Gioachino Rossinis «andere Seite»

Musik

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Der Zuger Singkreis führt zu seinem 40-jährigen Bestehen die «Petite Messe solennelle» auf. Ein Probenbesuch.

  • Zielstrebig übt Chorleiterin Daniela Brantschen mit dem Zuger Singkreis die Rossini-Messe ein. (Bild: Jan Pegoraro)
    Zielstrebig übt Chorleiterin Daniela Brantschen mit dem Zuger Singkreis die Rossini-Messe ein. (Bild: Jan Pegoraro)

Zug – In der kleinen Aula des Schulhauses Kirchmatt stehen etwa 30 Männer und Frauen im Halbkreis und wärmen ihre Stimmen ein. Der Flügel für die Begleitung ihrer Chorprobe steht bereit, so wie auch das Dirigierpult für Chorleiterin Daniela Brantschen. Auf den Notenständern warten die Noten zur «Petite Messe solennelle», die der vorwiegend als Opernkomponist bekannte Gioachino Rossini (1792-1868) als Auftragskomposition eines französischen Grafenpaares geschaffen hat. Der Zuger Singkreis hat sich die erste Fassung von 1863 vorgenommen – für vierstimmigen Chor, vier Gesangssolisten, Klavier und Harmonium. Vorläufig aber, knapp vier Wochen vor der Aufführung in der Kirche Bruder Klaus in Oberwil, wird der Chor noch von Korrepetitor Tomasz Domanski begleitet.

Daniela Brantschen sitzt auf ihrem hohen Dirigentenstühlchen und leitet die Probe mit grossen energischen und kleinen zarten Gesten; ihr gleichzeitig hoch konzentriertes und entspanntes Dirigat greift auf den ganzen Chor über und hält zwei Stunden lang an. «Noch etwas mehr Strahlen in den Augen», ruft sie, oder «innerlich aufrichten», «mit offenem Gesicht, staunend», «hier bitte spielerisch»! Und nach ein paar Wiederholungen freut sie sich: «Ja, wow, schön so!» Dann kommt das vielstimmig verwobene, fliessend-jubilierende Allegro-«Amen» des Credos.

Eine kleine grosse Messe

Allmählich sitzt jetzt alles, und die Stimmung ist trotz höchst anspruchsvoller Musik hellwach, leicht und bei aller Andacht fröhlich – als würde die Freude über die Seelenränder hinausschwappen. «Eine ‹Messe solennelle› ist eigentlich eine grosse, ernste Sache», sagt Brantschen später in der Pause, «aber der Komponist hat ihr das Attribut ‹petite› angefügt». In einer selbstironischen Widmung schrieb Rossini dazu: «Lieber Gott, hier ist sie, die arme kleine Messe. Habe ich nun wirklich heilige Musik (musique sacrée) gemacht oder doch vermaledeite Musik (sacrée musique)? Ich bin für die Opera buffa geboren, du weisst es wohl! Ein bisschen Können, ein bisschen Herz, das ist alles.»

Es wartet auf die Konzertbesucher also geistliche Musik, der die Nähe zur komischen Oper festlich funkelnde Leichtigkeit, sozusagen «petite-ness» verleiht. «Da sind viele Gemütslagen zu hören», beschreibt es Brantschen, «von powerful über andächtig bis opernhaft dramatisch.» Ungewöhnlich ist auch die Begleitung durch Klavier und Harmonium, für welche die Dirigentin Profis aus ihrem Bekanntenkreis engagiert hat: Ismaele Gatti und Riccardo Quadri. Vier Gesangssolisten gehören selbstverständlich auch dazu: Anika Defuns (Sopran), Anna Nero (Alt), Remy Burnens (Tenor) und Flurin Caduff (Bass).

Schon lange in der Zuger Chorszene verankert

Der Zuger Singkreis wurde 1984 von Markus Etterlin gegründet und feiert heuer sein 40-jähriges Bestehen, gehört also schon sehr lange zur Zuger Chorszene. Eines seiner wichtigsten Kennzeichen besteht im Abwechseln unterschiedlicher Stilrichtungen von Kirchenmusik über Volkslied bis Pop, von Barock bis Neuzeit. Dies bietet den Konzertbesuchern jedes Jahr neue musikalische Überraschungen, mal geistlich, mal weltlich. Brantschen, die selbst vier verschiedene Chöre leitet, beschreibt ein weiteres Merkmal: «Dass es ein kleiner Chor ist, in dem jeder jeden persönlich kennt; es gibt kein anonymes Kommen und Gehen, wie es in sehr grossen Chören vorkommt; einige Chormitglieder sind sogar schon von Anfang an dabei.»

Nach der Pause geht die Probe weiter. «Mischt euch durcheinander», fordert die Dirigentin auf, sodass beim «Agnus Dei» Soprane neben Bässen, Tenöre neben Altstimmen zu stehen kommen. Wieder hebt Brantschen den Ton im Raum mit nach oben geöffneten Handflächen in die Höhe – eine fast getanzte Bewegung. An einer Stelle will sie den Ton «in den Nasenflügeln» haben. Und auch bei diesem anweisenden Sprechen sind die eher helle Lage, die Sonorität, der Reichtum an Obertönen und die Ausdruckskraft vernehmbar, die die Qualität ihrer geschulten Solistenstimme ausmachen: Hier leitet eine Stimme die Vielstimmigkeit an. (Text von Dorotea Bitterli)

 

Hinweis

«Petite Messe solennelle»: Am 6. und 7. April in der Kirche Bruder Klaus, Oberwil. Weitere Infos: www.zugersingkreis.ch.