Helvetias Bühenpremiere in Zug

Theater & Tanz, Brauchtum & Geschichte

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Interessantes aus der Stadt Zug lässt sich auch abseits von Zuger Stadtführungen vermitteln. Am Montagabend waren die ersten in Zug gedruckten Schriften das Thema einer Veranstaltung.

  • Nadia Christen lässt die Zuger Theatergeschichte aufleben.Bild: Stefan Kaiser (Zug, 5. 5. 2025)
    Nadia Christen lässt die Zuger Theatergeschichte aufleben.Bild: Stefan Kaiser (Zug, 5. 5. 2025)

Zug – Bücher haben den Vorteil, dass sie bei fachgerechter Lagerung Jahrhunderte halten und ohne technische Hilfsmittel lesbar bleiben. Bei Tonaufnahmen mit einem Spulentonband ist die Nutzung schon nach ein paar Dekaden aufgrund physischen Zerfalls eine Herausforderung. Mittlerweile sind sogar Bild- und Toninhalte auf DVDs in die Kategorie der Exoten abgerutscht.

Als der Zuger Barockdichter Johann Caspar Weissenbach (1633–1678) sein teils in Mundart abgefasstes Bühnenstück «Eydgnoßsisches Contrafeth, Auff- und Abnemmender Jungfrawen Helvetiae» oder in Neudeutsch «Das Abbild der Eidgenossenschaft. Der Auf- und Abstieg der Helvetia» drucken liess, war der Buchdruck im Zugerland erst am Entstehen. Der Druck der ersten Bibel mit beweglichen Buchstaben durch Johannes Gutenberg war zwischen 1452 und 1454 entstanden.

Einblicke in den Zuger Buchdruck

Wie Nadia Christen, Teamleiterin der Zuger Sammlung und Dokumentation der Bibliothek Zug, im Dachzimmer derselben erklärte, ist das erste in Zug herausgegebene Buch mit der Jahreszahl 1671 versehen. Diese vier Ziffern waren auch der Ausgangspunkt von Christens Vortrag vor zahlreichen Zuhörenden. Sie wusste in 45 Minuten den Teilnehmenden allerlei Neues zum Zuger Buchdruck zu präsentieren. Das Werk «Via compendii ad deum» (Der direkte Weg zu Gott) war in diesem Jahr durch den aus Nürnberg stammenden Jakob Ammon verlegt und herausgegeben worden. Dieser war vorher schon in Luzern wie auch in Einsiedeln in Erscheinung getreten. In diesem Zusammenhang erwähnte Nadia Christen, dass von solchen Büchern jeweils zwischen 75 und 100 Exemplaren gedruckt wurden. «Wie hoch die Auflage war, ist mir nicht bekannt, da die Auftragsbücher der ersten Drucker nicht überliefert wurden», sagte sie. «In den ersten 30 Jahren wurden wohl rund 75 bis 100 verschiedene Werke gedruckt.»

Zwei Jahre später – also 1673 – verantwortete Ammon die Herausgabe des vorerwähnten Barocktheaters mit einer frühen Erscheinung der Helvetia und dem Tell’schen Apfelschuss. Das Welttheater erlebte noch zwei weitere Auflagen in den Jahren 1701 und 1702. Zu diesem Zeitpunkt lebte der Autor Johann Caspar Weissenbach schon seit mehr als zwanzig Jahren nicht mehr.

Ein richtiges Welttheater im beschaulichen Zug ... Was aber sicher länger in Erinnerung blieb, war die Welturaufführung von «Das Abbild der Eidgenossenschaft. Der Auf- und Abstieg der Helvetia». Für die Aufführung von Weissenbachs Theater waren 100 Akteure notwendig. Diese schlüpften in 200 Rollen. Insgesamt galt es, 300 Kostüme zu fertigen. Der Ausdruck «Mitspieler» ist für einmal kein Versuch, den Kreis der Theaterleute einzuengen. Wie Christen bemerkte, hätten Frauen auf der Bühne keine Aufgabe gehabt. Sie wurden wohl zu Näharbeiten herangezogen.

Theaterbühne war der Platz zwischen dem Hotel Ochsen und dem Zollhaus im Herzen der Stadt Zug. Die Theateraufführung fand am 14. und 15. September 1672 statt. Wie die Schauspieler ihre Rolle einübten, ist nicht klar, denn wie bereits oben erwähnt, ist ein erster Druck des Welttheaters erst im Jahr danach verbrieft. Da es bei der Premiere noch keine Zeitungen gab, ist auch nicht bekannt, wie die Zuger das grosse Theater aufgenommen haben. Es sollen jedoch bis zu 3000 Zuschauende zusammengekommen sein. Ein späterer Kritiker wusste nichts Erbauendes über das Stück des Zuger Autors zu sagen: «Das ist eine breitspurige, mit christlicher Symbolik und heidnischer Mythologie aufgedonnerte Allegorie der zopfigsten Art.»

Wer das Buch zum Weissenbach’schen Spiel in die Hände nimmt, dürfte sicher bei der Aufzählung der Menschen hinter den Rollen viele bekannte Zuger Namen finden. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Helvetia auf einer Zuger Bühne ihre Premiere erlebte. Hinter der Helvetia-Maske steckte keine Frau. Diese waren auf der Bühne ja nicht vorgesehen. Der Zuger Stadtpfarrer Wolfgang Forster gab die Helvetia. Die Helvetier waren ein herumwanderndes Volk in Mitteleuropa, welches der römische Feldherr Julius Cäsar erstmals erwähnte.

Der Autor als Theaterdirektor

Wie einem Aufsatz des Zuger Neujahrsblattes von 1965 zu entnehmen ist, sei das Wetter an den beiden Tagen nicht optimal gewesen. Fakt ist, dass die Aufführung mit all ihrem Gehabe perfekt zu einem monumentalen Kostümfilm gepasst hätte. Weissenbach dürfte das Gros der Auslagen gedeckt haben.

Zu Geld kam der Autor und Dichter Johann Caspar Weissenbach durch seine Ämter. Er war unter anderem 13 Jahre Obervogt in Gachnang im heutigen Kanton Thurgau. Das Zuger Bürgerrecht bekam Weissenbach jedoch nie. Der erste Zuger Buchdrucker Jakob Ammon verspielte seinen Kredit schnell. Bereits 1674 vertrieb ihn die Obrigkeit wegen Schulden aus der Stadt Zug. (Text: Marco Morosoli)