Lesebühne muss endgültig schliessen

Literatur & Gesellschaft

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Die Satz&Pfeffer-Lesebühne wurde coronabedingt umgebaut. Das Zuger Amt für Kultur sagte «Transformationen»-Geld zu, während der Regierungsrat ablehnte. Die Konsequenz sind 97000 Franken Schulden und nun die baldige Schliessung.

  • Von links: Regula Fehr Braun, Präsidentin Verein Liveliteratur, Vizepräsidentin Judith Stadlin und Vorstandsmitglied Michael van Orsouw. (Bild Matthias Jurt)
    Von links: Regula Fehr Braun, Präsidentin Verein Liveliteratur, Vizepräsidentin Judith Stadlin und Vorstandsmitglied Michael van Orsouw. (Bild Matthias Jurt)

Zug – 97 000 Franken Schulden. Darauf sind die Verantwortlichen der Satz&Pfeffer-Lesebühne im Oswalds Eleven in der Zuger Altstadt sitzen geblieben. Wie kam es dazu? Das Zuger Amt für Kultur hat die Lesebühne während pandemiebedingter Umbauarbeiten beraten und darauf hingewiesen, dass für solche «Transformationen» Geld aus der Bundes- und Lotteriefondskasse vorgesehen wäre. Der Zuger Regierungsrat sah das anders und hat den Antrag schliesslich abgelehnt. Doch die Arbeiten waren da schon getan, und das Betreiberehepaar der Satz&Pfeffer-Lesebühne, Judith Stadlin und Michael van Orsouw, haben sich verschuldet.

Die Konsequenz: Die Satz&Pfeffer-Lesebühne muss ihre Tore schliessen. «Wir sind traurig und wütend. Genau wie unser Publikum. Denn das Resultat von 15 Jahren Herzblut, Kreativität und Engagement, darunter sehr viel Eigenleistung, ist damit auf einen Schlag dem Erdboden gleichgemacht», kommentiert Judith Stadlin, Vizepräsidentin und Aktuarin des Vereins Liveliteratur, der die Lesebühne betreibt.

«Regierungsrat hat Antrag zweimal abgelehnt»

Es habe noch ein Gespräch mit dem Amt für Kultur gegeben, das Verständnis für die Situation von Stadlin und ihrem Mann, dem Schriftsteller und Historiker Michael van Orsouw, hat. «Doch was sollen sie machen? Der Regierungsrat hat zweimal ihren Antrag, uns das Geld zu sprechen, abgelehnt. Ohne einen glaubwürdigen Grund dafür anzugeben. Das Amt für Kultur ist an Richtlinien gebunden», sagt Stadlin und fährt fort: «Wir sind nun gezwungen, unsere eigenen Pensionsvorsorgekassen zu plündern. Das sind beängstigende Aussichten für uns als Selbstständigerwerbende.» Tröstlich für sie sei, wie ihr Publikum, Privatpersonen und bisher zwei Organisationen ihnen unter die Arme greifen wollen. «Teils tun sie das mit kleinen Beträgen als Zeichen der Unterstützung, teils mit grösseren finanziellen Zustüpfen. Das ist wunderbar», so die Schriftstellerin, Schauspielerin und Kabarettistin.

Doch beim fehlenden Betrag von 97000 Franken seien sie damit noch lange nicht. «Viele Kulturschaffende, die im Geld schwimmen, kennen wir leider nicht. Das liegt wohl auch daran, dass Kultur bei allem Erfolg nicht gerade reich macht», fährt Stadlin fort. Mit Krediten oder Vorschüssen würden sie ihren Schuldenberg nur verschieben, weiss Stadlin ausserdem: «Angenommen, wir würden von jeder Show 200 Franken zur Schuldentilgung zur Seite legen, müssten wir, um 97 000 Franken zusammenzubringen, 485 Shows spielen.»

Bei 50 000 Franken Vorschuss wären es 250 Shows. Diese Shows müssten allerdings erst noch produziert, geprobt und dann via grossen Marketingaufwand beworben und gespielt werden. «Und die 200 Franken würden wiederum bei unserem Lohn wegfallen. Kurz: Wir wären wieder gleich weit wie jetzt», ist sich Stadlin sicher.

Als Dankeschön für ihr treues Publikum hat die Satz&Pfeffer-Lesebühne zum Abschluss, trotz allen Ärgers, noch etwas zu bieten: Am 27. Oktober findet «Bitzeli Batzeli», eine humoristische Veranstaltung zur Schliessung der Lesebühne im Oswalds Eleven, statt sowie am 11. November im Langhuus in Cham das 15-Jahr-Jubiläum der Lesebühne. Ebenfalls kann man den Verein unterstützen, indem man eine private Adventsshow für fünf bis 50 Personen samt Apéro und Leseshow von Satz&Pfeffer in der Zeit vom 23. November bis 23. Dezember bucht.

Bei «Bitzeli Batzeli» erwartet das Publikum ein galgen­humoristisches Happening mit dem Slampoeten Simon Chen und Satz&Pfeffer, die auf spielerische Art Dinge versteigern. «Von Giesskannenmasken aus meinem Stück ‹Bodyguard. Jenseits› über zwei handgemalte Originalbilder von gemeinsamen Buchcovern sowie originelle Kostümteile und Requisiten aus weiteren Stücken», zählt Stadlin auf. Etwa aus «Der Karneval der Tiere» mit der Zuger Sinfonietta, «Der Geist des Rathauses» anlässlich des 500-jährigen Zuger Rathausjubiläums oder aus «Poltronissime», mit dem DahindenStadlin und Ursus & Nadeschkin auf Schweizer Tournee waren. «Lauter Dinge, die eine theatrale Geschichte haben. Aber auch das letzte Exemplar vom bereits vergriffenen Krimi ‹Rötelsterben› oder vom Bestseller ‹Adelheid. Frau ohne Grenzen.› kommen unter den Hammer», verrät Stadlin.

«Die Sachen sind an sich nicht besonders wertvoll und keine offiziellen Wertgegenstände. Das Publikum kann uns aber unterstützen, indem es mitbietet und – anstelle von nur Geld geben – dafür einen einzigartigen Gegenstand mit nach Hause trägt», so Judith Stadlin weiter. Jedes Stück sei mit einem entsprechenden Rettungslabel versehen. Sie würde sich auf Gespräche mit ihrem Publikum freuen und vielleicht auch auf konstruktive Ideen zur Rettung der Lesebühne.

Letztes Geld wird für Gagen verwendet

«Bisher haben wir vier fixe Daten oder Reservationen für die Adventsshow», sagt Stadlin. Mit der Werbung dafür sei allerdings erst gerade begonnen worden. Weil die Lesebühne aufgrund der Schulden kein Geld mehr für den Betrieb hat – Miete, Personal, Reinigung, Technik – findet die Jubiläumsshow im Langhuus in Cham Stadt. Dort werde ihnen kostenlos Asyl geboten, was sie sehr dankbar annehmen. Stadlin führt weiter aus: «Das bisschen Geld, das noch übrig ist, brauchen wir für die Gagen der Auftretenden.»

Sie fügt noch an: «Die Vorstellung vom 11. November ziehen wir nur durch, weil es das 15-Jahre-Jubiläum der Lesebühne ist und wir die Autorenkollegen dafür schon länger gebucht hatten.» Dass der Zuger Regierungsrat die Lesebühne ohne einleuchtende Begründung abgesägt habe, finden van Orsouw und Stadlin weiterhin unfassbar und «einfach gschämig»: «Wir fühlen uns als Opfer von Willkür.» Der Regierungsrat wollte den Entscheid auf Anfrage soweit nicht kommentieren. (Text von Tijana Nikolic)