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Kunst & Baukultur

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Nguyen Xuan Huy verbindet Historie mit Moderne: Galerie Reichlin in Zug zeigt virtuose Ölgemälde des in Berlin lebenden Vietnamesen.

  • Nguyen Xuan Huy vor einem seiner Ölgemälde, die gemessen an heutigen Trends untypisch naturalistisch wirken. (Bild: Urs Reichlin/zvg)
    Nguyen Xuan Huy vor einem seiner Ölgemälde, die gemessen an heutigen Trends untypisch naturalistisch wirken. (Bild: Urs Reichlin/zvg)
  • Ein weiteres Ölgemälde von Nguyen Xuan Huy, das an frühere Jahrhunderte erinnert. (Bild: Urs Reichlin/zvg)
    Ein weiteres Ölgemälde von Nguyen Xuan Huy, das an frühere Jahrhunderte erinnert. (Bild: Urs Reichlin/zvg)

Zug – Die totale Überraschung erwartet die Gäste der neuen Ausstellung in der Galerie an der Baarerstrasse: ein Rausch von figürlicher Malerei, leuchtenden Farben und modernen Inszenierungen – schön und verwirrend.

Das Interessante an den Exponaten des in Berlin lebenden Künstlers Nguyen Xuan Huy ist, dass er alles in Öl auf Leinwand malt, technisch brillant in der Manier der alten europäischen Meister. Seine Bilder erzählen Geschichten, Gleichnisse oder Träume, wobei mythologische oder biblische Themen hineinspielen. In seiner Bildsprache pflegt er bewusst die figürliche Malerei, doch die Motive verbindet er einzigartig mit Gegenwartsthemen. Auf die Frage, wieso sich ein noch jüngerer Maler heute diesem Genre widmet, erklärt Nguyen Xuan Huy dies mit seinem persönlichen Weg zur Kunst. Und er habe das grosse Bedürfnis, seine Empfindungen und Analysen der Gegenwart in den Werken naturalistisch umzusetzen.

Mehr Freiheit für Formen und Linien

Vor dem Rundgang erzählt der 1976 im vietnamesischen Hanoi aufgewachsene Nguyen Xuan Huy: «Als Jugendlicher wollte ich Kampfsportler werden.» Dennoch begann er ein Architekturstudium. «Ich wollte eine neue Stadt aufbauen, denn damals gab es in Vietnam nach dem Krieg viel Zerstörung. Der Kurs fürs Zeichnen machte mir viel Spass und weckte mein Interesse an der Kunst.» Auch die Freiheit, mit Linien, Licht, Schatten und den Farben zu spielen, gefielen ihm. «Die Malerei wurde fast zur Besessenheit», erinnert er sich.

Ein neuer Weg eröffnete ihm der Umzug zur Mutter nach Deutschland, wo er in Halle an der Saale das Studium der Malerei begann. Dank Förderprogrammen und Stipendien konnte er sich maltechnisch weiterbilden. «Nach dem Diplom hat es mir gefallen, naturalistisch weiterzuarbeiten und meinen eigenen Stil zu suchen.

Nachdenken über unsere Welt

Diesen hat der Künstler inzwischen sichtlich gefunden. Und damit hebt er sich augenfällig vom Mainstream der aktuellen Kunstszene ab. Beim Eingang der Galerie Reichlin löst das grossformatige dreiteilige Werk «Tag X» nur Staunen aus. Die Szene zeigt Menschen, die, aus farbigen Plastikschläuchen trinkend, sich einem kollektiven Rausch hingeben. Hier erinnert Nguyen Xuan Huy mit leisem Zynismus an das Paradies, aus dem die Menschen vertrieben wurden.

In «Exercises 2.0» geht es um Konflikte, wobei die Menschen egoistisch an Bändern reissen und gegeneinander kämpfen: Letztlich ist jeder allein. Das Bild «Hylas and the Nymphs 2» zeigt Badende, die den Moment geniessen. Dieses surrealistische Oeuvre ist psychologisch interessant, weil die Gruppe die nahe Gefahr nicht wahrnimmt.

Und wie geht es weiter mit unserem Leben in der «schönen» Welt? Das symbolisiert Nguyen Xuan Huy mit dem Bild «Heide», wo die Menschen versuchen, der Gefahr zu entrinnen. Wie schon die alten Meister setzt der Künstler oft Symbole ein, um Gefühle zu transportieren oder in den Sinnbildern auf Schein und Sein hinzuweisen.

Diese Bilder erzählen Geschichten

Bänder, Tücher und Schläuche verbindet Nguyen Xuan Huy absichtlich mit den Figuren, die auf allen seinen Exponaten nackt sind. Das Beiwerk habe keine Funktion, stehe aber oft als Sinnbild für alles Undefinierte. «Meine Modelle tragen Objekte, ohne zu wissen, welche Funktion damit verbunden ist», erläutert er. Die nackten Körper sind für den Künstler anonyme Individuen, es sind Kunstfiguren. «Die Körper sind jung und schön, wie Adam und Eva.» Da ist es wieder das Paradies. Doch für Nguyen Xuan Huy ist die schöne heile Welt momentan bedroht. Der Mensch und die Frage nach dem Sinn des Lebens stehen bei ihm im Vordergrund.

Letztlich muss er immer wieder entscheiden, welchen Menschentyp er malen will. Und wie er sagt, gehen ihm die Ideen vorläufig nicht aus. Als Inspiration greift er oft auf innere Bilder zurück. Er macht sich viele Gedanken, zweifelt und hinterfragt in seinem Schaffen die eigene Existenz. «Meine Bilder sind Fragen ohne Antwort. Ja, ich will auch die Leute zum Nachdenken anregen.» (Text von Monika Wegmann)


Die Ausstellung «Medusa»der Werke von Nguyen Xuan Huy läuft bis 31. Oktober in der Galerie Reichlin, Baarerstr. 133, Zug.