Ein Musical als Echt-Zeit-Story

Theater & Tanz

,

Das 2015 gegründete junge Zuger Improtheater «ab und zufällig» versucht sich an neuen Theaterformaten. Am Wochenende stand ihr erstes improvisiertes Musical auf dem Programm.

  • Die Improvisationskünstler tauchten in verschiedene Welten ein. (Bild Mathias Blattmann)
    Die Improvisationskünstler tauchten in verschiedene Welten ein. (Bild Mathias Blattmann)

Zug – Die Neugier zog am Samstagabend sehr viel Publikum zur «Echt-Zeit-Story» des Zuger Improtheaters «ab und zufällig». Versprochen war im Untertitel «ein improvisiertes Musical». Louisa Dittli, die Mediensprecherin der aus zehn Spielenden und einem Musiker bestehenden Truppe, hatte es im vorgängigen Interview so beschrieben: «Wir wissen zu Beginn nicht, wo die Story spielt, wer welche Figuren darstellt, wer wie singt und was für Songs vorkommen werden.»

«Ab und zufällig» entstand 2015 aus einer Maturaarbeit (2013) und ist heute eine bekannte Improtheatergruppe, die wöchentlich probt, regelmässig Shows veranstaltet, sich bei Theatersport-Anlässen mit anderen misst und für Events gebucht werden kann.

So gibt es seit drei Saisons die «Kellerduelle» im Burgbachkeller, bei denen «ab und zufällig» gegen ein eingeladenes Team um die Gunst des Publikums und der Jury ringt. Auch die Eigenentwicklung «Slam Jam», eine inspirierende Mischung aus Poetry-Slam und Improtheater, hat sich bereits bewährt.

Gruppe hatte Lust auf Mehr

«Wir haben gemerkt, dass wir mehr wollen, Lust auf neue Formate haben», schilderte Dittli begeistert, «und so haben wir Arbeitsgruppen gebildet und Neues entwickelt.» Mit einer Spezialität haben sich die 20- bis 31-Jährigen einen Namen gemacht: Ihrem musikalischen Können, das mit Musiker Daniel Gieger zusammenhängt, der bei jeder Probe dabei ist. Der Gedanke lag nahe, ein ganzes Musical zu improvisieren.

«Ein Improtheater dauert in der Regel eineinhalb bis zwei Stunden und setzt sich meist aus kleinen Szenen zusammen, gestaltet also viele Welten», erklärte Dittli, «für das Musical nehmen wir uns maximal eine Stunde vor und erspielen eine einzige zusammenhängende Story, sozusagen im Langspielformat.»

Der Spielort, die Bühne des Kinder- und Jugendtheaters Zug, füllte sich bis zum letzten Platz. Vorwiegend mit jungen Menschen. Das Publikum wurde in der Begrüssung sofort miteinbezogen, indem es die Szenerie bestimmen musste, in der das Musical stattfinden sollte. Unter den Zurufen wurde schnell die «Drachenstadt» ausgewählt, und los ging es! Die anschliessende Stunde war eine ununterbrochene Kaskade aus erstaunlichen Assoziationen und Einfällen von fünf Spielenden, einem Musiker und der Lichttechnik. Basil Koller sang sogleich von einem «Ort, da isch es heiss», Benjamin Koch gesellte sich im Duett dazu, die anderen drei stellten in blauem Licht die tanzende Entourage dar. Laila Koller fügte ein Solo hinzu, und – bei ihr reimte alles auf der Stelle! Die Musik Daniel Giegers gab harmonische und rhythmische Impulse, die von den Singenden aufgenommen wurden, zu Sprechgesang oder Arie wurden, und ganz schnell bildete sich auch ein Refrain heraus, der von der ganzen Gruppe mit humorvoller Emphase repetiert wurde: «I dä Drachestadt gahts heiss zue und här!»

Eine Szene um die andere purzelte auf die Bühne. Aus Louisa Dittli wurde eine rebellische Prinzessin, die ihr Erbe nicht antreten will und lieber Drachenflüge unternimmt, aus Irene Hanke ihre brillenbewehrte Vertraute Eufrasia. Komische Umsturzversuche über die Kanalisation, Streit zwischen dem alternden Königspaar, eine aufkeimende Liebe, schliesslich das Happy End – alle Ingredienzen und Register einer spannend-leichten Bühnenstory produzierten sich wie von allein.

Mut zum Chaos nach der Pause

Nach einer Pause wurde ein zweites Musical geboten, und dieses Mal «im Bord-Casino auf der Titanic». Mit dabei war jetzt Daniel Ballmer.

Und wieder geschah dasselbe Wunder: Aus einem Fundus an Bühnenerfahrung, Bildungshintergrund, Fantasie und Komik, Musikgehör und Rhythmusgefühl, Mut zum Chaos und den eigenen verrückten Einfällen, Vertrauen untereinander und einer Art «Impulsspüren» entstand eine eigene neue Welt. Erstmalig, einmalig, nicht wiederholbar. Das Publikum applaudierte und pfiff, trampelte und johlte – vor lauter Begeisterung.

Die Faszination liegt im Improtheater offensichtlich in der Genialität des Überraschenden, in der Lust an der ungeplanten Kreation zwischen den Akteuren. Dittli hatte es so ausgedrückt: «Ich habe in dieser Truppe nicht nur viel über Theater gelernt, sondern auch fürs Leben: Nach dem Motto Scheiter-Heiter kann ich Fehler machen, gehe aber weiter und bekomme neue Chancen. Improtheater löst Blockaden und beschert einem das Vertrauen auf eigene Ad-hoc-Fähigkeiten.» (Text von Dorotea Bitterli)

Hinweis

Infos zu den kommenden Veranstaltungen von «ab und zufällig» sind zu finden auf www.abundzufaellig.ch.