinung tritt. Ein Set an Farbfotos, ebenfalls mehrheitlich aus der Region, rundet «Begegnungen» auf den letzten Seiten ab. (Andreas Faessler)

Hinweis
«Begegnungen», Alois Ottiger, Verlag Josef Fink, 280 S., ISBN 978-3-95976-294-6, Fr. 49.90.