Wehranlage wirft Fragen auf
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Zürcher Studenten haben einen rätselhaften Wall am Westhang der Baarburg untersucht. Bei Grabungen entdeckte Scherben könnten nun etwas Licht ins Dunkel bringen.
Baar – Die Chugelrüti und ihr Wall: Archäologe Adriano Boschetti beschreibt den steil abfallenden Sporn am Westhang der Baarburg, der nach Osten hin durch einen 2,5 Meter hohen Wall abgeschirmt wird, als «rätselhafte Anlage und faszinierende Stelle im Wald». Dem Leiter der Abteilung Bauforschung und Mittelalterarchäologie des kantonalen Amts für Denkmalpflege und Archäologie (ADA), Direktion des Innern, ist die Begeisterung für «eines der eindrücklichsten archäologischen Geländedenkmäler unserer Gegend» deutlich anzumerken. Nicht zuletzt deshalb, weil man dem Faszinosum dieser Geländeerhebung vor wenigen Wochen deutlich näher gekommen ist: Im Rahmen eines Feldpraktikums haben 15 Studenten der Uni Zürich in Zusammenarbeit mit dem ADA auf der Chugelrüti Sondierungen vorgenommen und erstmals den zum Wall gehörenden Graben freigelegt.
Und das in beträchtlicher Tiefe. «Der Niveauunterschied von der Sohle des Grabens», so Adriano Boschetti, «bis zur heute noch erhaltenen Wallkrone beträgt über vier Meter.» Der Wissenschaftler ist überzeugt: «Der Wall ist unzweifelhaft etwas Künstliches und muss einmal ein beachtlicher Wehrbau gewesen sein.» Stellt sich die Frage nach der Datierung des Walls. In dieser Hinsicht sei man sicher auch einen Schritt weitergekommen, so Boschetti. «Das in seinen Dimensionen einzigartige Geländedenkmal ist möglicherweise das älteste stehende Bauwerk im Kanton.» Hilfreich bei der Datierung werden in naher Zukunft die im Graben gefundenen Keramikscherben sein und auch die Holzkohleproben, die bei den Sondierungen entnommen wurden.
Zwei Thesen zur Entstehung
Adriano Boschetti sagt: «Auf der Chugelrüti haben wir es mit einer natürlich geschützten Wehranlage zu tun, in vorteilhafter Lage, in einem zu ihrer Entstehungszeit noch nicht bewaldeten Gebiet.» Fragen sind noch viele offen: Hat die Besiedlung des Hangs zeitgleich mit jener auf der Baarburg stattgefunden? Oder früher, oder später? Durch zahlreiche Funde bereits belegt ist: Auf der Baarburg siedelte man von der Bronzezeit (2200 bis 800 v. Chr.) bis in die späte Römerzeit. Wobei die Funde auf der Baarburg vor allem ab der mittleren Bronzezeit datieren. «Auf der Chugelrüti hatten wir nie solche Funde», erzählt Adriano Boschetti. Weshalb eine Hypothese bislang gewesen sei, die Wallanlage stamme aus dem Hochmittelalter. Die zweite Hypothese, die von den Zürcher Studenten verfolgt wird: Die Anlage stammt womöglich aus der frühen Bronzezeit und wurde noch vor der Baarburg besiedelt «dafür sprechen momentan die Keramikfunde der Studenten», so Archäologe Boschetti, der auch Privatdozent an der Uni Zürich ist.
Vorsichtige Grabarbeiten
Fünf Sondiergräben legten die Zürcher Studenten im Juni auf der Chugelrüti an, mit Hilfe von Bohrungen erkundeten sie den Aufbau des Bodens und suchten nach möglichen Resten einer Besiedlung. Das alles mit der Erlaubnis der Waldbesitzerin Korporation Baar, denn: «Man darf nicht einfach nur graben, um ein archäologisches Interesse zu stillen jede Grabung muss gezielt sein, weil jede Grabung auch zerstört», so Denkmalschützer Boschetti. Ziel der Untersuchung sei, mehr über den Wall zu erfahren, denn man könne nur schützen, was man auch kenne. Im Fall Chugelrüti sei im Juni nur wenig zerstört worden: «Mit gezielten kleinen Sondierschnitten wurde der Boden geöffnet und von Hand gegraben.»
Resultate nach den Sommerferien
Geforscht wurde bei der Wallanlage auf der Chugelrüti übrigens schon früher einmal: Als man 1920 einen Forstweg anlegte, nutzte das Landesmuseum die Gelegenheit für archäologische Sondierungen, die allerdings erfolglos blieben. Im «Anzeiger für schweizerische Altertumskunde» heisst es 1923 (Band XXV): «Sonntag, den 8. August 1920, untersuchten wir mit Herrn Vizedirektor Dr. Viollier vom Landesmuseum den Platz und konnten ein typisches Refugium feststellen ... Ein Graben, aus dem der Wall ausgehoben worden wäre, ist nicht sichtbar ... Eine Altersbestimmung des Refugiums ist vorderhand unmöglich.» Der nun entdeckte Graben blieb auch 1985 noch verborgen, als man das Gelände im Detail kartografisch erfasste.
Eine 2007 auf der Chugelrüti gefundene römische Münze, ein Sesterz des Maximinus Thrax (235238 n. Chr.), führte bei der Datierung des Walls ebenfalls nicht weiter. Eine zeitliche Einordnung, die jetzt in Sichtweite ist – womöglich wisse man schon nach den Sommerferien Genaueres, so Adriano Boschetti. (Susanne Holz)