Das Waisenkind von Baar
Dies & Das
Eine Statue beim Kreuzplatz erinnert an den Jodellied-Komponisten Robert Fellmann. Zu Beginn haben sich die Baarer allerdings gefragt, wer denn hier geehrt wird.
Baar – Wer bist du denn? Ein Täfelchen mit dieser Frage haben zwei weibliche Mitglieder des Baarer Trachtenchors im Herbst 1961 vor die Bronzeplastik gestellt, die einsam und unbeschriftet auf der kleinen Grünfläche beim Kreuzplatz stand. Die beiden unbekannten Frauen gaben die Antwort gleich selber: «Ein Waisenkind des Einwohnerrats.» Und ein wenig liegen die zwei Damen richtig. Denn bereits drei Jahre zuvor, am 19. Oktober 1958, wurde die Statue eingeweiht mit grossem Pomp und rund 200 geladenen Gästen. Schliesslich wird mit dem jungen Jodler in Älplertracht – das stellt die Plastik nämlich dar – Robert Fellmann geehrt, der auch «Vater des schweizerischen Jodellieds» genannt wird.
Fellmann wurde am 22. März 1885 in Baar geboren und verbrachte einen grossen Teil seines Lebens im Dorf. Wirkung haben seine Werke aber weit darüber hinaus und das bis in die Gegenwart. Noch heute zählen seine Kompositionen zu den am meisten gesungenen Jodelliedern. Dabei hat Fellmann selbst nicht gesungen – nachdem er sich während seines Aktivdienstes im Militär eine Stimmbänderentzündung zugezogen hatte. Ganz einfach war auch Fellmanns Kindheit nicht. Seinen Vater scheint er nie kennen gelernt zu haben. Er wurde als uneheliches Kind von Katharina Fellmann (1860–1932) geboren. Trotz der schwierigen Familiensituation konnte Fellmann schon als Kind sein musikalisches Talent ausleben. Wo er seine Kindheit verbracht hat – ob in Baar oder im luzernischen Uffikon, dem Heimatort seiner Mutter –, ist unklar. Gesichert ist, dass er die Sekundarschule in Baar besucht hat. Mit 15 Jahren zog er nach Uffikon zu einem Grossonkel, wo er auf dem Bauernhof arbeitete und eine Lehre als Käser absolvierte. Von 1908 bis 1913 besuchte er die Kunstgewerbeschule in Luzern. 1916 kehrte er definitiv nach Baar zurück, wo seine Mutter, die 1895 den Seifensieder Anton Gut geheiratet hatte, nach wie vor lebte. Zu seinem Stiefbruder Emil Gut pflegte Robert Fellmann ein gutes Verhältnis, jenem Emil Gut, der später Direktor der Zuger Kantonalbank wurde.
Fellmann selber heiratete am 8. August 1918 die Baarerin Marie Louisa Andermatt. In den 1920er-Jahren begann er mit dem Komponieren seiner ersten Jodellieder. Zudem war er Mitgründer des Zitherklubs Baar (gegründet 1919), des Jodeldoppelquartetts Baar (heute Jodlerklub Heimelig) und der Trachtengruppe Baar. Auch wenn er seine Kompositionen im eigenen Verlag verkaufte: Zum Leben reichte seine musikalische Tätigkeit nie. Zusammen mit seiner Frau übernahm Robert Fellmann das Restaurant Brauerei. Von 1928 bis 1946 stand vor allem seine Frau hinter dem Zapfhahn und in der Küche. Fellmann komponierte, schrieb Liedtexte und widmete sich seiner Tätigkeit als Dirigent.
Nach einem Schlaganfall im Jahr 1947 zog sich Fellmann immer mehr aus dem kulturellen Leben Baars zurück. Am 16. Oktober 1951 erlag er einem Herzschlag. Drei Tage später war die Beerdigung. Genau sieben Jahre später erfolgte die Einweihung des besagten Denkmals. Die Initiative für die Schaffung der Skulptur hatte 1956 der Verkehrs- und Verschönerungsverein Baar ergriffen. Eine fünfköpfige Kommission hatte dem Luzerner Bildhauer und Plastiker August Blaesi den Auftrag erteilt. 15 000 Franken kostete die Anlage beim Kreuzplatz, die lange ein Provisorium blieb was die beiden Frauen zum Handeln antrieb. Erst danach wurde die offizielle Inschrift «Dem Sänger des Volks- und Jodelliedes, Robert Fellmann 1885–1951, Dichter und Komponist», angebracht. 1976 wurde die Anlage anlässlich des 25. Todestages Fellmanns ausgebaut. So wurde der Speierbrunnen installiert, der heute noch in Betrieb ist.
Eine Gedenkstätte hat Robert Fellmann zwar erhalten, nicht aber einen Platz. Zwar ist heute oft vom Robert-Fellmann-Park die Rede. Offiziell ist diese Bezeichnung aber nicht. In den Unterlagen der Gemeinde ist immer von einer Gedenkstätte oder der Kreuzplatzanlage die Rede. (Silvan Meier)
HinweisMit «Hingeschaut!» gehen wir wöchentlich mehr oder weniger auffälligen Details mit kulturellem Hintergrund im Kanton Zug nach.