Ein Englischer Gruss im Chorbogen

Brauchtum & Geschichte

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Die biblische Verkündigungsszene ist ein in der sakralen Kunst populäres Bildmotiv. Die Weinrebenkapelle in Hünenberg birgt ein schönes Beispiel.

  • Das spätbarocke Gemälde über dem Chorbogen zeigt die Verkündigung Gabriels an Maria. (Bild Matthias Jurt)
    Das spätbarocke Gemälde über dem Chorbogen zeigt die Verkündigung Gabriels an Maria. (Bild Matthias Jurt)

Hünenberg – Die biblische Schlüsselszene, als Erzengel Gabriel der Maria erscheint und ihr die Botschaft überbringt, dass sie Gottes Sohn empfangen und gebären werde, wird gemeinhin «Englischer Gruss» genannt. Das etwas irreführende Wort «Englisch» bezieht sich demzufolge auf Gabriel als Himmelswesen. Er hat Maria nicht auf Englisch begrüsst, wie man sich gedanklich einen Spass draus machen könnte. Der Englische Gruss steht am Beginn des Ave-Maria-Gebetes.

Eine bemerkenswerte Darstellung der Engelsgruss-Szene nach dem Lukas-Evangelium findet sich in der Weinrebenkapelle Maria vom guten Rat in Hünenberg. Die Kapelle mit ihrem Rokoko-Stuckhimmel gehört zu den am schönsten ausgestatteten ihrer Art im Kanton Zug. Die Ave-Maria-Darstellung ist hier als Chorbogenbild an prominenter Stelle ausgeführt und fällt sofort ins Auge. Die Malerei füllt die oberen Wandfelder im Bereich des Deckengewölbes beidseits des Bogens.

Die linke Bildhälfte zeigt als Hauptmotiv Maria in einem möblierten Raum auf einem Betschemel kniend. Im rechten Bildfeld gegenüber erscheint Erzengel Gabriel auf einem Wolkengrund, die Hand zum Grusse erhoben. Auffallend an dem wohlkomponierten Wandgemälde ist das bühnenartig und perspektivisch in Szene gesetzte Geschehen in einem grosszügigen, rot-weiss gefliesten Interieur, das sich im Hintergrund zu einer Küstenlandschaft hin öffnet.

Begleitet wird das wundersame Geschehen von der Dreifaltigkeit: Vor dem Himmel links erscheint der Heilige Geist in Gestalt der weissen Taube, neben ihm schwebt das kreuztragende Jesuskind herab. Vor dem Himmelsgrund im rechten Feld ist Gottvater in einem Wolkengebilde dargestellt. Am Chorbogen mittig sind die ersten drei Sätze des «Gegrüsst seist du Maria» auf Lateinisch zu lesen: Ave Maria gratia plena dominus tecum.

Stiftung eines frommen Hünenbergers

Eine Inschrift gibt Aufschluss über den Auftraggeber für die Malerei und deren Entstehungsjahr, leider jedoch nicht über den Künstler. Zu lesen ist: Gott und der himmlischen Königin Maria zu Ehren hat diesen Englischen Gruoß machen lassen der Ehrgeachte Herr alt Kirchmeier Alexander Bütler, derzeit Vierer zu Hünenberg im Jahre 1772 und seine Ehefrau Maria Anna Rittery und ihre zwei lieben Kinder Thomas und Maria Verena Bütler zu Kemleten.

Der spätbarocke Englische Gruss in Hünenberg war lange Zeit verdeckt: 1897 und 1898 wurden einige Änderungen an der Kapelle vorgenommen – die bemalten Fenster wurden eingesetzt, das bislang hölzerne Chorgitter ersetzte man durch ein eisernes und übermalte das gestiftete Chorbogenbild mit einer zeitgenössischen Darstellung von Mariae Verkündigung und Mariae Heimsuchung.

Erst anno 1976 wurde das ursprüngliche Gemälde des Englischen Grusses im Zuge einer umfassenden Restaurierung der Weinrebenkapelle wieder freigelegt. Zum Glück, möchte man meinen, ist es doch eine besonders gelungene und stimmige Bildkomposition, wie man sie auf solche Weise in die Innenarchitektur eines Sakralraumes eingefügt nicht allzu oft antrifft. (Text von Andreas Faessler)