Ludwig Keiser und die ETH-Professoren

Dies & Das

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Die wenigen Hinterlassenschaften des Zuger Bildhauers Johann Ludwig Keiser zeugen von hohem handwerklichem Können. An der ETH Zürich ist dies an zwei Marmorbüsten sehr schön ablesbar.

  • Die Marmorbüsten der beiden Professoren Pompejus Alexander Bolley und Emil Kopp in der ETH Zürich sind Werke des Zuger Bildhauers Johann Ludwig Keiser (1816–1890). (Bild Andreas Faessler)
    Die Marmorbüsten der beiden Professoren Pompejus Alexander Bolley und Emil Kopp in der ETH Zürich sind Werke des Zuger Bildhauers Johann Ludwig Keiser (1816–1890). (Bild Andreas Faessler)

Zug – Die Spurensuche nach dem Schaffen von Zuger Künstlern vergangener Jahrhunderte, die ausserhalb ihrer Heimat Karriere gemacht haben, führt uns diesmal an die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) in Zürich. Wie an fast jeder Universität finden sich auch hier in zahlreichen Winkeln in Stein gehauene oder Bronze gegossene Reminiszenzen an namhafte Persönlichkeiten, welche auf irgendeine Weise entweder mit der Bildungseinrichtung und/oder mit dem hier vermittelten Wissen in Verbindung stehen. Einige dieser Monumente sind offensichtlich bereits im Baukonzept des einstigen Polytechnikums vorgesehen gewesen, dessen Architekt kein Geringerer war als Gottfried Semper (1803–1879). 16 Jahre lang lebte und wirkte der angesehene Baumeister in Zürich, wo er von 1858 bis 1864 das Hauptgebäude der heutigen ETH realisierte, eines seiner wichtigsten Werke.

Zu diesen wohl in den Bauplänen bereits vorgesehenen Standorten für Denkmäler gehören die beiden rundbogigen Wandnischen am Ende der kurzen Treppen, welche vom westlichen Foyer in die Seitentrakte führen. In die rustizierte Wand ist jeweils ein mit Stuckgirlande umfasstes Marmormedaillon eingelassen. Darunter eine Marmorkonsole mit gemeisseltem Blattwerk. Auf dieser steht jeweils eine knapp einen halben Meter hohe Büste aus weissem Marmor, eine eingemeisselte Inschrift an der Plinthenfront verrät, wer dargestellt ist: Die Büste im Südtrakt zeigt Pompejus Alexander Bolley (1812–1870) und diejenige im nördlichen Emil Kopp (1817–1875). Beides waren deutsche Chemiker, welche am Zürcher Polytechnikum in ihrer Disziplin als Professoren wirkten und Wegweisendes für die Hochschule leisteten. Die Inschrift «Chemie» am Fuss beider Konsolen gibt den entsprechenden Hinweis auf ihr Fachgebiet.

Aber was haben deutschstämmige Hochschuldozenten im Zürich des 19. Jahrhunderts nun mit Zug am Hut? Die Künstlersignatur an den Plinthen der beiden Büsten verrät’s: «L. Keiser» ist da jeweils zu lesen. Die Signatur gehört dem seinerzeit bekannten Zuger Bildhauer Johann Ludwig Keiser (1816–1890), welchem das hohe Privileg zuteilwurde, im Atelier eines der bedeutendsten deutschen Bildhauers seiner Zeit zu arbeiten: Ludwig Michael Schwanthaler (1802–1848), Hauptvertreter der klassizistischen Plastik im Süden Deutschlands. Der in Solothurn und München ausgebildete Zuger Künstler entwickelte als vertrauter Mitarbeiter Schwanthalers ab 1837 seine bildhauerische Handschrift und galt nach seiner Rückkehr nach Zug im Jahr 1853 als Hauptvertreter der Schwanthaler-Schule in der Schweiz.

Entfernung vom Klassizismus

Ab 1855 war Keiser am Zürcher Polytechnikum Dozent im Modellieren und ornamentalen Zeichnen. Zwei Jahre später wurde er ebenda Professor der Modellierschule. Deutlicher als sein grosser Meister in München entfernte sich der Zuger Bildhauer in seiner Formensprache von derjenigen des Klassizismus. Vielmehr arbeitete er – ganz im Sinne des nun vorherrschenden Historismus – nach den Wünschen seiner Auftraggeber und den verlangten Stilen. So trägt beispielsweise das von Ludwig Keiser geschaffene Denkmal für den Basler Reformator Johannes Oekolampad am Kreuzgang des dortigen Münsters deutlich Züge. Im ähnlichen Stil erscheint seine Agatha-Figur in der Zuger Liebfrauenkapelle. Seine Statuen des Moses und des Johannes in der Pfarrkirche Unterägeri wiederum verpflichten sich eher dem Stil des Quattrocento.

Bei einem seiner auftragsunabhängigen Hauptwerke hingegen griff Keiser wieder auf den klassizistischen Stil zurück, den er zuvor abgelegt hatte: Es ist die Skulptur des Hermes in der Gestalt eines Kindes, das auf dem Rücken einer Schildkröte sitzt. Dieses fantastische Werk Schweizer Bildhauerei befindet sich im Zürcher Kunsthaus («Hingeschaut» vom 13. September 2017).

Schuf Keiser Porträtbüsten, so orientierte er sich nie an einem besonderen Stil, sondern setzte die Abgebildeten ganz nach der Natur um. Und dies nicht minder meisterhaft als sonst wie bei unseren beiden hier gezeigten Marmorbüsten in der ETH Zürich. Diejenige von Pompejus Alexander Bolley hat Keiser 1871 geschaffen, seine Signatur ist mit dem Zusatz «SC.» versehen, was für sculpsit steht (übersetzt in diesem Kontext: gemeisselt). Die Büste von Emil Kopp ist fünf Jahre später entstanden, bei der Signatur hier ist fecit vermerkt (übersetzt: hat’s gemacht). Die Ausführung beider Kunstwerke ist hochwertig und zeugt davon, dass ein Meister seines Faches am Werk war.

Es ist erfreulich, dass die beiden Porträtbüsten aus der Hand des begnadeten Zuger Bildhauers an ihrem angestammten Ort bis heute erhalten sind. Vieles von Johann Ludwig Keiser ist im Laufe der Zeit – unter anderem wegen baulicher Veränderungen – verschollen oder nur als Gipsform erhalten geblieben. Manches überdies hat die Zeit lediglich als Kopie überdauert, wodurch die individuelle Handschrift Keisers verloren gegangen ist. (Andreas Faessler)

Hinweis
In der Serie «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.