Ein Raum behält seine Identität

Dies & Das

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Seit 1955 hat sich die Einmündung der Löberenstrasse kaum verändert. Genau das zwingt heute zu Langsamkeit.

  • Das Tram hat ausgedient, doch die Strasse schlängelt sich immer noch durch die selben Häuser. (Bilder PD/Stefan Kaiser)
    Das Tram hat ausgedient, doch die Strasse schlängelt sich immer noch durch die selben Häuser. (Bilder PD/Stefan Kaiser)

Zug – Munter rattert eine Strassenbahn die Ägeristrasse hinunter, möglicherweise befindet sie sich auf einer ihrer letzten Fahrten - am 21. Mai 1955 wurde die elektrische Strassenbahn der Linie Zug-Oberägeri eingestellt und durch Busse ersetzt. Wir befinden uns an einem zentralen Knotenpunkt nahe der äusseren Stadtmauer des späten 15. Jahrhunderts und blicken Richtung Ägeristrasse und Löberenstrasse. Die dichte Bebauung nördlich der Altstadt von Zug lässt die städtische Nähe erahnen. Die Ägeristrasse wurde ab 1850 angelegt und ist dank den beidseitig durchgehenden Häuserreihen eine gut gefasste Ausfallachse. Einerseits diente die Strasse der Erschliessung der Berggemeinden, andererseits wurden die aussichtsreichen Hanglagen oberhalb der Altstadt seit dem frühen 20. Jahrhundert zum bevorzugten Wohngebiet.

 

Auf der historischen Fotografie zweigt links die Löberenstrasse ab, über die sich bis zum Ausbau der Baarerstrasse im 19. Jahrhundert der Hauptverkehr von Zug nach Baar abwickelte. Im Hintergrund an der Löberenstrasse steht ein stattliches, biedermeierliches Wohnhaus mit ehemaliger Schmiede. Rechts führt die Dorfstrasse in das Quartier Dorf oberhalb der Altstadt. Die eng gefassten Strassenzüge wirken wie leergefegt, nur gerade der Tramchauffeur sowie das am Trottoirrand abgestellte Fahrrad bezeugen menschliche Existenz. Ganz rechts im Bild ist das Restaurant Kreuz erkennbar. Etwas zurückversetzt folgt das Café Tea-Room Knobel mit seinem kunstvoll geschmiedeten Balkon im zweiten Obergeschoss. Zwischen der Löberen- und Ägeristrasse, halb verdeckt von der Strassenbahn, steht ein interessantes Gebäudeensemble, bestehend aus Wohnhaus und diversen Gewerbeanbauten.

Dominiert wird das Bild vom Tram der «Gesellschaft für Elektrische Strassenbahnen im Kanton Zug». Ab September 1913 fuhren Tramfahrzeuge in den Strassen zwischen Zug, Baar, Menzingen und Oberägeri. Das Tram war für die in Zug und Baar arbeitenden Leute ein wichtiges Transportmittel von den Berggemeinden zu den Fabriken. Aber die Wirtschaftskrisen der 1920er- und 1930er- Jahre sowie die Nachkriegszeit wirkten sich negativ auf den Schienentransport aus. Zudem konkurrenzierte die aufkommende Autoindustrie die Strassenbahn zunehmend. Mitte des 20. Jahrhunderts entschieden die Aktionäre der «Elektrischen Strassenbahnen im Kanton Zug» daher für die Umstellung des öffentlichen Verkehrs von der Schiene auf die Strasse.

Die heutige Ansicht ist der historischen Situation verblüffend ähnlich! Die dominante Signalisierung der Strassen - und die zum Teil neu angelegten Trottoirs - zeichnen eine klare Verkehrsführung. Erstaunlicherweise haben sich die Strassenbreiten kaum verändert, trotz heute deutlich höherem Verkehrsaufkommen. Heute ist die Ägeristrasse eine der meistbefahrenen Strassen im Kanton Zug.

Aber nicht nur die Strasse, auch der bauliche Bestand ist weitgehend gleich erhalten geblieben - mit Ausnahme des ehemaligen Restaurants Kreuz, welches im Jahre 2005 einem Neubau weichen musste. Der mehrfach umgebaute Altbau galt laut der kantonalen Denkmalkommission als nicht mehr sanierbar. Der Neubau wurde in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege projektiert mit dem Ziel, strukturelle und formale Elemente des Vorgängerbaus zu übernehmen und neu zu interpretieren. Dies scheint in diesem Fall recht gut gelungen zu sein. In der Bildmitte besticht der Erweiterungsbau mit ehemaligem Rossstall aus dem Jahre 1932 als ein gutes Beispiel des neuen Bauens.

Und es gibt sie doch noch - städtische Räume, die sich über Jahrzehnte nicht gross verändert haben. Aber sie sind rar. Dieser über mehrere Generationen erhalten gebliebene städtische Raum an der Ägeristrasse konnte sich gegenüber dem immensen wirtschaftlichen Druck behaupten. Heute ist er ein Ort der Identität, der den Verkehr zur Langsamkeit zwingt. (Monika Twerenbold)

Hinweis
Die «Neue Zuger Zeitung» begleitet «Zeitbild», die Plakatausstellung von DNS-Transport Zug in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege des Kantons Zug, der Direktion des Innern und der Stadt Zug.